Mit «Der Sommer ist vorbei» veröffentlicht die Band Juli am 28. April ihr neues Album. Mehr als neun Jahre nach dem Release des letzten Studioalbums melden sich die Musiker damit zurück. Im Mai werden Juli auf ihrer ersten grossen Deutschland-Tournee seit 2015 zu erleben sein. Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news verrät Frontfrau Eva Briegel, wie es die Band geschafft hat, seit über 20 Jahren zu bestehen, wie sie mit Erfolgsdruck umgeht und warum das Tourleben heute anders ist.
Juli gibt es seit über 20 Jahren. Wie haben Sie es geschafft, so lange zu bestehen?
Eva Briegel: Das Geheimnis ist dasselbe wie in einer langen Partnerschaft: einfach nicht trennen. Wenn man ein gemeinsames Ziel hat, lassen sich zwar nicht alle Probleme lösen, aber man geht irgendwann gelassener damit um. Trotzdem muss man sich immer wieder füreinander entscheiden, schliesslich arbeiten wir kreativ und da sind Meinungsverschiedenheiten Teil des Prozesses. Es geht uns genauso wie dem Hörer: der eine liebt, der andere hasst eine neue Idee. Und dann knallt's.
Sie wollten bei diesem Album eher wieder zu den Anfängen der Band zurückkehren. Was machen diese Anfänge für Sie aus?
Briegel: Wie jeder, der kreativ arbeitet, möchten wir uns immer weiterentwickeln. Wenn wir etwas schon einmal gemacht haben, kann uns schnell langweilig werden. Trotzdem war mir wichtig, dass alle neuen Songs auch live auf der Bühne funktionieren, das heisst, dass wir das, was auf dem Album gut klingt, auch in unserer Stammbesetzung mit zwei Gitarren, einem Bass und Schlagzeug gut auf die Bühne bringen. Live singen die Jungs zum Beispiel die Chöre, die ich im Studio eingesungen habe. Die sollen nicht vom Band kommen.
Sie trugen zu der Erfolgswelle deutschsprachiger Liedtexte Anfang der 2000er bei. Ist die Konkurrenz in der deutschen Musikszene heute anders?
Briegel: Es gibt immer mehr fantastische Bands und Solokünstler, die auf Deutsch singen. Das ist eine tolle Entwicklung. Früher war deutschsprachig ein eigenes Genre, heute gibt es in jeder Sparte deutsche Texte. Ich finde das super, dadurch werden Schlager, Rock und Pop nicht so schnell in einen Topf geworfen. Ausserdem nimmt die Qualität deutlich zu, und es bilden sich Eigenarten heraus. Es gibt lustige Texte, rätselhafte, assoziative, aggressive, kryptische. Das ist doch grossartig.
Wie gehen Sie insgesamt mit Erfolgsdruck um? Wird er weniger, je länger man dabei ist oder stärker, weil die Erwartungen grösser sind?
Briegel: Das Thema Mental Health wird ja mittlerweile von Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, relativ offen behandelt. Es ist gut, dass Tabus gebrochen werden und offen über Dinge gesprochen werden kann. Dabei muss man beachten, dass es sich bei psychischen Belastungen um eine hochpersönliche Angelegenheit handelt. Ich selbst würde das Gespräch mit einem Therapeuten Social Media vorziehen.
Viele bringen Sie noch immer mit ihren ersten Hits «Geile Zeit» und «Perfekte Welle» in Verbindung. Finden Sie es schlimm, wenn Sie darauf reduziert werden?
Briegel: Ich behaupte, das ist eine Frage der Wahrnehmung. Denke ich an Bryan Adams, denke ich an «Summer of 69». Bei den Ärzten denke ich an Westerland. Wenn ich dann aber ein, zwei Gedanken weiter denke, fallen mir ungefähr zehn weitere gute Songs der Band ein. Unsere Fans lieben auch ganz andere Lieder, zum Beispiel «Wir beide», «Dieses Leben», die elektronischen Lieder von der dritten Platte, und so weiter. Wir sehen, mit welchen Stücken auf Social Media, zum Beispiel auf Tik Tok, Clips unterlegt werden, das ist für uns sehr interessant.
Sie nahmen sich mit der Band auch immer wieder Auszeiten. Wie wichtig waren diese und wer hat was in dieser Zeit gemacht?
Briegel: Eigentlich sind wir 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Musiker. Aber nicht alles, was wir musikalisch machen, dringt auch nach aussen. Pausen entstehen dadurch eher in der Wahrnehmung der Presse, oder der Öffentlichkeit. Bei mir gehört Musik einfach dazu.
Ihr Gitarrist Jonas Pfetzing sagte in einem Interview, dass sie früher zu viel von allem gemacht haben und es ihm mental auch schlecht ging. Sind Sie als Band achtsamer geworden?
Briegel: Natürlich ging es uns auch manchmal nicht so gut. Das bleibt nicht aus, wenn man auf einen Schlag, quasi von null auf 100 nur noch im Tourbus lebt. Allein körperlich ist das Touren sehr, sehr anstrengend. Aber dieses Leben war auch immer unser Traum, und wir haben es sehr genossen. Wir versuchen nur, nicht so viel zu verpassen, unsere Freunde und Familien im Blick zu behalten. Das ist ja auch ein Thema der Band: präsent zu sein, den Moment nicht zu verpassen, nicht in Gedanken an gestern oder morgen zu versinken.
Gibt es Streitigkeiten in der Band?
Briegel: Oh, es gibt immer wieder Streit um Geschmacksfragen. Das beginnt bei der Musik und endet bei Bandfotos, Videos, oder welche T-Shirts im Merch-Shop welche Farben bekommen. Wir lösen das ganz klassisch durch Diskussionen, und manchmal gewinnt einfach der, der den längsten Atem hat (lacht).
Sie gehen im Mai auf Tour. Ist das Tourleben für Sie heute anders als früher?
Briegel: Wir spielen länger, und trinken weniger Alkohol ... Gott sei Dank sind die Läden heute kleiner, und ich mag es, dass man dadurch den Leuten wieder näher kommt. Wahrscheinlich werden wir etwas mehr auf unsere Gesundheit achten, immerhin darf niemand von uns krank werden. Ansonsten hat sich wahrscheinlich nicht viel verändert. Wir haben auch früher schon gerne mal Kniffel in der Mittagspause gespielt (lacht).
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Band?
Briegel: Ein langes Bandleben, noch mal fünf Alben, Open Air spielen im Sonnenuntergang, und ein Publikum, das weiter mit uns geht. Und die ein oder andere Musikshow im Fernsehen wäre auch nicht schlecht. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Neuauflage von Top of the Pops?