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Auf der Baustelle mit Beat Schwaller

Wie der Aargauer in Kanada mit Blockhäusern berühmt wurde

Seine Blockhäuser sind auf der ganzen Welt gefragt. In Kanada ist der ausgewanderte Aargauer Beat Schwaller ein TV-Star! Ein Besuch auf der Baustelle des «Timber King» in British Columbia. Und bei der Büez im Berner Schwarzenburgerland.

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Beat Schwaller Blockhäuser

Die Motorsäge ist grösser als ihr Meister: Auf seiner Baustelle in Williams Lake/Kanada richtet Beat Schwaller, 45, den Gehörschutz. Sieben Minuten braucht er, um vom 1300 Jahre alten Zedernstamm eine Tischplatte abzusägen.

PASCAL MORA

«Unbeatable» – unschlagbar! Das steht nicht nur auf Beat Schwallers T-Shirt. Unter diesem Namen ist der 45-jährige Aargauer in seiner zweiten Heimat Kanada als TV-Star berühmt. Die Show über die sechs Zimmermänner, die «Timber Kings», die gigantische Blockhäuser bauen, läuft in 150 Ländern – in der Schweiz auf TV24.

Ein Weltstar in seinem Fach

So flink entsteht Schwallers Blockhaus

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Seine Blockhäuser sind auf der ganzen Welt gefragt. In Kanada ist der ausgewanderte Aargauer Beat Schwaller ein TV-Star! Ein Besuch auf der Baustelle des «Timber King» in British Columbia.  

Doch ausgerechnet beim Besuch in seiner alten Heimat hat Beat, der Unschlagbare, ein Problem. Das Zufahrtssträsschen zum Bauplatz in Rüschegg-Heubach BE ist zu steil: Mit dem 20 Tonnen schweren Container schafft es der Sattelschlepper nicht hinauf. Im Container liegt die erste von drei Ladungen Rundhölzer, die Beat braucht, um für Familie Grass ein Blockhaus aufzubauen – deswegen ist er aus Übersee angereist. Für Beat ein 14-Stunden-Trip, fürs Holz eine sechswöchige Reise: im Zug von West- nach Ostkanada, per Frachter über den Atlantik, auf einem Rheinschiff nach Basel, von dort in die Region Naturpark Gantrisch im Schwarzenburgerland.

Er hat alles im Griff

Und nun soll der Bau an einem Schotterweg scheitern? Beat lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, wie immer hat er alles Griff. Bei einem einheimischen Fuhrunternehmer organisiert er ein Ersatzfahrzeug, eine Stunde später fährt der neue Camion beim Bauplatz vor. Beat öffnet den Container, wohliger Zedernduft entströmt. «Alles paletti», ruft er den Arbeitskollegen zu, «wir können loslegen!»

Beat Schwaller Blockhäuser

«Bin Mädchen für alles», sagt Schwaller und hilft bei allen Arbeiten kräftig mit.

PASCAL MORA

Drei Monate früher, in Williams Lake, einer Kleinstadt in der westkanadischen Provinz British Columbia: Breitbeinig steht Beat auf seinem Arbeitsplatz, ein sieben Fussballfelder grosses Areal der Firma Pioneer Log Homes, des weltweit grössten Produzenten von handgefertigten Blockhäusern. Es riecht intensiv nach Holz, dafür sorgen die ätherischen Öle in der Western Red Cedar, dem Zedernholz, das hier verarbeitet wird.

Die Luft ist voller Sägemehl. Die Sonne brennt mit 35 Grad, es wimmelt von Moskitos, im Winter wird auch bei –30 Grad gearbeitet. «Das ist meine Baustelle», sagt der gebürtige Aargauer, das Strahlen im Gesicht ist Beats Markenzeichen. Seit 25 Jahren ist er hier der Chef, 30 Einheimische arbeiten in seinem Team, eine Handvoll sind Indianer, Samantha ist die einzige Frau, sie bedient die Kräne. Jeder Blockhausbauer hat zwei bis drei Motorsägen. Überall knatterts und kreischts!

Beat Schwaller Blockhäuser

Im Flug: Am Kranseil schwebt der Giebelbalken ein. Der geschnitzte Adlerkopf ist das Markenzeichen der kanadischen Firma. In drei Tagen sind alle Rundhölzer aufgebaut.

PASCAL MORA

Sechs Blockhäuser bauen die Timber-Workers zurzeit auf. Eines davon, das «Schweizer Haus», wird später im Berner Schwarzenburgerland stehen. So läufts bei Beats Blockhäusern ab: Erst werden sie in Kanada auf- und wieder abgebaut, dann wird das Holz transportiert. Und am Schluss kommt das Haus auf dem richtigen Bauplatz irgendwo auf der Welt zu stehen. Beat fährt die grossen Baumaschinen, er ist der Personalchef, pflegt den Kundenkontakt. Auf der nahen Wiese, erzählt er, trottete vor Kurzem ein Bär vorbei.

80-Stunden-Wochen in Kanada

Eigentlich wollte Schwaller nur ein Jahr lang den Beruf des Blockhausbauers erlernen. Deshalb reiste er als 20-jähriger Zimmermann aus Endingen AG 1993 nach Williams Lake. Das Handwerk bei Pioneer Log Homes gefiel ihm. Obwohl er 80 Stunden pro Woche rackerte, für neun Franken Stundenlohn, verlängerte er um ein Jahr. An den Wochenenden ging er biken. Und Fallschirm springen.

Beat Schwaller Blockhäuser

Nimmts genau: In Kanada studiert Beat Schwaller die Pläne des Hauses, das er in der Schweiz aufbauen wird.

PASCAL MORA

So auch im Sommer 1995: Neben ihm landete eine Frau, sie verstauchte sich den Fuss, Beat half ihr. Seither sind Bonnie, eine einheimische Coiffeuse, und Beat ein Paar, 2000 wurde Beat Doppelbürger, im Jahr darauf heirateten die beiden. Heute lebt er mit Bonnie und den Kindern Vivyen und Eli bei Williams Lake am Rande einer der endlosen Wälder.

«Wenn ich um Mitternacht motorsägen will, dann mach ich das. Der nächste Nachbar wohnt zwei Kilometer weg», erzählt Beat in Aargauer Dialekt. Es sei kein Schleck, als Auswanderer in Kanada zu leben. «Ich habe mir alles hart erarbeitet.» Hier gebe es viele Schweizer Auswanderer, «die finden die Schweiz einen Seich, und nach einer bestimmten Zeit auch Kanada. Mit solchen Jammeri habe ich keinen Kontakt. Ich liebe die Schweiz!»

Über 400 Blockhäuser hat Beat schon aufgestellt. Sein grösstes: 5800 Quadratmeter, 25 Truckladungen Holz, für einen US-amerikanischen Investor in British Columbia. Mitarbeiter Tom Gebauer: «Wir haben Respekt vor Beat. Er ist ein Meister seines Fachs, ein Künstler. Er hat grosse Erfahrung, er kennt jeden Baumstamm auf unserer Baustelle.»

Viele weinen, wenn sie sehen, wie ihr Haus entsteht

Im Lager liegen immerhin1200 Stämme von roten Zedern. Diese wachsen an der kanadischen Pazifikküste. Beat ist mit einem Radlader zum riesigen Stapel gefahren und wählt einen Stamm aus. Die Sorte Western Red Cedar «ist der Ferrari unter den Hölzern für den Blockhausbau». Stehe er vor seinem Holzlager, komme er sich vor wie «a kid in a candy store» – ein Kind in einem Süssigkeitenladen. Einige Stämme sind 1800 Jahre alt, haben «ein eigenes Gesicht». Solche «Familienbäume» werden meist im Zentrum eines Hauses eingebaut und halten das Dach.

Naturkunst

«Die Natur ist der Künstler. Es ist ein Privileg, mit solchem Holz arbeiten zu können, ich habe Respekt davor.» Für 30 000 Franken jährlich bestellt Beat Schweizer Baumaterial: Schrauben, Schnitzwerkzeug, Einwegschlingen. An Letzteren werden die Rundhölzer auf entstehende Hauswände gehievt. Eine solche Schlinge hat Beat in Neuseeland ein «Fingerbeeri» abgetrennt, das des rechten Zeigfingers – mit diesem bediente er seine Husqvarna-Motorsägen. Jetzt braucht er den rechten Mittelfinger, zehn Stunden am Tag.

Eine kräftige Hand legt sich auf Beats Schulter. «Hi Steven!», sagt Beat und macht Zeichen mit seinen Fingern. Steven Coombes, 42, ist gehörlos. Deshalb meldete sich Beat bei der örtlichen Schule für Gebärdensprache an. «Am Schluss machten 20 Leute unseres Teams am Kurs mit. Wir alle verstehen uns prima. Auch privat.» Schwallers Blick schweift über seine Baustelle. «Hier habe ich meinen Traumjob.» Heimweh? «No!» Auch wenn er jedes Wochenende mit seinen Eltern in Endingen telefoniert. Diese leben in einem von Beat erbauten Blockhaus.

Zuhause bei Schwallers

Die Wochenenden verbringt Beat mit seiner Familie in ihrem Ferienhaus (im Blockhausstil) an einem einsamen See in der Nähe. Zum Fischen und Nordlichter Bestaunen. In den Herbstferien sind sie oft in einer Lodge eines Schweizers am Chilko River, schauen Grizzlybären beim Lachsfang zu. «Kanada pur.»

Beat Schwaller Blockhäuser

Freuen sich: Bauherren Heinz Grass, 49, und Frau Irene, 44, mit ihren Kindern Marie-Luise, 3, und Benjamin, 5, vor dem Wohnzimmer. Im Januar ziehen sie ein.

PASCAL MORA

Doch manchmal wollen Beats Kids an die Wärme. Badeferien in Mexiko! Einmal wurde Beat am Strand angesprochen: «Sind Sie nicht ein ‹Timber King›?» Beat nickte. In ihrer Heimat sind die ‹Timber Kings› Kult. Die Doku-Reality-Show zeigt Beat und fünf Kollegen beim Blockhausbau in Moskau, Schottland – und in Süddeutschland. Dort errichteten sie ein grosses Anwesen für Schlagerstar Andrea Berg.

Am Haus der Familie Grass arbeiten Beat und vier Angestellte drei Monate lang, 2500 Mannstunden. Dann liegen die 300 Rundhölzer millimetergenau aufeinander. Fein säuberlich werden sie nummeriert, für den Neuaufbau. Zweimal war Bauherr Grass hierhergereist – um zu sehen, wie es seinem Haus geht, und mit Beat Details zu besprechen.

Als Gastarbeiter in der Schweiz

Nun hantiert Beat auf der Baustelle in Rüschegg-Heubach. Mittlerweile ist auch der dritte Container mit den letzten Rundhölzern angekommen. Am Kranseil hängt die Tischplatte, die Beat in Kanada von einem alten Stamm abgesägt hat. Von seinem Team ist niemand mitgekommen: Fünf befreundete Schweizer Zimmerleute helfen ihm, das Fünf-Zimmer-Haus von Familie Grass aufzubauen. Drei Tage brauchen sie. Schwaller: «Das Rundholz eines Blockhauses dieser Grösse und unsere Arbeit inklusive Transport kosten rund 250'000 Franken.» Dazu kommen die Arbeiten für Fundament, Dach und Innenausbau – das machen andere Fachleute.

Beat Schwaller Blockhäuser

Für Liebhaber: Die kanadische Firma Pioneer Log Homes baut auf der ganzen Welt Blockhäuser, oft luxuriöse. Im Bild eine Lodge in Schottland. Beat Schwaller: «Fast alle Bauherren sind ‹down to earth›. Sie verwirklichen sich einen Lebenstraum.»

PASCAL MORA

Schon die vergangenen zehn Jahre haben die Bauherren Heinz und Irene Grass in einem kanadischen Blockhaus gelebt. Heinz Grass, Informatiker: «Für uns gibts nichts Schöneres und Gemütlicheres.» Voraussichtlich im Januar wird die Familie einziehen.

«Punktlandung», ruft Beat zum Kranführer, als dieser den letzten Stamm aufsetzt, die Kehle. Der Bauherr bedankt sich bei Beat: «Super Büez!» Dieser lacht, sagt: «Jedes Haus ist ein neues Abenteuer.» 15 Stunden später sitzt er im Flugzeug Richtung Kanada. Daheim wartet seine Baustelle mit sechs neuen Blockhäusern. Eines wird Beat auf einer Insel vor Alaska bauen. 

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera am 26. November 2018 - 11:38 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 11:51 Uhr