Ein unerfüllter Kinderwunsch betrifft in der Schweiz schätzungsweise jedes sechste Paar. Trotzdem – oder vielleicht gerade deswegen – ranken sich unzählige Mythen um das Thema. Dirk Wallmeier, Chief Medical Officer bei der Kinderwunschklinik Cada in Zürich, klärt auf.
Dr. med. Dirk Wallmeier, Chief Medical Officer bei der Cada in Zürich, einer der führenden Schweizer Kinderwunschkliniken.
ZVGMyhos 1: Nur das Alter der Frau zählt
Auch das Alter des Mannes hat Einfluss auf die Fruchtbarkeit. Mit zunehmendem Alter können die Beweglichkeit, die Form und das Erbmaterial der Spermien abnehmen. Es sollte deshalb stets die Fruchtbarkeit beider Partner analysiert werden.
Mythos 2: Ein regelmässiger Zyklus garantiert Fruchtbarkeit
Ein stabiler Zyklus ist zwar ein positives Zeichen, ersetzt jedoch keine Diagnostik. Denn auch bei regelmässiger Blutung können Erkrankungen wie Endometriose oder hormonelle Störungen vorliegen. Eine gezielte Abklärung, beispielsweise durch die Bestimmung des Anti-Müller-Hormons (AMH), das Aufschluss über die Eierstockreserve gibt, liefert ein realistischeres Bild der Fruchtbarkeit.
Mythos 3: Die fruchtbaren Tage sind immer an Tag 14
Da der Eisprung je nach Zykluslänge variiert, kann er sich von Monat zu Monat verschieben. Kalenderrechner sind daher nur eine grobe Orientierung. Verlässlicher sind Methoden des Zyklustrackings wie Ovulationstests, die Messung der Temperaturkurve und Ultraschallkontrollen.
Mythos 4: Stress verhindert immer eine Schwangerschaft
In der Regel führt Alltagsstress nicht zu Unfruchtbarkeit. Sehr starker und anhaltender Stress kann jedoch den Zyklus beeinflussen, den Schlaf stören und es erschweren, gesunde Routinen beizubehalten.
Mythos 5: Die Pille macht dauerhaft unfruchtbar
In den meisten Fällen normalisiert sich die Fruchtbarkeit nach dem Absetzen innerhalb weniger Wochen bis Monate. Die Einnahmedauer ist kein dauerhafter Risikofaktor. Das Anti-Müller-Hormon (AMH), das als Marker der Eierstockreserve dient, ist unabhängig von der Pille aussagekräftig.
Mythos 6: Nahrungsergänzungen lösen Fruchtbarkeitsprobleme
Ein Wundermittel gibt es nicht. Entscheidend sind eine ausgewogene Ernährung, ein gesundes Körpergewicht, Nichtrauchen und ein massvoller Umgang mit Alkohol. Eine Fruchtbarkeitsanalyse kann Aufschluss darüber geben, ob beispielsweise ein Vitamin-D- oder Folsäure-Mangel vorliegt, der dann gezielt und individuell supplementiert werden kann.
Mythos 7: Fruchtbarkeitsprobleme liegen meist bei der Frau
In etwa der Hälfte der Fälle ist ein männlicher Faktor für die Unfruchtbarkeit verantwortlich. Ein Spermiogramm ist Teil der Basisdiagnostik. Dabei werden die Konzentration, die Beweglichkeit und die Form der Spermien beurteilt.
Mythos 8: IVF führt fast immer zu Zwillingen
Das Ziel der modernen Reproduktionsmedizin ist eine gesunde Einlingsschwangerschaft. Mittlerweile ist der Transfer eines einzelnen Embryos Standard. Dadurch hat sich die Mehrlingsrate deutlich reduziert, ohne dass sich die Erfolgsraten verschlechtert haben. Die Entscheidung über die Anzahl der zu transferierenden Embryonen, den Zeitpunkt des Transfers sowie die Art des Transfers wird im ärztlichen Gespräch anhand der individuellen Befunde getroffen.
Mythos 9: Social Freezing funktioniert in jedem Alter gleich gut
Mit zunehmendem Alter nimmt die Anzahl und Qualität der Eizellen ab. Das Einfrieren von Eizellen bietet die besten Aussichten, wenn es in jüngeren Jahren durchgeführt wird.
Mythos 10: Wer einmal schwanger war, wird schnell wieder schwanger
Die Unfruchtbarkeit nach dem ersten Kind ist weit verbreitet und hat vielfältige Ursachen. Mit zunehmendem Alter verändern sich die Hormonlage, der Zustand der Eileiter, die Gebärmutter und die Spermaparameter.
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