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Psychologin gibt Tipps

Familienstreit an Weihnachten: So bewahrt man den Haussegen

Von wegen Fest der Liebe: Nicht in allen Familien ist Weihnachten eine besinnliche Zeit. Nach den Feiertagen hängt der Haussegen häufig schief. Eine Psychologin erklärt, wie man Konflikte vermeidet und Erwartungen runterschraubt.

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In vielen Familien entstehen an Weihnachten Konfliktsituationen.
In vielen Familien entstehen an Weihnachten Konfliktsituationen. BearFotos/Shutterstock.com

Weihnachten gilt als Fest der Liebe, eine «besinnliche» Zeit - in vielen Familien hängt nach den Feiertagen aber der Haussegen schief. Besonders, wenn dieses Jahr nach zwei Pandemie-Jahren erstmals Grossfamilien wieder zusammenkommen, dürfte Streit vorprogrammiert sein. Dr. Hanne Horvath, Psychologin und Mitgründerin der Online-Therapie-Plattform HelloBetter, erklärt im Interview, wie man Konflikte am besten vermeidet, wie man mit Generationenunterschieden umgehen sollte und wieso Eltern sich in der Weihnachtszeit nicht unter Druck setzen sollten.

Viele Familien kommen dieses Jahr erstmals nach zwei Pandemie-Jahren wieder zum Fest zusammen. Wie kann der Haussegen bewahrt werden? Kann man sich darauf irgendwie vorbereiten?

Dr. Hanne Horvath: Weihnachten gilt gemeinhin als das Fest der Liebe - was könnte es also Schöneres geben, als das Jahr im Kreise seiner Nächsten ausklingen zu lassen und das Weihnachtsfest gemeinsam mit seiner Familie zu verbringen? Klar, das klingt gut, aber es klingt vor allem nach grossen Erwartungen. Wenn unsere Erwartungen jedoch sehr hoch sind, ist Stress meistens vorprogrammiert. Wir wollen dafür sorgen, dass auch wirklich alles nach Plan läuft und setzen uns dadurch unter Druck. Für entspannte und vor allem friedliche Weihnachtstage hilft es deshalb, rechtzeitig die Erwartungen abzuklären. Das gilt für uns selbst genauso wie für die Bedürfnisse der anderen. Indem wir uns und unsere Familienmitglieder fragen, was uns für ein gelungenes Weihnachtsfest wichtig ist und was wir auf keinen Fall wollen, nehmen wir Druck in Sachen Geschenke, Essen oder heikle Kommunikationsthemen raus. Transparenz in Bezug auf die Erwartungshaltung sowie die gemeinsame Planung der Weihnachtstage reduziert den Stress im Vorfeld und hilft dabei, die Vorfreude auf Weihnachten und den Haussegen während der Feiertage zu erhalten.

Während der Weihnachtstage empfehle ich ausserdem, auf ein zu straffes Programm zu verzichten und ausreichend Pausen und Rückzugsmöglichkeiten einzuplanen - vor allem für die Erwachsenen. Kinder wiederum brauchen Möglichkeiten zum Toben, auch an der frischen Luft. Und so gut die Planung auch sein mag: Wenn wir uns darauf einstellen, dass die Dinge anders laufen können, als erwartet, liegen wir nicht verkehrt. Perfekte Weihnachtstage wie im Bilderbuch und anhaltende Harmonie unter den Familienmitgliedern ist in den meisten Fällen reine Illusion. Wer vorab seine Erwartungshaltung kommuniziert, offen für die Bedürfnisse der anderen Familienmitglieder ist und genug Raum für Flexibilität in der Planung der Feiertage lässt, nimmt Druck aus der Sache und wird weniger enttäuscht.

Wieso kommt es an den Feiertagen überhaupt so oft zu Streit zwischen Familienmitgliedern?

Horvath: Das Verständnis für die Bedürfnisse der anderen kommt an Weihnachten oft zu kurz. Viele Menschen agieren dann ausschliesslich vom eigenen Standpunkt aus, in der Soziologie spricht man dann von der normativen Erwartungshaltung. Wenn jedoch jedes Familienmitglied eine normative Erwartungshaltung vertritt, ist selten ein harmonisches Miteinander möglich. Deswegen sollten wir mit unseren Familienangehörigen gemeinsam überlegen: Wie sieht eine gelungene Weihnachtsfeier für uns aus? Was ist uns wichtig? Genauso wie: Was möchten wir auf gar keinen Fall essen, besprechen, schenken? Offen für die Wünsche und Bedürfnisse unserer Familienmitglieder zu sein, kann enorm dabei helfen, Streit zu vermeiden.
Da wir während der Feiertage den gewohnten Alltag und Tagesablauf verlassen, kann es zu persönlichen Einschränkungen kommen, was bei einigen Stress verursacht, der wiederum zu Streit führen kann. Ausreichend Pausen und Rückzugsmöglichkeiten unterstützen daher den Freiraum der einzelnen Familienangehörigen und vermeiden Stress- und Streitsituationen im Vorfeld.

Wenn mehrere Generationen aufeinandertreffen, kommt es oft zu Meinungsverschiedenheiten. Wie geht man damit am besten um? Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, bestimmte Reizthemen, wie Politik oder das Klima, zu vermeiden?

Horvath: Das Zusammentreffen der Familie bedeutet häufig auch ein Zusammentreffen unterschiedlicher Erfahrungen, Meinungen und Wertvorstellungen, schliesslich kommen zum Weihnachtsfest in der Regel verschiedene Generationen zusammen. Meinungsverschiedenheiten sind da ein Stück weit vorprogrammiert und ganz natürlich. Wir können uns vorab darauf einstellen, dass sie auftreten und uns schon im Voraus eine mögliche Reaktion überlegen. Mit der Frage: Wie verhalte ich mich, wenn zum Beispiel das Thema Klimawandel aufkommt, kann ich die Situation im Kopf durchspielen und einen guten Umgang mit möglichen Konflikten finden. Der Versuch, Streitigkeiten, insbesondere zu Weihnachten, unter allen Umständen zu vermeiden, scheitert häufig. Dieses vorsichtige, vermeidende Verhalten erzeugt bereits im Vorfeld Spannungen, Druck und endet oft genau im Gegenteil.

Wie geht man auf Familienmitglieder zu, mit denen vielleicht schon im Vorfeld Streit herrscht?

Horvath: Wer sich in einer Situation befindet, in der es einen Streit mit anderen Familienmitgliedern gibt, für den oder die kann das gemeinsame Weihnachtsfest das Letzte sein, was man tun möchte. Aber mit dem richtigen Ansatz lässt sich die Situation für alle Beteiligten angenehmer gestalten und vielleicht sogar der Weg für eine Verbesserung der Beziehung in der Zukunft ebnen. Wenn es möglich ist, können wir zunächst mit dem anderen Familienmitglied Kontakt aufnehmen, um zu besprechen, wie das Treffen am besten zu handhaben ist. Dies gibt beiden Parteien die Möglichkeit, sich emotional und mental auf die Begegnung vorzubereiten. Auf diese Weise können Erwartungen geklärt und Grenzen gesetzt werden, damit das Zusammentreffen nicht eskaliert.

Indem wir vorab Selbstfürsorge betreiben, können wir den Stress- und Angstpegel reduzieren und erhöhen unsere Fähigkeit, in schwierigen Situationen gelassen zu reagieren.

Wir sollten aber auch erkennen, wann genug ist, und wenn nötig, die gemeinsame Zeit mit Familienmitgliedern begrenzen, mit denen wir im Konflikt stehen. Kommt es beim Treffen zu Spannungen, können wir uns aus der Situation entfernen und etwas anderes unternehmen, um eine Eskalation zu vermeiden.

Besonders für Eltern kann Weihnachten zum Stress werden, wenn sie ihren Kindern ein schönes Fest zaubern wollen. Wie geht man damit um?

Horvath: Viele Eltern setzen sich enorm unter Druck, damit das Weihnachtsfest für ihre Kinder unvergesslich wird, indem sie ihnen zum Beispiel etwas ganz Besonderes schenken wollen. Perfekte Geschenke und ein aufwendig durchgeplantes Fest sind jedoch nicht notwendig, um Kinder glücklich zu machen. Sie freuen sich am meisten, wenn alle zusammen sind und sie friedliche, schöne und lustige Momente mit der Familie erleben, gemeinsam etwas unternehmen und Erinnerungen schaffen, die lange anhalten. Weihnachten ist eine gute Zeit, um persönliche Traditionen zu etablieren, auf die sich Kinder dann jedes Jahr freuen können, zum Beispiel Plätzchen backen, Basteln von Weihnachtsdekoration und das gemeinsame Schmücken der Wohnung.

Von spot on news AG am 14. Dezember 2022 - 15:20 Uhr