In der 83. Minute erreichte Niklas Füllkrug (29) mit nur einer Aktion fast schon Legendenstatus: Im zweiten Vorrunden-Spiel gegen den Mitfavoriten Spanien stibitzte sich der deutsche Nationalspieler den Ball vom Fuss seines Kollegen Jamal Musiala (19) und wuchtete das Spielgerät humorlos zum 1:1-Ausgleich ins linke obere Eck. Damit belohnte er nicht nur sich für einen couragierten Auftritt nach seiner Einwechslung in der 70. Minute, sondern auch die gesamte Mannschaft für ein starkes Match gegen emsige Spanier. Ganz nebenbei küsste er die Fussballnation Deutschland nach der ernüchternden Auftaktpleite gegen Japan aus dem Dornröschenschlaf .
«The Times» über Niclas Füllkrug: «Der Zahnlücken-Killer»
Doch nur eingefleischte Fans konnten vor der WM beziehungsweise vor dem gestrigen Spiel überhaupt etwas mit dem Namen Niclas Füllkrug anfangen. Woher kommt Niclas Füllkrug? Warum war er noch nie auf der grossen Bühne? Wie tickt er privat? Was macht ihn so besonders authentisch und sympathisch? «Der Zahnlücken-Killer», wie ihn die britische «The Times» aufgrund seines markanten Gebisses taufte, musste vor wenigen Wochen noch um einen neuen Vertrag bangen und verzichtete am Ende auf viel Gehalt. Jetzt wird er als Erlöser des deutschen Fussballs gefeiert. Doch der Reihen nach:
Niclas Füllkrug wurde am 9. Februar 1993 in Hannover geboren. Der heute 189 Zentimeter grosse Stürmer spielte bis zu seinem 14. Lebensjahr in den dortigen Stadtteil-Vereinen TuS Ricklingen und später bei den Sportfreunden Ricklingen. 2006 folgte dann der Ruf nach Bremen, wo er weiter an seiner Profikarriere arbeitete. 2012 kam «Fülle», so einer seiner Spitznamen, zum ersten Mal in der Bundesliga für Werder zum Einsatz. Doch steil nach oben ging die Karriere für Füllkrug nicht.
Nach Stationen in Hannover, Nürnberg und Fürth führte der Weg erst 2019 zurück nach Bremen. Dort musste er 2021 sogar den Abstieg in die zweite Bundesliga hinnehmen. Dafür platzte aber endgültig der Knoten für den wuchtigen Stürmer: Mit 19 Treffern war er massgeblich am Wiederaufstieg beteiligt und in der neuen Saison steht «Lücke», so ein anderer Spitzname, mit zehn Treffern auf Rang zwei der aktuellen Torschützenliste. Sowohl im September als auch Oktober 2022 wurde er zum Spieler des Monats in der Bundesliga gewählt.
Aufgrund des kometenhaften Aufstiegs nominierte Bundestrainer Hansi Flick (57) den kantigen Stürmer für den WM-Kader 2022. Und das, obwohl er noch nie zuvor ein A-Länderspiel absolvierte. Noch im August geriet Füllkrug ausserdem in die Schlagzeilen, da Werder Bremen seinen Vertrag nur mit einem deutlichen Gehaltsverzicht verlängern wollte. Im ZDF-«Sportstudio» erklärte «Lücke», dass das für ihn aber in Ordnung wäre. Ihm gehe es nicht nur um das Geld, ansonsten wäre er schon längst nicht mehr in Deutschland. Er könne auch so immer noch «gut leben». Von einer WM-Nominierung schien Füllkrug damals so weit entfernt wie Lothar Matthäus (61) von einem Comeback als DFB-Libero. Doch es entwickelte sich bekanntlich anders...
Das ist seine Familie
Niclas Füllkrug ist seit 2015 mit seiner Ehefrau Lisa verheiratet, die er bereits aus Grundschulzeiten in Hannover kennt. Ein Foto von der Hochzeit postete der Spieler damals auf seinem Instagram-Account. Einige Wochen zuvor teilte er dort auch einige Schnappschüsse von der gemeinsamen Verlobungsfeier auf den Seychellen. Im Januar 2019 gab Füllkrug dann die Schwangerschaft seiner Frau bekannt, in deren Verlauf er mehrere Bilder von seiner Frau mit Babybauch teilte. In einem Interview mit seinem Verein bestätigte er die Geburt einer Tochter.
Schlaflose Nächte gab es dabei für den Profifussballer offenbar nur wenige: «Unsere Kleine meckert nachts nur so laut, dass es die Mama hört. Und stillen kann ich ja auch nicht», sagte er auf einer Pressekonferenz seines Vereins Werder Bremen. Er wisse aber, dass auch andere Zeiten kommen würden, und dann sei er gerne bereit, für sie aufzustehen und für sie da zu sein. «Unsere Kleine beflügelt mich. Ich bekomme so viel positive Energie von ihr, die ich auf dem Platz nutzen kann.»
Bei der WM erhält Niclas Füllkrug auch die Unterstützung von seiner Frau Lisa, die vor Ort in Katar ist. Beim gestrigen Spiel gegen Spanien jubelte sie ihm von der Tribüne des Al-Bayt Stadium in Al-Khor zu. Natürlich standesgemäss im Trikot ihres Mannes mit der Nummer 9.
Das Fussballspielen liegt ihm im Übrigen im Blut. So spielte bereits sein Grossvater Gerd für den SV Arminia Hannover in der zweiten Liga. Seine Schwester Anna-Lena ist ebenfalls Stürmerin und schiesst regelmässig für die Frauenmannschaft des Traditionsvereins Hannover 96 Tore.