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Aus dem Fricktal in den Buckingham-Palast

Warum die Queen eine Aargauer Bauernfamilie zum Tee lädt

Ein Bauernpaar im Buckingham-Palast! Wie Reto und Manuela Meier aus dem Aargau eine royale Garten-Party feiern, «Her Majesty» treffen und wieso sie daheim auf dem Hof auch eine Krone haben.

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Und dann steht sie plötzlich vor ihnen! Die Queen, Königin Elizabeth II. von England, zwei Meter von den Meiers entfernt. Zum Greifen nah, was natürlich keiner wagt; zum Fotografieren nah, was einer wagt - und sofort vom royalen Personal zurechtgewiesen wird. «Sie ist viel kleiner als im Fernsehen», raunt Reto Meier seiner Gattin Manuela zu; diese ist fasziniert von der Aura der Monarchin und «wie freundlich die guckt». Das Aargauer Ehepaar Meier steht im Garten des Buckingham-Palastes in London, steht vor der Queen und ist gespannt, ob «Her Majesty» sie gar anspricht. Wie man sich bei Hofe benimmt, wissen Meiers genau - sie haben ja selber einen daheim.

Drei Wochen vorher. Der Hof heisst Eichwald und steht im Dorf Zeihen im Fricktal. Bauer Reto Meier, 40, benutzt fast täglich seine «Krone». Das Wetter ist sonnig, trocken, ideal, um mit Traktor und der Rundballenpresse Marke Krone auf dem Feld Heu und Stroh in riesige zylindrische Ballen zu pressen. Gerade ist ein Brief gekommen. Aus England, von der Queen, eine Einladung für «Mr. Reto Meier and Mrs. Manuela Meier» zur «Garden Party at Buckingham Palace». «Was sollen wir Landeier dort», höhnt Meier, obwohl er genau weiss, warum sich die Königsfamilie Windsor erkenntlich zeigen will.

Der Bauer hat die letzten Jahre - quasi hobbymässig - als Mechaniker für das britische Bobteam gearbeitet, das von Meiers Kollegen, dem Aargauer Dominik Scherrer, gecoacht wird. Meier schliff die Bobkufen derart genial, dass Britanniens Viererbob an Olympia in Sotschi 2014 den sensationellen fünften Platz erzielte. Die Sportwelt war verblüfft, Grossbritannien stolz, die Queen «amused» - drum lädt sie den Schweizer Söldner jetzt zur Gartenparty. Mit Ehefrau Manuela. Die 34-Jährige ist schwanger, der Bauch nicht zu übersehen, Geburtstermin ist im August. Ein Kind haben die Meiers bereits, Töchterchen Selina, 5, bleibt daheim bei Verwandten; die Eltern haben ihr von der Königin erzählt, Fotos gezeigt. Aber das Wort «Queen» ist auch gar kompliziert. Mami und Papi reisen weit weg, erzählt das Kind in der Spielgruppe im Dorf, «zu diesem Grosi mit dem Hut».

G-Day. Gartenparty-Tag. Donnerstag, 28. Mai. Gegen 15 Uhr treffen die Schweizer Bob-Söldner Meier und Scherrer mit ihren Gattinnen vor dem Buckingham-Palast ein. Die Damen mit Kleid und Hut; Manuela hat bei Retos Tante einen Strohhut aufgestöbert, und ihr Kleid, Umstandsmode, «habe ich online bei Zalando bestellt». Die Herren tragen den Anzug der britischen Olympia-Delegation. Man ist nicht ganz allein. Die Queen hat 8000 Untertanen, mit «besonderen gesellschaftlichen Verdiensten» eingeladen: Leute aus Kirche, Militär und Bildung sind gekommen, aber auch besonders tapfere Krankenschwestern, Tierschützer, Feuerwehrleute und Rettungsschwimmer. Verstümmelte Kriegsveteranen in Rollstühlen palavern von vergangenen Zeiten, gewonnenen Schlachten und verlorenen Gliedmassen. 8000 Gäste - die Warteschlange ist 400 Meter lang.

Einmal im Leben für einen Nachmittag ein bisschen zum Adel gehören…Putzmunter und herausgeputzt wartet man auf Einlass, manche zeigen Stil, andere sind kostümiert. Die Männer tragen Anzug, Uniform, Frack und Zylinder, die Damen Roben, Kleider und Kleidchen und Hüte natürlich. Einige Kreationen sind derart teuer, mit dem Geld hätte das Ehepaar Meier damals locker seine Hochzeitsrechnung begleichen können. Apropos - Bob-Coach Scherrer und seine Frau Beatrice erzählen den Meiers ihre Beziehung zum englischen Adel: Just in ihrer Hochzeitsnacht, im August 1997 wars, starb Prinzessin Diana bei einem Autounfall.

Die Tore öffnen sich. Ohne Einladung, Pass und eine offizielle Rechnung (als Beweis für den Wohnsitz) ist kein Einlass, weshalb die britischen Gäste ihre Gasrechnungen vorzeigen. Und die Schweizer? Bob-Coach Scherrer darf dank der Abwasserrechnung seiner Wohngemeinde Auw AG passieren, und die Meiers setzen mit ihrer «Jahresrechnung 2014, Kadaverbeseitigung» dem Prozedere die Krone auf.

Der Garten ist riesig, 17 Hektaren gross, der Rasen «wie mit dem Nagelclip geschnitten», staunt Reto. In Zelten gibt es Erfrischungen. An diesem Nachmittag werden 27'000 Tassen Tee ausgeschenkt, dazu gibts 20'000 Stück Kuchen und ebenso viele zweifingerbreite Sandwiches, belegt mit Ei, Gurke oder Schinken, der Brotrand wegmanikürt.

16 Uhr: Eine Militärkapelle intoniert «God Save the Queen» - Auftritt Queen. Mit Ehemann Prinz Philip, Tochter Prinzessin Anne und Enkelin Prinzessin Beatrice schreitet sie dahin, nickt, lächelt, zelebriert da und dort Small Talk. Die Monarchin trägt heute leuchtendes Fuchsia, «Säulipink», wie Bauer Reto (er hat daheim 520 Mastschweine) mit Kennerblick konstatiert. Plötzlich schreitet die Queen in Richtung Familie Meier, «die Ausstrahlung dieser Frau hat mich überwältigt», wird Reto später, um Mitternacht, beim einem Bier («um den Teegeschmack loszuwerden») zugeben, und Manuela sagt, ihr Mann sei ja sonst ein Sprücheklopfer, «doch heute hat er drei Stunden nur gestaunt».

Immer näher kommt die Queen, Reto hat sich im Hotelzimmer extra noch die Hände eingecremt, falls es zum Handshake kommt, noch drei Meter, zwei, jetzt steht sie vor den Meiers - und wandelt weiter. Immerhin, Prinzessin Anne entdeckt auf Retos Sakko die Olympia-Aufschrift «Team GB, Sochi 2014» und nickt ihm zu. Ein royaler Augenblick, nur für ihn. Immerhin.

18 Uhr: Ende der Party. Nochmals posaunts «God Save the Queen», diese lächelt ein letztes Mal und zieht sich dann zurück. Scherrers und Meiers sind erschlagen und verzückt ob all der Eindrücke. Die Frauen werden daheim im Damenturnverein viel zu erzählen wissen, und selbst die vorher spöttelnden Männer tragen nun verklärte Gesichter.

Morgen geht es zurück in die Schweiz. Schon bald findet ja das nächste Grossereignis satt: Im August erwarten die Meiers ihr zweites Kind. Derzeit suchen sie Vornamen, für Buben haben sie ein paar passende gefunden, bei Mädchennamen sei es schwieriger.

Eigentlich ist Elizabeth ein sehr schöner Name.

Von Marcel Huwyler am 12. Juni 2015 - 04:45 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 16:05 Uhr