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Regula Mühlemann

Ton sur Ton

Sie kann singen und ist bildhübsch. Die Sopranistin hat beste Voraussetzungen für eine grosse Karriere.

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Vorhang auf für eine Luzerner Nachwuchshoffnung! Seit Regula Mühlemann in der Verfilmung der deutschen Oper «Der Freischütz» von Carl Maria von Weber die Partie des Ännchens sang, hat sich für die 25-jährige Sopranistin ein Traum erfüllt: Die internationale Opernwelt engagiert den Jungstar für richtig gute Auftritte.

Schweizer Illustrierte Style: Sopranistinnen von Weltruhm haben alle eine unverkennbare Stimme. Was ist Ihr Markenzeichen?
Regula Mühlemann: Die Leute sagen immer, es sei mein Timbre, meine Stimmfarbe. Hell und klar, man könne sie wiedererkennen.

Ihre Karriere scheint richtig in Gang zu kommen. Was ist das für ein Gefühl?
Ich bin überglücklich! Dass ich jetzt Engagements im Ausland bekomme, ist wirklich toll! Man hatte mir prophezeit, dass ich nach dem Film stärker wahrgenommen werden würde. Aber ich dachte: «Gut, schauen wir mal.» Und nun kommen diese wichtigen Konzerte tatsächlich, das ist fantastisch!

Sie singen im Dezember im Zürcher Opernhaus an der Seite von Startenor Rolando Villazón, wir gratulieren!
Vielen Dank. Ich interpretiere die Gianetta in Donizettis «L’elisir d’amore». Für die gleiche Oper wurde ich auch im Mai 2012 in Baden-Baden verpflichtet, ebenfalls mit Villazón. Und an Weihnachten kann ich im Gasteig München vor 2500 Menschen das Weihnachtsoratorium singen, das sind jetzt andere Dimensionen.

Sie stammen nicht aus einer Musikerfamilie: Ihre Mutter ist Damenschneiderin, Ihr Vater Cheminéebauer. Wie entstand der Wunsch, Opernsängerin zu werden? Wir haben zu Hause immer Musik gehört und viel gesungen. Meine Oma war Sängerin am Theater in Sursee. In der Musikschule besuchte ich eher aus Spass den Stimmbildungsunterricht. Meine Gesangslehrerin überredete mich, eine Probe der Luzerner Kantorei anzuhören. Davon war ich so begeistert, dass ich dem Chor beitrat. Bald durfte ich auch die Soli singen, und so kam eins zum andern.

Schwärmt man als Teenager nicht eher für Pop und Rock als für Puccini und Rossini?
In einem Chor mitzusingen, ist einfach beeindruckend. Es ist ein intensives Erlebnis, das einen in den Bann ziehen kann. Das bestätigen viele Chorsänger. Aber klar hörte ich auch Popmusik. Ich mag bis heute Coldplay, Jet und U2.

Welches ist Ihr Lieblingslied?
Oh, es gibt so viele schöne Lieder und Arien, ich kann mich nicht entscheiden. Ich liebe Mozart. Und es gibt Schubert-Lieder wie den «Erlkönig», da kriege ich jedes Mal Gänsehaut.

Letztes Jahr haben Sie Ihr Gesangsstudium an der Hochschule Luzern mit Bestnoten beendet. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie begabter sind als andere?
Daran hatte ich nie gedacht. Erst als die Schule mich als Teilnehmerin für einen grossen Wettbewerb auserwählt hatte, fiel mir auf, dass ich wohl ein bisschen anders bin.

Ihr Vorbild ist Edita Gruberova. Würden Sie gern so berühmt werden wie die slowakische Operndiva?
Wenn man so erfolgreich werden möchte, hat man kaum Zeit für Freunde und Familie. Man lebt fast nur noch für diesen Beruf. Aber zum Glücklichsein, für den Ausgleich und die Inspiration brauche ich auch meine Liebsten. Klar: Im Moment möchte ich möglichst alles daransetzen, dass es vorwärtsgeht. Um eine grosse Sängerin zu werden, muss man wichtige internationale Auftritte bekommen, da reicht die Schweiz allein leider nicht aus. Ich habe keine Ahnung, wo es hinführen wird.

Interessieren Sie sich für Mode?
Oh ja, schon immer! Das habe ich von meiner Mutter. Als Damenschneiderin hat sie sich oft besondere Kleider genäht. Mir ist Individualität wichtig. Es ist schön, wenn man etwas Spezielles trägt; Kombinationen, die nicht alle tragen. Ich liebe schöne Stoffe und Details wie besondere Knöpfe, Ausschnitte, Ärmelabschlüsse.

Schwärmen Sie für bestimmte Marken?
Labels sind für mich völlig unwichtig. Wenn ich das Geld dazu hätte, würde ich mir sicher auch Haute Couture kaufen. Elie Saab etwa macht wunderschöne Abendroben. Für mich ist es wirklich toll, dass meine Mutter meine Konzertkleider schneidert. Das sind alles Einzelstücke. Auf der Bühne zählt nicht nur die Stimme. Der Gesamteindruck ist wichtig. Dazu gehört auch, sich etwas Zauberhaftes anzuziehen.

Wofür geben Sie gern etwas mehr Geld aus?
Wie gesagt, für besondere Outfits wie das Lederkleid, das ich kürzlich während unserer Ferien in New York entdeckt habe. Da bin ich auch bereit, ein bisschen mehr zu bezahlen.

Wie viel?
200 Franken.

Das ist ja noch vertretbar.
Na ja, als Studentin hatte ich wirklich nicht viel. Trug Jeans und T-Shirts. Es machte mir auch nichts aus, Schuhe aus dem Secondhand zu kaufen.

Was gönnten Sie sich mit Ihrer ersten grossen Gage?
Nach dem Film ging ich mit meiner Familie und meinem Freund in ein schickes Restaurant essen. Ich würde mir gern mal ein Paar Designerschuhe kaufen. Louboutins. Oder von mmmh … etwas mit B. Wie heisst nochmals dieses bekannte Schweizer Label, das es schon ewig gibt?

Bally?
Genau! Bally! Bally finde ich super!

Kleiden sich klassische Musiker gern etwas altmodischer, oder ist das ein Vorurteil?
Das ist sicher im Wandel. Die jüngere Generation tritt anders auf. Überhaupt hat sich einiges geändert in den letzten Jahren. Die biederen Posen sind passé.

Eine – pardon – «Kugel» wie die grandiose spanische Sopranistin Montserrat Caballé wäre heute völlig undenkbar?
Früher stand auf der Opernbühne vor allem das Singen im Vordergrund. Heute ist die schauspielerische Darstellung fast genauso wichtig. Kondition und Beweglichkeit sind quasi Voraussetzung.

Ist Ihre zierliche Figur naturgegeben, oder halten Sie Diät?
Ich esse extrem gern, aber ich höre auf, wenn ich genug habe. So bleibe ich schlank.

Was würden Sie als Ihr Lieblingsmenü bezeichnen?
Das wechselt. Ich liebe Explosionen von Geschmäckern auf dem Teller. Kürzlich habe ich Rucola-Salat mit Weinbeeren an Honig-Balsamico-Dressing ausprobiert und ihn mit Erdbeeren und Geisskäse garniert. Das habe ich aus einer Kochsendung. Zugegeben: nicht ganz saisonal, aber es schmeckte fabelhaft. Den Hauptgang mit Spaghetti bolognese hat dann mein Freund Claudio zubereitet.

Sie teilen sich die Hausarbeit?
Ja, wir haben beide unsere Ämtli, und in der Regel halten wir uns auch daran. Er putzt, ich wasche.

Wie wichtig ist Stille für Sie?
Immens wichtig. Ich habe oft das Gefühl, ich hätte eine Überdosis an visuellen und akustischen Reizen, bin so voller Eindrücke. Deswegen gucke ich auch kaum Fernsehen. Ich liebe es, am Abend einfach einmal daheim für mich zu sein. Dann arbeite ich am Pult, räume auf, koche. Dabei erhole ich mich.

Wahrscheinlich müssen Sie als Künstlerin besonders durchlässig und sensibel sein?
Ich habe keine Probleme damit. Ich bin damit aufgewachsen, dass man seine Gefühle zeigen darf, und das hilft mir jetzt auch bei meiner Arbeit.

Von den jungen Sopranistinnen der Schweiz traut man Ihnen am ehesten den grossen Durchbruch zu.
Uiiih, dazu sage ich nichts (lacht).

Sind Ihre Eltern besonders stolz auf Sie?
Sie sind auf beide Töchter gleich stolz, auf meine kleine Schwester genauso. Aber sie freuen sich natürlich, dass es bei mir so gut läuft. Bei meinem Job keine Selbstverständlichkeit.

Musiziert Ihre jüngere Schwester auch?
Nein, sie ist behindert. Sie hat das Downsyndrom. Und darum hatte bei uns daheim Stolz noch nie mit Leistung zu tun. Meine Schwester kommt gern an meine Konzerte, aber eigentlich mag sie lieber Schlager und Volksmusik. Auch in diesem Musik-Genre kann man sich fragen: Was ist es, was die Menschen berührt? Das frage ich auch mich: Was ist meine Aufgabe als klassische Sängerin? Den Leuten Gefühle zu ermöglichen. Lachen. Weinen. Dass etwas mit ihnen passiert. Auch darum singe ich.

 

 

Von Daniela Fabian am 19. Oktober 2011 - 17:00 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 20:37 Uhr