Ian Anderson (74) ist international bekannt als Frontmann der britischen Rockband Jethro Tull. Seit 19 Jahren hat die Band kein Album mehr veröffentlicht. Ian Anderson stand währenddessen solo und in anderen Formationen auf der Bühne und im Tonstudio. Am 28. Januar erscheint nun das neue Jethro-Tull-Album «The Zealot Gene». Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät der Brite, wie es zu dem neuen Longplayer kam und wie er seinen 75. Geburtstag im August verbringen wird. Darüber hinaus erzählt der Sänger, wie er mit seiner chronischen Lungenkrankheit in der Corona-Pandemie umgeht und wie oft er noch Flugreisen unternimmt.
19 Jahre sind seit dem letzten Jethro-Tull-Album vergangen. Warum wollten Sie jetzt wieder neue Musik veröffentlichen?
Ian Anderson: Vielleicht hätte das Album «Homo Erraticus» von 2014 schon ein Tull-Album sein sollen. Es wurde damals als komplettes Rockband-Album mit den Musikern geschrieben, die schon seit vielen Jahren mit mir zusammenspielen. Sie haben schon Hunderte von Konzerten mit dem Jethro-Tull-Repertoire gespielt, waren aber noch nie auf einem Album von Jethro Tull vertreten. Also beschloss ich, dass es nun an der Zeit war.
Viele Künstler, die während der Corona-Pandemie an einem Album gearbeitet haben, konnten mehr Zeit investieren und haben so besonders vielfältige Stücke geschaffen. Ist das auch bei Ihrem Album der Fall?
Anderson: Nein - alle Songs wurden bereits 2017 geschrieben und sieben davon zu diesem Zeitpunkt auch aufgenommen. Die letzten fünf Songs wurden im April letzten Jahres (in einer Welle der Pandemie) aufgenommen und sind vielleicht deswegen sogar besser. Das akustische Gefühl dieser Tracks verleiht dem Album mehr Abwechslung und klangliche Tiefe. Es gibt mehr Dynamik und eine andere Instrumentierung. Wer hätte gedacht, dass man meine Mundharmonika wieder hören würde? Oder das Akkordeon?
Die Musikindustrie ist ständig im Wandel. Wie beurteilen Sie die Entwicklung, dass Vinyls wieder im Trend sind? Wie hören Sie selbst Musik?
Anderson: Ich höre keine! Ich war seit Mitte der 70er Jahre nie ein grosser Musikhörer. Normalerweise beschäftige ich mich mit meiner eigenen Musik. Wenn ich Musik höre, dann in einem digitalen Format. Ich habe weder einen Plattenspieler noch einen CD-Player mehr. Die Leute wollen Vinyls zum Aufbewahren. Wir bieten alle Formate und Vorlieben an. Es ist super, dass die Musikfans überall daraus auswählen können.
Im August feiern Sie Ihren 75. Geburtstag. Wird es eine grosse Party geben? Wie werden Sie den Tag verbringen?
Anderson: Unter dem Bett. Ich bin nicht gesellig und habe Partys noch nie gemocht. Eine ruhige Zeit mit meinen Katzen und ein Curry zum Mitnehmen reichen mir völlig aus.
Wie blicken Sie auf Ihr bisheriges Leben zurück? Sind Sie zufrieden?
Anderson: Nein. Aber ich bin auch nicht unzufrieden. Ich habe grosses Glück und bin dankbar dafür, dass ich bei guter Gesundheit bin und zu meinen eigenen Bedingungen erfolgreich war. Ich hätte manches vielleicht anders oder besser machen können, aber dafür ist es jetzt zu spät!
Wofür sind Sie in Ihrem Leben besonders dankbar?
Anderson: Für meine Gesundheit und meinen Erfolg, den ich selbst bestimmen konnte. Und eine gute Frau, ein schönes Haus und kein Auto! Ich benutze öffentliche Verkehrsmittel.
Sie leiden an einer Lungenkrankheit. Wie überstehen Sie die Corona-Pandemie?
Anderson: Vorsichtig und noch vorsichtiger, wenn ich auf Tournee bin. So weit, so gut. Aber irgendwann geht es zu Ende.
In den 1990er Jahren haben Sie bei einem langen Flug eine Thrombose erlitten. Reisen Sie noch häufig mit dem Flugzeug?
Anderson: Ja - das muss ich, aber das Risiko ist jetzt gering oder gar nicht mehr vorhanden, da es schon so lange her ist. Zumindest nicht bei Kurzstreckenflügen. Ich glaube nicht, dass ich noch einmal nach Australien reisen werde. 12 Stunden an einem Ort zu sitzen, ist für mich das Höchste. Ich bevorzuge 20 Minuten!
Das Jahr 2022 hat gerade erst begonnen. Was wünschen Sie sich für die kommenden Monate?
Anderson: Erfolgreiche Konzerttouren in einer schwierigen Zeit. Wir haben viele Konzerte geplant und ich kann nur hoffen, dass sie wie geplant stattfinden. Ausserdem arbeite ich seit dem 1. Januar an einem neuen Albumprojekt, das einige Zeit in Anspruch nehmen wird, damit ich das Schreiben beenden und in zwei Monaten mit den Aufnahmen beginnen kann.