Wenn sich in den nächsten rund dreieinhalb Monaten kein kleines Wunder zuträgt, wird Pixars Animationsfilm «Alles steht Kopf 2» als der erfolgreichste Film des Jahres 2024 in die Filmgeschichte eingehen. Mehr noch: Mit seinen fast 1,7 Milliarden US–Dollar an den weltweiten Kinokassen ist es der umsatzstärkste Animationsfilm aller Zeiten und rangiert in der ewigen Einspiel–Bestenliste auf Platz acht. Zwar zollt kommerzieller Erfolg nicht zwangsläufig von hoher Qualität. Im Fall von «Alles steht Kopf 2» irrten die Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer aber definitiv nicht. Wer bislang nicht zu ihnen zählt oder den Streifen noch einmal im heimischen Wohnzimmer sehen will, bekommt ab dem 25. September via Disney+ die Gelegenheit dazu.
Die Gefühlswelt (über–)füllt sich – darum geht es
Wir kehren in den Kopf der nun frischgebackenen Teenagerin Riley zurück, die sich gerade an ihr neues Leben an der High School gewöhnt. Doch ausgerechnet als sie übers Wochenende in ein Eishockey–Camp eingeladen wird, bricht in ihrem Gefühlshauptquartier der «Pubertätsalarm» aus und es finden folgenschwere Umbauten statt, um Platz für neue Emotionen zu schaffen. Freude, Kummer, Wut, Angst und Ekel, die seit langem erfolgreich Rileys Kopf managen, bekommen Gesellschaft von Zweifel, Neid, Peinlich, Nostalgie und Null Bock.
Vor allem der erstgenannte Neuankömmling übernimmt binnen kurzer Zeit zunehmend das Kommando und tritt folglich in direkte Konkurrenz mit Freude. Haben wirklich beide Rileys Wohlergehen im Sinn? Und wie können all die krass gegensätzlichen Emotionen künftig koexistieren, ohne die Teenagerin in den Wahnsinn zu treiben?
Teil eins lieferte die Vorarbeit
Schon im ersten Teil war es beeindruckend, mit wie viel Detailverliebtheit und Raffinesse so komplizierte Sachverhalte wie menschliche Gefühle und die Funktionsweise des Gedächtnisses dargestellt wurden. Wie Erfahrungen ins Langzeitgedächtnis übergehen, wie Erinnerungen verschwinden können, wie Träume entstehen und wieso einem dieser verdammte Werbejingle partout nicht mehr aus dem Kopf gehen will – all das erklärte «Alles steht Kopf» auf bezaubernde und unterhaltsame Weise.
Auch wurde in Person von Riley eine tolle Protagonistin eingeführt, deren innere Zerrissenheit nahe ging und für jeden nachvollziehbar war. Es wäre ein Leichtes gewesen, aus den allegorischen Figuren Kummer und Wut die Antagonisten des Films zu machen. Stattdessen erklärte der Streifen clever, warum es hin und wieder sogar gut sein kann, wenn sie die Führung übernehmen – solange es sich im Rahmen hält.
Die Suche nach der eigenen Persönlichkeit
Die Fortsetzung knüpft an die starke Vorarbeit von Teil eins an und erweitert diese nicht nur anhand der neuen Emotionen. Aus dem Kind ist eine Teenagerin geworden, die sich neben dem angewachsenen Gefühlschaos auch noch mit ihrem frisch erlangten Selbstkonzept auseinandersetzen muss. Und wer kennt es nicht noch von sich selbst, in dieser wegweisenden Phase des Heranwachsens zu stecken? Plötzlich ist es einem extrem wichtig, wie man von der Umwelt wahrgenommen wird. Doch zwischen Selbst– und Idealbild klafft zuweilen eine augenscheinlich unüberbrückbare Lücke. Kein Wunder also, dass anstelle von Freude plötzlich Zweifel am Ruder sitzt und nicht so schnell gedenkt, wieder abzutreten.
Im Kern ist «Alles steht Kopf 2» eine klassische Coming–of–Age–Geschichte: Riley möchte von ihrer Umwelt akzeptiert werden, zugleich aber ihre Rolle im Leben finden. Sie muss sich daher die immens wichtigen Fragen beantworten: «Wer bin ich eigentlich? Wer möchte ich sein? Was bin ich bereit, dafür zu tun – und was nicht?» Im Gegensatz zu herkömmlichen Filmen dieses Genres erhält das Publikum dank «Alles Steht Kopf 2» einen tatsächlichen Einblick in den Konflikt zwischen all den widersprüchlichen Emotionen, die uns während der Pubertät buchstäblich auf den Geist gehen. Das geschieht teilts unterhaltsam und witzig, teils tiefgründig und lehrreich.
Nicht nur für die Jugend lehrreich
Um die Gedankengänge während einer derartigen Identitätskrise von Teenagern glaubhaft darzustellen, wurde neben dem Psychologen Dacher Keltner, der bereits am ersten Teil mitwirkte, nun die klinische Psychologin Lisa Damour zu Rate gezogen. Sie unterstützte die Macher des Films dabei, den emotionalen Wandel, den Menschen während der Pubertät durchleben, kindgerecht und zugleich akkurat darzustellen.
Dieser Blick hinter diese Gefühlskulisse ist – wie schon im Vorgänger – nicht nur für das jugendliche Zielpublikum interessant. «Alles steht Kopf» half neben den Kids wohl auch manch einem Elternteil dabei, sich der Daseinsberechtigung von «negativen» Emotionen wie Kummer bewusst zu werden. Teil zwei könnte derweil dafür sorgen, dass man fortan nachsichtiger darauf reagiert, wenn der eigene pubertierende Teenager wieder besonderen Weltschmerz verspürt – und das jeden in Hörweite wissen lässt.
Ein Prädikat, das wahrlich nicht häufig verliehen werden darf: «Alles steht Kopf 2» hat einen pädagogischen Mehrwert für jeden, der ihn sich ansieht, und ist folglich ein perfekter Familienfilm. Sollte es dennoch nicht gelingen, den störrischen Spross vom gemeinsamen Familienfilmabend zu überzeugen, weiss man nun wenigstens, woran es liegt: Null Bock hat gerade das Sagen, aber keine Sorge: Das ändert sich wieder.
Ab dem 25. September startet «Alles steht Kopf 2» bei Disney+. Wer sich zuvor nochmal den ersten Teil ansehen will, wird dort ebenfalls fündig. Für neue oder zurückkehrende Abonnenten fällt der Streaming–Start von «Alles steht Kopf 2» wortwörtlich in einen günstigen Zeitraum: Noch bis zum 27. September kann die Option «Standard mit Werbung» für 1,99 Euro pro Monat abgeschlossen werden. Nach den ersten drei Monaten sind es dann die standardmässigen 5,99 Euro.