Die deutsche Indie-Pop-Band Bruckner, das sind die Brüder Jakob und Matti Bruckner, veröffentlicht nach ihrem Debütalbum «Hier» nun ihr zweites Album «Zerrissen». «Wir haben dieses Mal all unsere musikalischen Vorlieben und Gelüste ausgelebt, es ist ein bunter Genre-Mix geworden», sagt Jakob Bruckner im Interview mit spot on news über die neue Platte. Ihr Debüt hätten sie noch vor Corona aufgenommen, «Zerrissen» habe sie nun «durch die ganze Krise und jegliche emotionale Stadien begleitet, die man durchgemacht hat».
Zweifel in der Corona-Pandemie
Der Titel des Albums stehe auch für diese Zeit. «Zerrissenheit ist bei uns eigentlich Dauerzustand», erklärt Jakob weiter. «Aber während Corona war es krass zu spüren, dass wir nicht so richtig wussten, wie es weitergeht mit der Musik, weil wir nicht live spielen konnten. Es hat sich für uns nach Endstation angefühlt. Wir waren hin- und hergerissen zwischen: Können wir es weitermachen oder müssen wir uns was Neues suchen?» Es habe sich weniger um die Musik gedreht, «sondern man hatte den Eindruck, dass man jetzt Influencer werden muss, dass man mit dem, warum man eigentlich angetreten ist, gar nicht mehr so viel zu tun hat». Beide hätten sich Nebenjobs besorgt, «was uns geholfen hat, nicht verrückt zu werden und einen normalen Beruf auszuüben, den man einfach abarbeitet». Dann habe sich noch alles zum musikalisch Guten gewendet. «Wir hatten gute Songs und haben es immer noch gespürt. Irgendwann kamen dann auch wieder die ersten Konzerte und das war der break free für uns.»
Mit Träumen oder Zielen in ihrer Musikkarriere seien sie durch Corona nicht vorsichtiger geworden. «Das macht für mich auch gar keinen Sinn», sagt Jakob. «Träume sind ja das Schönste. Sie sind eher mehr geworden. Und viele haben sich auch schon erfüllt, wie der Festivalsommer im letzten Jahr.» Einen kurzfristigen Traum wollen sie sich auf der anstehenden Tour erfüllen: «Wir spielen am 21. April zum ersten Mal in der Muffathalle in München und die wollen wir gerne ausverkaufen», sagt Jakob. «Das war schon immer auf dem Zettel, ich habe früher dort selber viele Konzerte gesehen.»
Zweites Album als Suche nach dem Kern
Das zweite Album sei für sie wie für viele Musiker eine Challenge gewesen, «denn man muss nachlegen und mit dem ersten gleichziehen oder es am besten noch toppen», erzählt Jakob über die neueste Platte. «Es war auf jeden Fall ein schwieriges Album für uns und wir sind froh, dass es jetzt endlich rauskommt.» Die Platte bietet eine breite Vielfalt an Sound. Dass sie nicht in eine Schublade gesteckt werden könnten, sei nicht nur von Vorteil, sagt Jakob. «Ich habe schon den Eindruck, dass sich die Hörerschaft immer schwertut, wenn sie die Musik nicht in einen Karton packen kann. Aber ich glaube, das Album war für uns eine grosse Suche und eine Reise. Wir wussten noch gar nicht so richtig, wo unser Kern ist. Und vielleicht ist es dann auch schön für die Leute, die Entwicklung mitzuerleben. Wir sind dahingehend sehr transparent. Das nächste Album darf dann aber einheitlicher sein.» Die Suche spiegle die Album-Thematik Zerrissenheit ebenfalls wider, fügt Matti an. «Dass man sich nicht so richtig entscheiden kann, was man machen will. Und dann macht man einfach in alle Richtungen das, was sich gut anfühlt in dem Moment.»
Die Vielseitigkeit der Band werden die Fans auf der Tour erleben, die Bruckner im April durch die Schweiz, Österreich und ab 18. April durch Deutschland führt. «Das haben die Leute bei unseren Konzerten schon immer geschätzt, dass es nie langweilig wird. Das ist jetzt mit dem Album noch mal auf die Spitze getrieben, da kommt jeder live auf seine Kosten», sagt Jakob. «Wir hatten noch nie so viel Licht dabei und haben uns beim Bühnenbild ein bisschen ausgetobt», fügt Matti an. «So schön war es glaube ich noch nie (lacht).» Eine enge Beziehung zu ihren Fans ist dem Duo wichtig. «Letztes Jahr hatten wir rund 50 Shows und es ist richtig schön, dass man jetzt Menschen kennt, die man immer wieder sieht. Man steht auf der Bühne und fühlt sich gleich wie zu Hause», sagt Jakob. Die beiden wertschätzten es nach Corona noch viel mehr, «dass die Leute immer wieder kommen und dass wir mit unserer Musik so viel bei ihnen bewegen, dass sie diese Reisen auf sich nehmen, sich die Platte bestellen oder sich Shirts kaufen», ergänzt Matti.
Eine WG als Konzept der Zukunft
Grosse Unterstützer in ihrer Musikkarriere seien ihre Eltern, erklärt das Geschwisterduo, das 2017 seine erste EP veröffentlichte. «Bestes Beispiel: Letzte Woche hatten wir Proben und acht Leute haben bei unseren Eltern gepennt», erzählt Matti. «Sie haben uns bekocht, während wir alle gestresst abends nach Hause gekommen sind, haben uns noch Kaffee im Bruckner-Hoodie vorbeigebracht, die sind total am Start. Sie haben uns die letzten Jahre immer den Rücken freigehalten.» Viele hätten nicht das Glück, «dass ihre Eltern sie einfach immer bestärken in dem, was sie machen und ihnen das Vertrauen schenken, dass sie das, was sie machen, schon hinbekommen».
Auf die gemeinsame WG können die Geschwister ebenfalls immer zählen. Die beiden Musiker leben mit Freunden in einem Haus in einem Vorort von München, wo sie auch ein Studio eingerichtet haben. «Wir haben regelmässig Musikerinnen und Musiker zu Gast, die Crew übernachtet hier, alles steht voll mit Kisten und Instrumenten und wir nutzen zum Proben andere Räume, aber alle sind total kulant», erzählt Jakob über die Mitbewohner, die er bereits seit Studienzeiten kennt. «Alle sind unkompliziert und arbeiten schon. Es ist nicht mehr dieses Studentending.» Verstehen müsse man sich für eine WG in jedem Fall, sagt Matti. «Bei sieben Leuten muss man es schaffen, über die ein oder anderen Dinge hinwegzusehen. Und das macht man bei Freunden lieber als bei Leuten, die man erst kurz kennt.» Das Konzept sei auf jeden Fall weiterzuempfehlen. «Selbst unsere Eltern haben seit einem Jahr eine Mitbewohnerin. Dass sich mehrere Leute oder Familien ein Haus und die Gemeinschaftsräume teilen, ist einfach super und total zukunftsorientiert.»
Als Brüder auf der Bühne
Dass die Brüder ihrer Musikleidenschaft gemeinsam nachgehen können, wissen sie zu schätzen. «Es beflügelt einen, zu zweit zu sein und nicht alleine vor sich hin zu arbeiten», erklärt Matti Bruckner. «Es hilft, wenn jemand anderes mal sagt: ‹So wird es gemacht. Mach dir mal nicht so viele Gedanken.› Wir sind Arbeitskollegen, Mitbewohner und beste Kumpels. Und in allen Bereichen ist es als Brüder sehr stressfrei. Wenn sich Sachen doch mal aufgestaut haben, quatschen wir sie immer aus.»
Es sei manchmal nicht leicht, «einfach nur Bruder zu sein» und die Arbeit aussen vor zu lassen, erklärt Jakob. «Ausserdem gibt es immer einen Konkurrenzkampf unter Brüdern und alte Muster, die man seit seiner Kindheit miteinander herumschleppt. Gegen Matti in irgendwas zu verlieren, ist für mich auf jeden Fall eine Vollkatastrophe (lacht).» Doch auch er sieht den Vorteil, nicht nur als Duo, sondern als Brüder auf der Bühne zu stehen, er bestehe darin, «dass diese Beziehung sehr viel wert ist und man sie auf jeden Fall nicht leicht aufgibt und immer darum kämpft. Dass wir wissen, selbst wenn wir uns auflösen würden, müssen wir immer noch als Brüder miteinander können. Die Beziehung hat schon von Haus aus einen hohen Stellenwert und man ist bereit, dafür viel zu machen.»