Erklingt der Name George Lucas (80), so denkt wohl ein jeder sofort an zwei Worte, die Filmgeschichte geschrieben haben: «Star Wars». Ertönt wiederum der Name «Star Wars», erscheint umgehend ein gigantisches Film–, Serien– und Merchandise–Imperium vor dem inneren Auge – mit Lucas als dessen omnipotenten Imperator im karierten Hemd. Selbst die Tatsache, dass er 2012 Lucasfilm und damit sämtliche «Star Wars»–Filmrechte an Disney abtrat, scheinen an dieser Wahrnehmung nichts geändert zu haben. Dabei hatte Lucas, der am 14. Mai seinen 80. Geburtstag feiert, schon bei der Original–Trilogie umfangreiche Unterstützung – und erntete mitunter die grösste Kritik, als er «Star Wars» Jahre später im vermeintlichen Alleingang zurück ins Kino brachte.
Die Eingebung eines Möchtegern–Rennfahrers
Wäre es am 12. Juni 1962 nicht zu einem schicksalhaften wie ungemein traumatischen Erlebnis im Leben von George Lucas gekommen, wer weiss... vielleicht wäre der Krieg der Sterne nie ausgebrochen. Der damals 18–Jährige träumte von einer Karriere als Rennfahrer, schraubte leidenschaftlich gerne selbst an Autos. An besagtem Tag änderte sich schlagartig Lucas' Zukunftsplan: Bei einem riskanten Überholmanöver eines Klassenkameraden prallte dessen Auto mit dem von Lucas zusammen.
Bei dem heftigen Unfall wurde Lucas aus seinem Wagen geschleudert, er erlitt mehrere Knochenbrüche, lag sogar kurzzeitig im Koma – und gelangte schliesslich zu einer Erkenntnis: «Man kann sich eine Zukunft im Rennsport ziemlich genau ausmalen und weiss, dass es einen letztendlich das Leben kosten wird. Irgendwie wurde mir klar, dass das vielleicht doch nicht das Richtige für mich ist.» Bei der Suche nach seiner wahren Bestimmung musste er jedoch nicht lange in sich kehren.
Filmfan mit Liebe zu den Sternen
Rund drei Jahre nach dem Unfall hatte Lucas seine Berufung gefunden. Mit «Look at Life» erschien 1965 sein erster Studenten–Kurzfilm, seinen Professoren fiel früh Lucas' visuell ambitionierter Einfallsreichtum auf. Eine seiner weiteren grossen Leidenschaften sollte der Filmemacher schliesslich bei seinem ersten Spielfilm ausleben dürfen: «THX 1138» mit Robert Duvall (93) in der Hauptrolle.
Lucas hatte neben Englisch und Geschichte auch Astronomie studiert und träumte als riesiger Science–Fiction–Fan quasi sein gesamtes Leben von den Sternen. Folgerichtig war auch sein 1971 erschienenes Regie–Debüt ein (dystopischer) Sci–Fi–Streifen, der sich mit der philosophischen Frage nach dem freien Willen beschäftigte.
Seine überschaubare Regiearbeit
Was vielen Filmfans womöglich gar nicht bewusst ist: So umtriebig George Lucas in der Traumfabrik auch war und immer noch ist, als Regisseur trug er sich kaum in Hollywoods Geschichtsbücher ein. Insgesamt führte er nur in sechs Filmen Regie und nur in zweien davon ausserhalb des «Star Wars»–Universums. Neben «THX 1138» – nach dem übrigens die von Lucas ins Leben gerufenen Gütesiegel für Soundstandards in Kinos benannt wurde – ist das noch «American Graffiti». In vielerlei Hinsicht stellt der 1973 erschienene Film einen Meilenstein im Schaffen des «Star Wars»–Erfinders dar.
Zum einen handelt es sich bei dem Coming–of–Age–Streifen um seinen einzigen Film, der nicht im Sci–Fi–Genre zu verorten ist. Zum anderen verarbeitete er darin seinen Autounfall zehn Jahre zuvor: Auch in «American Graffiti» landet ein leichtsinniger Halbstarker mit seinem Auto im Graben und hat Glück, mit dem Leben davon zu kommen. Während die Szene mit Lucas' Vergangenheit abschloss, sollte der Schauspieler, der besagten Kino–Unfall baute, massgeblich seine Zukunft prägen. Denn der damals immerhin schon über 30 Jahre alte Newcomer war ein gewisser Harrison Ford (81).
Der Unterschied zwischen Kunst und Geschäft
Die Bedeutung von «American Graffiti» für Lucas' weiteren Weg kann gar nicht genug betont werden. Denn schon damals wusste er: «Filme machen ist eine Kunst; Filme verkaufen ist ein Geschäft.» So beeindruckend wie seine visuellen Visionen war das Gespür als Geschäftsmann: Lucas hatte sich eine Beteiligung an den Netto–Einnahmen von «American Graffiti» gesichert und wurde mit nicht einmal 30 Jahren zum Multimillionär.
Seine Produktionsfirma Lucasfilm hatte er schon 1971 gegründet, durch den «American Graffiti»–Coup wuchs deren Wert rapide an. All das liess schliesslich im Hause 20th Century Studios die Überzeugung reifen, dass Lucas eine Idee umsetzen könne, die auf dem Papier schier unverfilmbar klang: eine Mischung aus Märchen und Science–Fiction, die mit noch nie dagewesenem Tricktechnik–Aufwand eine epochale Schlacht zwischen Gut und Böse zeigt.
Vom Geheimtipp zum Mega–Blockbuster
Der weltweite Erfolgszug des ersten «Star Wars»–Teils, der 1977 in die US–Kinos und 1978 als «Krieg der Sterne» nach Westdeutschland kam, war enorm. Mit rund 275 Millionen Dollar an den Kinokassen mauserte sich der Auftakt der Trilogie zum damals erfolgreichsten Film der Kinogeschichte und läutete mit dem zwei Jahre zuvor erschienenen «Der weisse Hai» die Blockbuster–Ära ein. Und weil sich der findige Geschäftsmann Lucas zuvor auch noch umfangreiche Merchandise–Rechte an «Star Wars» gesichert hatte, wuchs sein Vermögen in andere Sphären.
Doch der Erfolg hatte seinen Preis: Die Personalunion aus alleinigem Drehbuchautor und Regisseur von «Krieg der Sterne» führte Lucas an den Rand des Kollapses. Bei der 1980 erschienenen Fortsetzung «Das Imperium schlägt zurück», die von vielen Fans als nach wie vor bester Teil der gesamten Saga angesehen wird, überliess er auch deshalb anderen die Bühne: Regie führte Irvin Kershner (1923–2010), das Drehbuch stammte von Lawrence Kasdan (75) und Leigh Brackett (1915–1978). Für ihn war es das erste seiner Karriere, für sie das letzte.
Auch den 1983 erschienenen Abschluss seiner «Star Wars»–Trilogie gab Lucas weitestgehend in andere Hände; auf dem Regiestuhl nahm Richard Marquand (1937–1987) Platz, Kasdan verfasste zusammen mit Lucas das Drehbuch und führte den Sternenkrieg zu seinem zwischenzeitlichen Abschluss.
Ein einzelner Koch verdirbt den Brei?
Der Erfolg und der popkulturelle Einfluss der originalen «Star Wars»–Trilogie ist hinlänglich bekannt. Wohl beinahe jedes Kind, dem man ein Bild eines vorlauten, goldenen Protokolldroiden hinhält, könnte dessen Seriennummer aufsagen. Und jeder Erwachsene freute sich wie ein kleines Kind als bekannt wurde, dass Lucas Ende der 90er Jahre eine neue «Star Wars»–Trilogie veröffentlichen will.
Kaum zu glauben, aber: Die Prequel–Trilogie «Episode I: Die dunkle Bedrohung» (1999), «Episode II – Angriff der Klonkrieger» (2002) und «Episode III – Die Rache der Sith» (2005) stellte nach «Krieg der Sterne» die erste und bis dato die letzte Regiearbeit von Lucas dar. Mit Ausnahme von Teil zwei, bei dem Jonathan Hales (86) beim Drehbuch mitschrieb, hatte Lucas die kreative Alleinherrschaft übernommen.
Doch die anfängliche Euphorie sollte bei vielen «Star Wars»–Anhängern in weniger als 12 Parsec verfliegen. «Episode I» stellte sich in ihren Augen als höchst infantil heraus, die Macht wurde ebenso wie Anakin «Darth Vader» Skywalker entmystifiziert und überhaupt setzte Lucas viel zu sehr auf Computertechnik. Aus Oscarnominierungen für «Beste Regie» und «Bestes Originaldrehbuch» für «Krieg der Sterne» wurde der Gewinn des Anti–Preises Goldene Himbeere für das Skript zu «Episode II». Kurzum: Der Erfolg gab Lucas weiterhin Recht. Die Fans taten es nur noch zur Hälfte.
Inwiefern dieser ungewohnte Gegenwind der Entscheidung beitrug, Lucasfilm 2012 für vier Milliarden US–Dollar an Disney abzutreten, ist nicht verbrieft. Lucas selbst hatte es mit seinem Alter begründet: «2012 wurde ich 69 Jahre alt. Die Frage war, ob ich das noch den Rest meines Lebens machen will. Möchte ich das alles noch einmal durchleben? Letztendlich entschied ich mich dafür, lieber meine Tochter grosszuziehen und das Leben für eine Weile zu geniessen.»
Der Peitschenmann mit Hundenamen
In der Tat hat Lucas genau das seit 2012 getan – das Leben weitestgehend abseits der Traumfabrik genossen. Als ausführender Produzent trat er zuletzt jedoch 2023 bei «Indiana Jones und das Rad des Schicksals» in Erscheinung. Was mitunter bei all dem «Star Wars»–Tamtam unterzugehen droht: Lucas hatte die Ursprungsidee vom peitschenschwingenden Kult–Archäologen und schrieb an allen Drehbüchern zu den ersten vier «Indiana Jones»–Filmen mit, die wiederum Steven Spielberg (77) auf Film bannte. Sogar die Anekdote über den Vornamen des von Harrison Ford verkörperten Helden entstammte aus Lucas nun schon 80 Jahren währendem Leben – er hatte einen Hund namens Indiana.
Apropos: Am 14. Mai hat Lucas nicht nur Geburtstag. Es startet auch die 77. Ausgabe der Filmfestspiele von Cannes, bei der ihm besondere Aufmerksamkeit zuteilwird. Lucas wird neben Hollywood–Superstar Meryl Streep (74) mit einem Ehrenpreis für das Lebenswerk ausgezeichnet. Zumindest dafür wird sich der als schüchtern geltende Filmemacher noch einmal zurück ins Rampenlicht begeben müssen.