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Resistente Keime

Die Gefahr im Spital

Antibiotika sind die Allzweckwaffe gegen Bakterien – doch damit könnte es schon bald vorbei sein. Immer öfter tauchen Bakterien auf, die gegen alle bekannten Medikamente resistent sind.

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Die Hygiene in Schweizer Spitälern hat sich in den letzten Jahren dank gezielter Projekte verbessert. Häufig die Hände desinfizieren gehört auch dazu.
Prisma

Normalerweise gehen wir nur ins Spital, wenn wir müssen. Wir hoffen, geheilt zu werden. Doch weltweit sterben jedes Jahr Hunderttausende Menschen, weil sie sich ausgerechnet da infizieren. Resistente Keime können einen Spitalaufenthalt auch bei uns zur tödlichen Gefahr werden lassen.

Rund 70 000 Patienten in der Schweiz erleiden jedes Jahr während des Spitalaufenthalts eine Infektion. Besonders alarmierend: Immer mehr Erreger sind gegen die üblicherweise verwendeten Antibiotika resistent. Die Folge von Spitalinfektionen, so schätzte das Bundesamt für Gesundheit BAG bereits Anfang 2006, seien 300 000 zusätzliche Spitaltage, die mit 250 Millionen Franken Zusatzkosten zu Buche schlagen. 2000 Todesfälle gingen ebenfalls auf das Konto solcher Spitalinfektionen.

Antibiotika sind die Eckpfeiler der modernen Medizin. Als Alexander Fleming 1928 erstmals die Bakterien tötende Wirkung von Penicillin entdeckte, war das der Durchbruch, um Infektionskrankheiten zu heilen. Penicillin war während und nach dem Zweiten Weltkrieg das wahrscheinlich wichtigste Medikament überhaupt.

Seither hat die Forschung die Zahl von Antibiotika stets steigern können. Der Kampf zwischen Mensch und Krankheitserregern schien entschieden. Doch seit Jahren rüsten sich die Keime zum Gegenangriff. Ihr Name ist Programm: MRSA – die Abkürzung für Methicillinresistente Staphylococcus aureus. Es sind Bakterien, gegen die die meisten Antibiotika nicht mehr helfen.

Killer-Keime oder Spital-Käfer nennt sie der Volksmund. Für gesunde Menschen sind sie zwar meist kein Problem – aber wer ist schon gesund im Spital? Die Angst wächst, denn nach einem Unfall, einer akuten Erkrankung oder einer Geburt ist jedes Immunsystem geschwächt. Dann schlagen die Keime zu.

Sie können lebensbedrohliche Krankheiten wie Wundinfekte oder Lungenentzündungen verursachen, und es gibt keine Medikamente dagegen. Betroffen sind nicht nur ältere Menschen und Patienten nach schweren Operationen – sondern wir alle.

Wer ist schuld daran, dass immer mehr Keime resistent gegen Antibiotika sind? Die Spitäler wegen mangelnder Hygiene? Die Pharmaindustrie wegen mangelnder Forschung? Wir alle, weil wir schon bei einfachem Schnupfen zur antibiotischen Keule greifen? Oder weil wir von Fernreisen Keime in unserem Darm mit nach Hause bringen?

Wohl alle sind an diesen Missständen schuld. «Leider ist die Forschung nach neuen Antibiotika für die Pharmaindustrie nicht sehr lukrativ. Denn wenn ein neues Produkt kommt, wollen wir Ärzte das ja so wenig wie möglich verschreiben, damit möglichst lange keine Resistenzen entstehen können», sagt Prof. Kathrin Mühlemann, die in Bern das Nationale Referenzzentrum für Antibiotikaresistenz führt. Von 1950 bis 1980 sind noch 200 neue Antibiotika auf den Markt gekommen. Von 1980 bis 2010 waren es nur noch 55, darunter gerade noch 7 in den letzten zehn Jahren.

Resistente Keime nehmen allgemein immer mehr zu. Und dass sie vermehrt im Spital anzutreffen sind, überrascht wenig. «Patienten sind anfälliger für eine Infektion, weil sie kränker sind und weil in einem Spital häufiger Behandlungen durchgeführt werden, die Infektionspforten öffnen», erklärt Mikrobiologin Mühlemann. Bereits im Jahr 2007 wurde in der Schweiz die Zahl der Patienten mit einer schweren Infektion durch einen multiresistenten Keim auf rund tausend geschätzt. Allerdings sind das nicht alles Spitalkeime.

Kommt dazu: Die Patienten sind heute im Schnitt älter und anfälliger. Chronisch Kranke überleben länger. Die Zahl heikler Operationen ist zudem stark gestiegen. Es werden massiv mehr Prothesen eingesetzt und mehr Organe transplantiert. Chemotherapien für Krebskranke wurden intensiviert. Doch dass es mehr Resistenzen gibt, weil die Menschen ihre Antibiotika-Kuren oft zu früh abrechen, das hält die Berner Spezialistin allerdings für falsch: «Die Therapie schlägt dann einfach nicht an, aber mit der Bildung von Resistenzen hat das nichts zu tun.»

Ein weiteres Problem: Studien zeigen, dass die Hygiene in Spitälern oft mangelhaft ist. «Da hat sich in den letzten Jahren aber viel verbessert», betont die Berner Ärztin. Zwei nationale Projekte wurden lanciert, in vielen Spitälern brachten hauseigene Initiativen grosse Verbesserungen. Aufgrund der Anstrengungen von Hygienespezialisten entstanden in mehreren Kantonen regionale Netzwerke. Über sie können sich auch kleine Spitäler das nötige Fachwissen beschaffen.

Grundlage für jede Bekämpfung von resistenten Keimen ist ein sorgfältiger Umgang mit den Antibiotika. Zudem sollten in Spitälern bei Patienten mit multiresistenten Keimen spezielle Hygienemassnahmen getroffen werden.

Prof. Mühlemann ist vorsichtig optimistisch. «Es wird nie keine Antibiotikaresistenzen geben. Wenn es nicht mehr wird, müssen wir zufrieden sein», glaubt sie. Zurzeit seien die Zahlen für einige Keime stabil, bei anderen zeigt sich aber eine besorgniserregende Zunahme, erklärt sie. Die Leiterin des Referenzzentrums für Antibiotikaresistenz muss es wissen, denn bei ihr werden alle Fälle von solchen Resistenzen, die in Schweizer Spitälern entdeckt werden, gemeldet und gesammelt.

Das Überwachungssystem ist unerlässlich, um Präventionsmassnahmen zu entwickeln und zu evaluieren. Dazu gehören etwa Empfehlungen für die Wahl der Antibiotika. «Da sich Resistenzen sehr schnell ausbreiten können, ist ihre Kontrolle am einfachsten, wenn sie noch relativ selten sind», sagt Prof. Mühlemann. «Die Resistenzen sind kein Grund zur Panik, aber wir müssen das Problem der zunehmenden Multiresistenz ernst nehmen und wachsam bleiben.»

CHECK:
Das sollten Sie wissen!

Was können Sie  gegen Antibiotikaresistenz tun?

  • Waschen Sie regelmässig Ihre Hände bzw. die Hände Ihrer Kinder – zum Beispiel nach dem Niesen oder Husten.
  • Verlangen Sie vom Arzt nicht bei jeder Erkältung ein Antibiotikum. Geben Sie dem Körper Zeit, selber gesund zu werden.
  • Fragen Sie den Arzt: Können Sie anstelle eines Antibiotikums auch ein pflanzliches Arzneimittel verordnen?
  • Wenn Ihr Arzt Ihnen ein Antibiotikum verordnet hat, dürfen Sie die Dosis nicht eigenmächtig erhöhen, damit es schneller wirkt. Auch ein Therapie-Abbruch nach zwei oder drei Tagen macht keinen Sinn, auch wenn die Symptome verschwunden sind. Denn selbst wenn man selber nichts mehr merkt von der Krankheit, können die Keime noch aktiv sein.
  • Antibiotika gehören nicht in die Hausapotheke. Haben Sie nicht alle gebraucht, bringen Sie den Rest zurück in die Apotheke.
  • Vor und nach einem Spitalbesuch die Hände gut waschen.
  • Verhindern Sie Infektionen soweit möglich durch geeignete Impfungen.

 

Von Christoph Baumgartner am 30. August 2011 - 09:33 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 21:00 Uhr