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Neues Album «Übers Träumen»

Bosse: Darum ist er seinen Eltern «wirklich sehr dankbar»

Bosse spricht im Interview über sein neues Album «Übers Träumen», gute Liebeslieder, sein gesellschaftliches Engagement und seine Disziplin auf Tour.

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Bosse wird sein zehntes Album «noch schaffen».
Bosse wird sein zehntes Album «noch schaffen». Sarah Storch

Bosse (43) veröffentlicht am 27. Oktober sein neuntes Album mit dem Titel «Übers Träumen». Dieses wird er auf einer Clubtour in diesem November sowie einer Hallentour im April und Mai und Open Airs im kommenden Jahr präsentieren. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät der Sänger, warum er für die Platte mit Sängerin Lea (31) und Autorin Düzen Tekkal (45) zusammengearbeitet hat, welches Verhältnis er zu Träumen hat und mit welchen Gefühlen er derzeit in die Welt blickt. Zudem erzählt der Sänger über seine Dankbarkeit für seine Eltern und seine strikte Disziplin auf Tour.

Das Album heisst «Übers Träumen». Welcher Traum–Typ sind Sie?

Bosse: Seit meiner Kindheit bin ich ein heftiger Tagträumer und das ist nach wie vor einer der Gründe, warum ich gerne Sachen schreibe. Meine Kindheitserinnerungen sind, dass ich an der Busscheibe mit der Wange klebe, rausgucke und Zeit für meine Gedanken habe. Nachdem ich mich für das Album so viel mit dem Thema beschäftigt habe, glaube ich, dass Träumen für die meisten Menschen ein Kraftbringer ist, es ist die Power, die man sich holt, um den Alltag zu meistern.

Können Sie sich gut an Ihre nächtlichen Träume erinnern?

Bosse: Ich bin jetzt keiner, der seine Träume auseinandernimmt und kann mich meistens auch gar nicht mehr gut erinnern. Je älter ich werde, desto besser schlafe ich auch und dieser Halbschlaf bleibt aus, was ich ganz gut finde. Vielleicht bin ich ausgeglichener geworden.

Düzen Tekkal legt ihre Gedanken zum «German Dream» über das Klangbett vom Song «Tagtraum». Wie kam es zu der Idee?

Bosse: Ich kenne die Familie Tekkal schon ziemlich lange und habe öfter schon bei aktivistischen Sachen von ihnen mitgemacht, zum Beispiel vor der russischen Botschaft am Weltfrauentag gespielt. Ich habe für den Song zuerst selber einen Text geschrieben und habe mich dann gefragt: Warum soll ich das machen? Ich bin kein Aktivist und bin in einer viel privilegierteren Lage. Mir ist klar geworden, dass Düzen natürlich mit ihrem Buch für diesen «German Dream» steht und fand es super, wenn es ums Träumen und die Gesellschaft geht, sie einzuladen. Auch um eine weibliche Sicht auf die Sache zu haben, das sollte im Moment das A und O sein, sowohl in Filmen als auch in der Musik und der Kunst.

Und wie kam es zur Zusammenarbeit mit Lea für «Nur noch ein Lied»?

Bosse: Das Thema des Songs, ein interstellares Ende der Welt, gehörte für mich zum Traum–Konzept dazu, gleichzeitig hat mir noch ein gutes Liebeslied gefehlt. Lea und ich kennen uns lange, haben schon einmal bei der 1Live Krone zwei Songs zusammen gesungen. Da haben wir beide gemerkt, dass wir uns sehr gut verstehen und unsere Stimmen gut zusammenpassen. Dann habe ich eigentlich nur darauf gewartet, bis ich sie irgendwann anrufen kann. Lea fand das Konzept übers Träumen super und wir haben zusammen geschrieben. Ich habe viel gelernt und ganz schön was mitgenommen, weil sie einfach so talentiert ist, wie ich das selten erlebt habe, im Studio, aber auch in so einer Zusammenarbeit.

Wie gehen Sie an Liebeslieder heran, wie werden sie nicht zu schnulzig?

Bosse: «Nur noch ein Lied» zeigt es ganz gut. Es ist eigentlich ein Liebeslied mit Streichern, mehr geht nicht (lacht). Da muss man total aufpassen. Aber ich habe Lea immer gefragt, wie sie es findet und ob es nicht zu kitschig ist. Ich glaube der Trick ist, dass wenn man über Gefühle singt, sie auch immer etwas Hartes haben. In dem Falle ist es das kollektive Gefühl der Hilflosigkeit in der jetzigen Zeit, mit Klima, Corona, den Kriegen und vielem mehr. Das drückt der Song neben dem Liebeslied–Aspekt eben auch aus.

Haben Sie dann auch oft Weltende–Gedanken wie im Song?

Bosse: Ich habe eine ganz bunte Mischung aus Gefühlen. Manchmal bin ich super hoffnungsvoll, manchmal finde ich es einfach nur erschreckend, ekelhaft und niederschmetternd. Da finde ich es wichtig, dass man sich kleine Welten und Oasen abgekoppelt von allem schafft, um Kraft zu tanken und dann wieder Nachrichten lesen zu können oder vielleicht auch aktiv zu werden und in der Gesellschaft mitzumachen.

Wie schöpfen Sie Kraft?

Bosse: Ich bin immer schon gerne aufgestanden und habe, verglichen mit Freunden und Familienmitgliedern, einen hohen Energiehaushalt. Ansonsten bin ich natürlich in der privilegierten Lage, einfach einen Job zu haben, der meine berufliche Liebe ist. Ich schöpfe super viel Kraft aus Konzerten und aus den Leuten, die auf meinen Konzerten sind. Das macht alles so Bock. Wenn ich Konzerte spiele, bin ich zweieinhalb Stunden weg vom Fenster und mittendrin in meiner kleinen Welt.

Wie erleben Sie derzeit die Protestkultur?

Bosse: Ich habe kürzlich bei Fridays for Future vorm Brandenburger Tor gespielt und fand es einfach Wahnsinn, wie viele Menschen wieder da waren. Das sind für mich wichtige Auftritte. Ich finde, dass die Themen nach wie vor verschleppt, nicht richtig angegangen und teilweise mit Füssen getreten werden. Dort sieht man die Generation, die auf jeden Fall noch schlechter dran ist, als wir das jetzt schon sind. Das macht traurig, aber auch hoffnungsvoll, weil sie sich eben engagiert. Deshalb unterstütze ich das. Auch habe ich das Gefühl, wenn ich Sachen poste und streue, hat das schon Wumms und ich erreiche Menschen über verschiedene Generationen hinweg. So sehe ich meine Rolle. Auf der einen Seite bin ich Musiker, auf der anderen sehe ich das seit ein paar Jahren einfach als meine Pflicht, laut zu werden, weil ich eine Fan–Basis mit einem Publikum von fünf bis 75–Jährigen habe.

Sie sehen sich selbst aber nicht als Aktivist.

Bosse: Aktivistinnen und Aktivisten führen noch mal ein komplett anderes Leben als ich es führe. Ich bin in erster Linie Musiker und kann dazu noch Sachen unterstützen oder anschieben, die gesellschaftlich relevant sind. Das ist aber kein Aktivismus.

Was sagen Sie zu extremen Aktionen und zu der Meinung, dass Protest stören und auffallen muss?

Bosse: Ich habe eine Meinung und irgendwie auch nicht. Einerseits zeigt die Zeit, dass manchmal übers Ziel hinausgeschossen werden muss, damit es im Gespräch bleibt. Andererseits muss man immer auch eine Waage finden, dass man nicht total viele Leute verliert, die so Aktionen blöd finden und damit verwechseln, dass das Klima dann doch kein Thema mehr ist. Protest darf sich nicht selbst im Wege stehen.

Ein weiterer Song heisst «Loslassen lernen». Fällt es Ihnen schwer, loszulassen?

Bosse: Ich habe immer noch viele Situationen, wo ich einfach loslassen muss, egal ob im ganz Kleinen oder eben im ganz Grossen. In dem Song geht es darum, dass ich schon glaube aus eigener Erfahrung zu wissen, dass man sich den Dingen seiner Kindheit und all dem stellen muss, damit man einigermassen befreit weiterlaufen kann. Es geht um Frieden im Kopf und Frieden für sich selber. Diesem grossen Bild, dass man sich durch den Staub schippt und durch den Schnee von gestern, um an die Wurzel des Problems zu kommen. Eigentlich sollte es für alle Bürgerinnen und Bürger eine verschriebene Anzahl an psychologischen Betreuungen geben, wo man das for free mal angehen kann. Sprechen hilft eben total.

Ich merke jetzt gerade, je älter ich werde, dass bei den meisten zwischen 30 und 45 noch mal Probleme auftauchen und ich sehe in meinem Freundeskreis, wie heftig das jetzt gerade passiert. Vielleicht ist es auch wieder die Zeit, in der man sich mit tieferen Sachen und vor allem auch mit sich selber beschäftigt. Ich bin in der schönen Lage, dass zum Beispiel meine Kindheit einfach so toll war und ich meinen Eltern wirklich sehr dankbar bin für diese wirkliche Liebe und für diese Problemlosigkeit. Da habe ich zum Glück nichts aufzuarbeiten.

Mit Club–Tour im November, Hallentour 2024 und Sommer–Tour mit Open Airs haben Sie sich einiges vorgenommen...

Bosse: Ich mache das jetzt schon so viele Jahre und ich weiss gar nicht, wie viel Konzerte ich in diesen ganzen Jahren gespielt habe. Aber ich freue mich immer wieder, wenn ich weiss, das Album ist jetzt fertig und ich stehe bald wieder auf der Bühne. Ich schreibe gerne, aber ich tanze auch gerne mit meinen Jungs und Mädels auf der Bühne und mit den Leuten im Publikum. Die Club–Tour ist toll, ich mag diese Läden. Es ist November, Dezember, drinnen ist es so heiss, dass alle völlig am Ende sind und ich muss sagen: Bitte zieht euch alle einen Schal an, sonst seid ihr alle erkältet. Das liebe ich (lacht). Aber auch die Tour in grossen Hallen mit diesem grossen Gemeinschaftsgefühl mag ich mittlerweile. Und dann kommt der Sommer, der ist sowieso immer schön.

Hat sich Ihr Touralltag verändert?

Bosse: Der hat sich schon verändert, seit die Karte mehr kostet als 4,90 € (lacht). Es ist nicht mehr so wie früher, dass man im Sprinter sitzt, drei Bierchen trinkt, auf die Bühne geht und dann fährt man wieder weiter. Es gibt ganz viele Leute, die kaufen sich eine Karte ein halbes Jahr vorher und freuen sich ein halbes Jahr auf dieses Konzert. Wenn ich dann im tiefsten Winter Konzert Nr. 17 spiele in irgendeinem Club, wo es echt schwierig ist, gesund zu bleiben, bin ich mittlerweile wirklich brav. Ich trinke kein Alkohol, ich rauche nicht, ich mache morgens Sport und abends auf der Bühne. Ich schlafe gut, ich gehe früh ins Bett. Das ist die eigene Erwartungshaltung, aber es ist auch fair, dass wenn Leute Geld dafür bezahlen, dass ich jeden Abend so fit bin wie an Abend Nummer eins.

Denken Sie jetzt schon an Ihr zehntes Album?

Bosse: Ich sitze gerade im Zimmer, wo ich immer schreibe und daneben steht ein Klavier. Ich höre einfach gar nicht auf. Ich stehe morgens auf und spiele erst mal ein bisschen und gucke mal, was so kommt. Und es kommt auf jeden Fall was. Das zehnte Album werde ich noch schaffen (lacht).

Von SpotOn am 27. Oktober 2023 - 22:34 Uhr