Wer sich im April 2018 eine Karte für den zunächst als Geheimtipp geltenden «A Quiet Place» sicherte, machte eine erstaunliche Kino–Erfahrung: Speziell die ersten 20 Minuten des Films von und mit John Krasinski (44) liessen eine derartig ohrenbetäubende Stille auf den Saal los, dass sich nur verwegene Filmfans trauten, ihr Popcorn zu knuspern. Mit kleinem Budget und grossem Einfallsreichtum mauserte sich der Horror–Streifen zum Überraschungserfolg, dessen Fortsetzung sogar der Corona–Pandemie die Stirn bot – und ab dem 27. Juni in Form von «A Quiet Place: Tag Eins» ein ebenfalls vielversprechendes Prequel spendiert bekommt.
Schweigen ist überlebensnotwendiges Gold – darum geht es in «A Quiet Place: Tag Eins»
Die New–Yorkerin Sam (Lupita Nyong'o, 41) , die für einen Tag in die Stadt zurückkehrt, wird wie alle anderen Bewohner der Metropole von einem plötzlichen Angriff monströser Kreaturen überrascht, die unvermittelt vom Himmel stürzen. Die gewaltigen Ungetüme sind aufgrund ihres geschärften Gehörs, ihrer unfassbaren Geschwindigkeit und der schier undurchdringbaren Panzerung die perfekten Raubtiere.
Schnell müssen Sam und ihre Mitstreiter, darunter der junge Mann Eric (Joseph Quinn, 30), lernen, sich an eine neue, unbarmherzige Weltordnung anzupassen. Denn selbst wer in kilometerweiter Ferne von den Ungetümen auch nur einen Mucks von sich gibt, ist dem Tode geweiht.
Der nervenaufreibende Niedergang der Menschheit
«A Quiet Place» setzte in medias res ein, warf das Publikum also mitten in eine Apokalypse, der die meisten Menschen bereits zum Opfer gefallen waren. Genauer gesagt begann die Haupthandlung des Streifens 470 Tage nach der Alien–Invasion und konzentrierte sich auf die fünfköpfige Abbott–Familie rund um Vater Lee (Krasinski) und Mutter Evelyn (Emily Blunt, 41), die sich bereits raffiniert an ein Leben in kompletter Stille angepasst hatte.
Diese Entscheidung wurde zum Teil sicherlich aus der Not geboren – den Weltuntergang glaubhaft zu inszenieren, ist teuer und nicht mit dem kolportierten Budget von gerade einmal 17 Millionen US–Dollar zu stemmen. Zum Glück spielte Teil eins rund 340 Millionen US–Dollar ein, Teil zwei liess trotz Veröffentlichung mitten in der Corona–Pandemie starke 300 Millionen US–Dollar folgen – am Budget scheitert es nun folglich nicht mehr.
Apropos Teil zwei: Der gewährte in einer kurzen, aber ungemein spannenden Rückblende, wie die Abbotts den ersten Tag des Alien–Angriffs er– und mit nur viel Glück überlebten. Dass mit «A Quiet Place: Tag Eins» jetzt ein gesamter Film die Uhr auf Null dreht, verheisst nicht weniger als ein Spektakel – den Sturm vor jener bedrückenden Ruhe, in die das Kinopublikum 2018 geschubst wurde.
Weniger Symbolik, mehr Action
Krasinski wollte in Teil eins nach eigener Aussage anhand der Monster all jene Sorgen, Probleme und Gefahren symbolisieren, denen sich Eltern in der Realität gegenübersehen. Und das gelang ihm wahrlich meisterhaft. Sein Kind das erste Mal alleine auf den Schulweg zu schicken, als Teenager abends weggehen zu lassen – für viele Eltern muss es sich so wirklich anfühlen, als würde man sein Ein und Alles in eine Welt voller monströser Gefahren entlassen.
Statt auf diese zugrundeliegende Symbolik setzt der neue Eintrag der Filmreihe nun auf bildgewaltigere Schauwerte. Dass in «A Quiet Place: Tag Eins» alles deutlich grösser als im Franchise–Auftakt von vor sechs Jahren ist, zeigt schon das Setting. «A Quiet Place» und auch dessen Nachfolger trugen sich auf dem Land zu, während das Prequel nun mitten in New York spielt. «Tag Eins» kommt also eher wie ein modernes «Cloverfield» daher, das sich (dankenswerterweise) aber die verwackelte «Found Footage»–Ästhetik spart.
Alles neu – mit einer Ausnahme
Frischer Wind weht auch auf dem Regiestuhl: Erstmals führt bei einem «A Quiet Place»–Film nicht John Krasinski selbst die Regie, er übergibt an Michael Sarnoski, mit dem er immerhin zusammen das Drehbuch ausgearbeitet hat. Sarnoski hat zwar noch nicht viele Projekte in seiner Vita vorzuweisen. Mit dem 2021 erschienenen «Pig», in dem er Nicolas Cage (60) auf ungewöhnliche Rettungsmission schickte, bewies er jedoch grosses Talent und ein gutes Gespür für Drama.
Statt Krasinski und seiner auch im wahren Leben angetrauten Ehefrau Emily Blunt setzte schon Teil zwei auf eine neue Kombination: An die Seite von Blunt rückte der inzwischen mit einem Oscar ausgezeichnete Cillian «Oppenheimer» Murphy (48).
«A Quiet Place: Tag Eins» setzt auf ein nicht minder interessantes Duo: Oscarpreisträgerin Lupita Nyong'o trifft auf «Stranger Things»–Liebling Joseph Quinn. Während ihm dank einer Rolle in einer Horror–Serie der Durchbruch gelang, wagte der «12 Years a Slave»–Star auf dem Höhepunkt seiner Karriere den Schritt in das Genre: In Jordan Peeles (45) sozialkritischen Horrorstreifen «Wir» brillierte sie gar in einer Doppelrolle und lieferte ein beeindruckendes Bewerbungsschreiben für zukünftige Rollen als «Scream Queen».
Eine Konstante innerhalb der Filmreihe gibt es dann aber doch: Charaktermime Djimon Hounsou (60), der in Teil zwei eine kleine und etwas undankbare Rolle innehatte, wirkt auch in «A Quiet Place: Tag Eins» mit und bekommt so die Chance, seiner Figur mehr Tiefe zu verleihen. Die Sorge, dass Neulinge bei «Tag Eins» nur Bahnhof verstehen, muss deswegen aber kein «A Quiet Place»–Quereinsteiger haben. Wie für Franchise–Veteranen gilt ab 27. Juni für sie: Zurücklehnen und trotz Spannung möglichst keinen Laut im Kino von sich geben.