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ABBA-Star hat Geburtstag

Anni-Frid Lyngstad wird 80: Ein Leben voller Licht und Schatten

Anni–Frid Lyngstad feiert an diesem Samstag ihren 80. Geburtstag. Mit ABBA schrieb sie Musikgeschichte, privat hatte die Sängerin jedoch schwere Schicksalsschläge zu bewältigen.

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Björn Ulvaeus, Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Benny Andersson (v.l.) 2024 in Stockholm.
Björn Ulvaeus, Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Benny Andersson (v.l.) 2024 in Stockholm. Imago images/TT / Henrik Montgomery

Es fällt schwer sich Anni–Frid Lyngstad heute in megahohen Plateaustiefeln und hautengen Glitzerklamotten vorzustellen. So wie sie vor 50 Jahren mit ABBA über die grossen Bühnen dieser Welt gefegt ist. Ihre wenigen öffentlichen Auftritte sind heute frei von irgendwelchen Show–Chichi.

Sonnenhelles, weit geschnittenes Outfit, Brille mit leicht getönten Gläsern, die schlohweissen Haare fallen wie sie fallen. Manchmal trägt sie einen Stock, damit geht es sich leichter. Das ist für sie, die mal früher eine begeisterte Skiläuferin und ambitionierte Bergwanderin war, die schon den schroffen Mount Kenya (5.199 m) erklommen hat, keine grosse Sache, sondern eher ein beiläufiger Hinweis auf ihr Alter: Am 15. November wird sie 80.

Mit ABBA zum Welterfolg

Von 1972 bis 1982 eroberte ABBA die Welt. Mit Hits, die heute noch im Radio gespielt werden. Songs wie «Waterloo», «SOS», «I Do, I Do, I Do, I Do, I Do, I Do», «Money, Money, Money» «Fernando», «Knowing Me, Knowing You», «Dancing Queen», «Take a Chance on Me», «Chiquitita», «The Winner Takes It All», «Thank You for the Music» und wie sie alle heissen.

Die Alben der schwedischen Band sind allesamt Bestseller (400 Millionen verkaufte Tonträger), ihre Tourneen brechen alle Rekorde, die Welt ist vernarrt in die Melodien von ABBA. Es sei «weitaus widersprüchlicher, ABBA zu hassen, als sie zu lieben», schreibt der amerikanische Popkultur–Autor Chuck Klosterman.

Tragische Vergangenheit

ABBA, das waren/sind: Agnetha Fältskog (75) und Björn Ulvaeus (80) sowie Benny Andersson (78) und Anni–Frid Lyngstad. Zwei (damals noch) verheiratete Paare, die das weltweite Showbiz rockten. Anni–Frid war die dunklere Schönheit mit der samtigen Stimme, die auch mal in verruchtere Tiefen gehen konnte. Und sie hat – im Gegensatz zu ihren drei Band–Freunden, die aus heilen schwedischen Familien stammen – eine romanhafte Vergangenheit mit etlichen tragischen Abschnitten.

Sie ist eine gebürtige Norwegerin und kam 1945 in der Bergbausiedlung Bjørkåsen im Norden Norwegens zur Welt. Diese Gegend hatten deutsche Truppen während des Zweiten Weltkriegs besetzt. Mit ihnen kam der deutsche Soldat Alfred H. aus Gunzenhausen in Franken, er lernte 1943 die 17–jährige Synni Lyngstad kennen. Sie verliebten sich und wurden ein Paar.

Im Februar 1945 musste Alfred H. zurück nach Deutschland. Wenig später stellte Synni fest, dass sie schwanger war – und glaubte, der Vater sei tot. Sie hatte gehört, dass sein Schiff, das ihn nach Deutschland bringen sollte, torpediert und gesunken sei.

Die Geburt der Tochter Anni–Frid war für die junge Frau kein freudiges Ereignis. Ihr Baby war für die norwegische Bevölkerung, die unter der Besatzung gelitten hatte, nur mehr eines dieser «Tyskerbarna», eines dieser ungeliebten «Deutschenkinder». Anfang 1947 beschloss Synni Lyngstad, Norwegen mit ihrem Kind und ihrer Mutter Arntine zu verlassen. Die kleine Familie zog nach Schweden. Dort holte sich Synni eine schwere Nierenbeckenentzündung, an der sie mit 21 starb. Da war Anni–Frid zwei Jahre alt.

Die verwaiste Tochter wuchs bei ihrer Grossmutter Arntine auf, nach der Schule wurde sie als Schwedin eingebürgert und sie begann eine Schneiderlehre, die sie allerdings abbrach, weil sie lieber als talentierte Sängerin in einer Band jobbte. Dann verliebte sie sich in den Musiker Ragnar Fredriksson und heiratete mit 17. 1963 wurde der Sohn Hans Ragnar geboren, 1967 die Tochter Ann Lise–Lotte, ein Jahr später trennte sich das junge Ehepaar, Scheidung 1970.

Eine schicksalhafte Begegnung

Zu diesem Zeitpunkt hatte Anni–Frid schon eine beachtliche nationale Karriere hingelegt, mit TV–Auftritten und einem Vorentscheid des European Song Contest. Dabei lernte sie backstage den Musiker Benny Andersson kennen, eine schicksalhafte Begegnung. Sie verliebten und verlobten sich. Andersson produzierte ihr erstes Album «Frida».

Die schwedische Zeitung «Dagens Nyheter» schrieb: «Professionelles, souveränes und überzeugendes LP–Debüt ... eine zurückhaltende, aber selbstbewusste Persönlichkeit mit Temperament, Humor und Zärtlichkeit.» Im selben Jahr wurde ihre Single «Min egen stad» die Nr. 1 in der schwedischen Hitparade, die Backing Vocals sangen alle vier späteren ABBA–Mitglieder. Ihre Beziehung zu Benny Andersson und die Freundschaft mit Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus führten schliesslich zur Gründung und der Erfolgsstory von ABBA.

Zehn Jahre hält der Höhenflug der Gefühle, der Musik, der Erfolge. Mit dem Ende der Liebe ist auch ABBA am Ende. Die beiden Paare haben sich auseinandergelebt, Agnetha und Björn lassen sich 1980 scheiden, im selben Jahr trennen sich auch Anni–Frid und Benny, die erst 1978 geheiratet haben. Kurz danach ist auch mit ABBA Schluss.

Während der goldenen ABBA–Ära hat die deutsche Jugendzeitschrift Bravo 1977 Anni–Frids deutschen Vater Alfred H. ausfindig gemacht. Er hatte den Krieg überlebt und wohnte in Karlsruhe, verheiratet, zwei erwachsene Kinder, von denen die Tochter schon auf der Welt war, als ihr Vater in Norwegen ein zweites Mädchen gezeugt hat.

Wiedersehen mit dem Vater

Lyngstad trifft ihren Erzeuger, lässt ihn sogar nach Schweden kommen, doch ein inniges Verhältnis entwickelt sich daraus nicht. Sie nimmt dem Mann nicht ab, dass er nichts von der Schwangerschaft ihrer Mutter gewusst hat. Nach etwa fünf Jahren schläft der Kontakt ein, die Sängerin meint: «Ich ziehe es vor, mit Menschen zusammen zu sein, die dich auch in schweren Zeiten nicht verlassen.» Alfred H. stirbt 2009 mit 89 Jahren.

Nach dem Ende der ABBA–Zeit startet Anni–Frid eine beachtliche Solo–Karriere. Ihr Album «Something's Going On», produziert von Phil Collins, ist ein «überwältigender Erfolg» (Billboard). Es verkauft sich über 1,5 Millionen mal und wird vom «Rolling Stone» in den höchsten Tönen gelobt: «ein prägnantes, rockorientiertes und herrlich vielseitiges Album.»

Auch privat steuert Anni–Frid auf ein grosses Glück zu – auf ihre dritte Ehe: Diesmal scheint sie den Richtigen gefunden zu haben: den fünf Jahre jüngeren schwedischen Landschaftsarchitekten Heinrich Ruzzo Prinz Reuss von Plauen. Er entstammt dem deutschen Fürstenhaus Reuss und ist ein Freund von König Carl XVI. Gustaf. Die Hochzeit ist im Sommer 1992, Anni–Frid wird Prinzessin Reuss, Gräfin von Plauen und freundet sich mit der schwedischen Königin Silvia an.

Familiäre Schicksalsschläge

Doch immer wieder treffen die steinreiche Frau (geschätztes Vermögen: 282 Millionen Euro) harte Schicksalsschläge: 1998 kommt ihre Tochter Ann Lise–Lotte, die in den USA lebt, mit 30 bei einem Autounfall ums Leben. Ein Jahr darauf muss sie ihren dritten Ehemann Heinrich Ruzzo beerdigen, er ist mit 49 an Lymphdrüsenkrebs gestorben. Und 2023 stirbt ihr Enkel Jonathan, der Sohn von Ann Lise–Lotte, mit 34 an Magenkrebs.

Seit der Ehe mit Prinz Reuss lebt sie zurückgezogen in der Schweiz, zunächst bei Fribourg, dann in Zermatt und in Genolier (Kanton Waadt). Die Alpenlandschaft scheint der naturverbundenen Schwedin, der die Umwelt sehr am Herzen liegt, gutzutun. «Ich bin auch in den Bergen geboren», sagt sie in der schwedischen Talkshow «Skavlan». «Es ist, als würde sich der Kreis schliessen. Ich bin zurück in der Natur, in der ich einmal geboren wurde.»

Seit 2007 ist der britische Peer William Henry Smith, 5. Viscount Hambleden, ihr Lebensgefährte. Zur «ABBA Voyage»–Premiere in London ist sie aus der Schweiz angereist. Sie liess sich geduldig fotografieren, auch mit ihrem Ex–Mann Benny Andersson. Auf die Frage, ob sie noch oft an die ABBA–Zeit denke, hat sie geantwortet: «Nein, es gibt Wichtigeres.»

Von SpotOn vor 3 Stunden