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  3. Babysitten für andere: Darum lässt man besser die Finger davon

Romina weiss Rat

Wollt ihr wirklich auf andere Kinder aufpassen?

Die Vorstellung klingt verlockend: Zwei befreundete Mütter, Schwestern oder Nachbarinnen schauen gegenseitig auf die Kinder, während die andere ihrem Job nachgeht. In Realität ist das weniger toll, als es sich anhört. Familienexpertin Romina Brunner sagt, warum man dem Frieden zuliebe besser die Finger davon lässt.

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Woman with son and daughters preparing breakfast, using smartphone.

Wenn plötzlich noch die Kinder der Freundin, Schwester oder Schwägerin da sind, kann die Situation allen Müttern zu viel werden.

Getty Images

Nach meiner Babypause arbeite ich wieder 40 Prozent als Arztgehilfin. Nun hat mich meine Schwägerin gefragt, ob wir nicht gegenseitig zu unseren Kindern schauen wollen. Wir würden viel Geld sparen. Meine Neffen sind bereits in der Primarschule, was vieles vereinfachen würde, trotzdem bin ich unsicher. Ich weiss nicht, ob ich die Nerven dazu habe. Als ich letzthin auf die Jungs aufpasste, hatten sie nur Blödsinn im Kopf. Sie versteckten den Teddy unserer Ältesten, nahmen das Puppenhaus auseinander und malten eine Spieldose an. – Priska

Liebe Priska

Deine Geschichte überrascht mich nicht. Ich kenne einen Fall, da hat die Mutter regelmässig bittere Tränen geweint, weil sie mit dem Babysitten derart überfordert war. Die Ausgangslage war ähnlich. Jeweils am Mittwoch hat sie auf die Kinder ihrer Schwester aufgepasst, damit diese arbeiten konnte. Den einen Buben musste sie nach dem Kindergarten im Nachbarsdorf erst abholen. Insgesamt sassen dann fünf Kinder am Mittagstisch. Ihre Töchter im Alter von 2 und 3 Jahren, ein Kindergartenkind und zwei Schulbuben. Bis sie nur schon gekocht, getischt und aufgeräumt hatte… Die ersten Wochen ging noch alles gut. 

Es kann auch schiefgehen

Doch dann verliebte sich ihr Schwager auswärts, was sich umgehend auf die ganze Familie auswirkte. Nichts war mehr wie zuvor. Die Schwester ein Häufchen Elend und das Verhalten der Kinder plötzlich auffällig. Der Älteste bekam Probleme in der Schule und brachte seinen Ärger mit an den Familientisch. Er wollte keine Hausaufgaben machen und benahm sich frech – bis die Situation eskalierte. Es ging gar so weit, dass der Junge auf seine Cousine losging, sie plagte und ihr Angst machte. Die Mutter konnte nichts mehr in Ruhe machen.

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Das Angebot will gut überlegt sein

Liebe Priska, der Fall mag vielleicht extrem sein, doch er ist kein Einzelfall. An deiner Stelle würde ich mir das Angebot wirklich gut überlegen, zumal du jetzt schon unsicher bist, wie du schreibst. Es macht auf mich den Eindruck, als wollen deine Neffen gar nicht wirklich bei euch sein. Sie wären vielleicht lieber bei ihrer Mutter oder bei Freunden, die Kinder im gleichen Alter haben. Was auch verständlich ist. Kleinkinder sind für viele Primarschüler oft langweilige Geschöpfe, da sie meistens nichts mit ihnen anfangen können. Diese Tatsache macht ein regelmässiges Hüten doch sehr anspruchsvoll... Du musst ständig präsent sein und solltest die Kinder auch adäquat beschäftigen können. Zudem kommen ja auch deine Mädchen zu kurz. Sie müssten ihr Mami teilen, was bestimmt nicht so gut ankommt, zumal du ja weniger Zeit mit ihnen verbringen kannst, seit du wieder arbeitest.

 

Für die Eltern entfällt der lästige «Kita Bring- und Abholstress» und die Familien sparen viel Geld. Doch ist das viele Geld das alles Wert?

Doch ich verstehe auch deine Gefühle sehr, sehr gut und kann deine Gedanken nachvollziehen. Kurz vor dem beruflichen Wiedereinstieg beginnt bei den meisten Müttern das Kopfkino zu drehen. Die wildesten Gedanken plagen sie. Kann ich das meinem Kind zutrauen? Kommt es in der Kita nicht unter die Räder? Soll es nicht doch lieber zum Grosi? 

Da klingen gegenseitige Kinderhüte-Angebote schon sehr verlockend. Dank einem solchen Arrangement kann der Nachwuchs im vertrauten Umfeld bleiben. Für die Eltern entfällt der lästige «Kita Bring- und Abholstress» und die Familien sparen viel Geld. Doch ist das viele Geld das alles Wert? Ich finde Nein – dem Frieden zuliebe. Selbst dann nicht, wenn du die nächsten drei Jahre keine teuren Auslandreisen machen kannst oder auch mal auf ein Abendessen auswärts verzichten musst.  

Ich rate dir, die folgenden drei Punkte bei deiner Entscheidungsfindung einzubeziehen:

  • Kinder sind Kinder. Auch wenn sie sich aktuell gut verstehen, kann das schon morgen ändern. Ein Thema ist auch der Altersunterschied. Da musst du wohl ständig jonglieren und verschiedene Beschäftigungsprogramme bieten, sonst kommt es wohl schnell zu Streit. Es erfordert deine ganze Aufmerksamkeit.
  • Geschwister, dazu noch Buben, die einen geringen Altersunterschied haben, sind anstrengend. Das heisst, du musst immer auf der Hut sein und kannst die Kinder nie alleine lassen. Selbst in der Mittagspause nicht oder wenn du mal auf die Toilette musst.
  • Die Zeit für dich und dein Kind wird rar. Dein Kind ist noch ein Baby und wird dich die nächsten drei Jahre intensiv brauchen. Gerade wenn die Mutter arbeitet, sind sie an den übrigen Tagen erfahrungsgemäss sehr anhänglich. Hast du dich vielleicht schon mal nach einer Nanny umgeschaut? Eine Nanny kann gerade bei sehr kleinen Kindern eine gute Alternative zur Kita sein. Es gibt aber auch tolle Tagesfamilien.

Liebe Priska, Wie wär es, wenn du deiner Schwägerin anbietest, einfach zur Not für sie da zu sein und beim Hüten einzuspringen? Allenfalls können deine Neffen ja an den örtlichen Mittagstisch oder in den klassischen Hort. Vielleicht kannst du die Kinder abends abholen, damit deine Schwägerin länger arbeiten kann. Das kann ihr unter Umständen eine genauso grosse Hilfe sein.

Ich wünsche dir einen guten Start zurück im Beruf!

Herzlichst
Romina 

am 28. September 2020 - 07:09 Uhr