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Mit «Tausend Zeilen» zurück im Kino

Medienskandal war «Futter für die Lügenpresse-Kritiker»

Michael Bully Herbig meldet sich mit der spannenden Mediensatire «Tausend Zeilen» im Kino zurück. Welche Lehren man aus dem echten Fall, der als Vorlage diente, ziehen kann und welches «kleine Easter Egg» Manitu-Fans im Film entdecken können, verrät der Regisseur im Interview.

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Regisseur Michael Bully Herbig bie der Berlin-Premiere von «Tausend Zeilen» mit seinen beiden Hauptdarstellern Elyas M'Barek (r.) und Jona Nay (l.).
Regisseur Michael Bully Herbig bie der Berlin-Premiere von «Tausend Zeilen» mit seinen beiden Hauptdarstellern Elyas M'Barek (r.) und Jona Nay (l.). Warner Bros. Entertainment GmbH / Andre Mischke

Die spannende Mediensatire «Tausend Zeilen» (Kinostart: 29. September) von Regisseur Michael Bully Herbig (54) wurde von den wahren Vorfällen inspiriert, die der Journalist Juan Moreno (49) in seinem Buch «Tausend Zeilen Lüge» (2019) festgehalten hat. Moreno arbeitet seit 2007 für das Nachrichtenmagazin «Der Spiegel» und deckte 2018 die Manipulationen seines damaligen Kollegen Claas Relotius (36) auf.

Aus diesem Enthüllungsjournalistenstoff machte Bully seinen Film. Bei ihm entdeckt der freie Journalist Juan Romero (Elyas M'Barek, 40) Ungereimtheiten in einer Titelgeschichte des preisgekrönten Reporters Lars Bogenius (Jonas Nay, 32). Romero beginnt entgegen aller Widerstände zu recherchieren und löst einen der grössten deutschen Medienskandale aus...

Im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news erklärt Bully, welche Lehren man aus dem realen Vorfall ziehen könnte und was das durchaus offene Ende in seinem Film damit zu tun hat. Ausserdem erzählt er die filmhistorisch interessante Geschichte hinter dem «kleinen Easter Egg» für «Der Schuh des Manitu»-Fans in seinem neuen Film.

Ihr neuer Film «Tausend Zeilen» startet im Kino. Unter anderem wirft er einen interessanten Blick hinter die Kulissen eines Medienhauses. In manchen Unternehmen ist oder war es vermutlich so und derart schräge Charaktere gibt es sicher auch. Ist sowas aber nicht auch Futter für die «Lügenpresse»-Kritiker?

Michael Bully Herbig: Der ganze Vorfall war ja real und insofern auch schon Futter für die «Lügenpresse»-Kritiker. Meine Grossmutter hat zu mir als Kind schon gesagt: «Du musst nicht alles glauben, was in der Zeitung steht.» Da hatte das aber noch so einen harmlosen Charme, weil man herausgehört hat: Ja, wir lesen die Zeitung, aber manchmal wird darin auch ganz doll übertrieben. Vor dem Internet und Social Media konnten die meisten Menschen das auch ganz gut einordnen.

Heute ist es wilder. Die Geschwindigkeit spielt eine grosse Rolle. Da haut einer eine Schlagzeile raus, andere übernehmen es, ohne nachzufragen oder selbst zu recherchieren. Wenn dann bei einem grossen seriösen Nachrichtenmagazin so eine Bombe platzt, spielt das den falschen Leuten in die Hände.

Das heisst im Grunde genommen, dass der seriöse Journalismus inzwischen noch mehr Verantwortung hat, als er es ohnehin schon immer hatte?

Bully: Ja und er ist unverzichtbar. Wenn jeder nur noch über seine eigene Wahrheit schreibt, wird's unübersichtlich. Der Film ist auf eine gewisse Weise natürlich satirisch und soll unterhalten, wir schwingen nicht die Moralkeule. Ich würde mir wünschen, dass die Leute aus dem Kino gehen und realisieren, dass auch der seriöse Journalismus an sich belogen wurde. Auf der anderen Seite sind die erfundenen Reportagen aber auch auf fruchtbaren Boden gefallen. Wie ein Hochstapler so lange damit durchkommen kann, hat mich interessiert.

Was ist für Sie die grösste Lehre aus diesem Fall?

Bully: An dieser Geschichte kann man sehen, dass ein einziger Mensch, Reporter, Journalist für ein Desaster sorgen kann. Auf der anderen Seite wurde aber auch alles durch einen anderen Journalisten aufgedeckt. Das gehört ebenfalls zur Wahrheit dazu. Man kann nur hoffen, dass es auch weiterhin Journalisten und Reporter geben wird, die auf der Suche nach der Wahrheit sind, auch wenn's ungemütlich wird. Der seriöse Journalismus hat eine grosse Verantwortung und die fängt schon bei der Überschrift an. Wenn du eine Überschrift so reisserisch und laut gestaltest, dass sie einen Verdacht impliziert, hat es einen Effekt. Da geht die Irreführung los, auch wenn du eigentlich nur die Leser anlocken wolltest.

So hat unser Hochstapler im Film ja auch angefangen. Er hat eine Reportage geschrieben, die zwar nett, aber langweilig war. Und dann hat er gemerkt, wenn er ein, zwei Sätze ändert, wird es aufregender und plötzlich lesen es die Leute lieber. Und dann macht er beim nächsten Mal ein bisschen mehr und noch mehr und irgendwann kommt eine komplett erfundene Reportage heraus. Und wenn du dann noch die Veranlagung hast, dir einzureden, dass du ja nur das machst, was von dir verlangt wird, bist du plötzlich ein Geschichtenerzähler und kein Journalist mehr. 

Der freie Journalist Juan Romero (Elyas M'Barek) und der preisgekrönte Reporter Lars Bogenius (Jonas Nay) durchbrechen im Film immer wieder die vierte Wand und erklären dem Kinopublikum ihre Sicht der Dinge und buhlen damit um deren Gunst. Der Schluss ist fast ein bisschen offen, oder?

Bully: Das war die erste Idee, die ich hatte, als ich von dem Vorfall gehört habe und aus dem Stoff meinen nächsten Film nach «Ballon» (2018) machen wollte. Ich wusste nicht, dass es ein Buch von dem echten Enthüllungsjournalisten Juan Moreno geben wird. Ich kannte auch keine Details. Aber den Stil des Films hatte ich sofort vor Augen: dass zwei Journalisten um die Gunst der Zuschauer buhlen.

Ich wollte, dass es dem Zuschauer genauso geht, wie dem Umfeld des Hochstaplers. In der Regel sind Hochstapler ja Leute, die ihr Handwerk gut verstehen, und andere meisterhaft manipulieren und um den Finger wickeln können. Das fand ich sehr interessant und wollte es so umsetzen, dass man als Zuschauer selber ins Grübeln kommt, wem man jetzt glauben soll.

Einige Filmszenen spielen in Arizona, Mexiko, Kuba, Spanien etc. Sie sind allesamt in Spanien gedreht worden. Warum?

Bully: Ich habe schon sehr viel in Spanien gedreht: «Der Schuh des Manitu», «(T)Raumschiff Surprise - Periode 1» (2004) und auch für die «Bullyparade - Der Film» (2017) waren wir wieder dort. Dass wir alles in Spanien drehen könnten und nicht zu Pandemie-Zeiten auf Motivtour nach Arizona, Kuba und Mexiko fliegen müssen, hatte ich unserem Produzenten schon relativ früh gesagt. In der Ecke Almeria, Andalusien, konnte ich mir das meiste gut vorstellen. Bei Kuba war ich zwar gespannt, aber wir haben tatsächlich auch das in Spanien gefunden. Beim Drehen sind wir dann mit dem ganzen Tross wie ein Wanderzirkus von Motiv zu Motiv gefahren - hat alles super funktioniert.

Sie haben den «Schuh des Manitu» erwähnt. Was können die Fans denn in «Tausend Zeilen» wiedererkennen?

Bully: Wenn du die Motive für die unterschiedlichen Szenen suchst, schickst du erstmal die Locationscouts vor. Dann bekommt man Fotos und sucht sich die Ecken aus, die man sich bei den sogenannten Motivtouren persönlich anschaut. Und aus Zufall zeigte mir mein Production-Designer Bernd Lepel, mit dem ich inzwischen schon vier Filme gemacht habe, eine Ebene mit einem Baum. Ich erkannte die Szenerie sofort und sagte zu Bernd: «Du weisst schon, was das für ein Baum ist? Das ist der Baum aus dem ‹Schuh des Manitu›. Da haben wir die Szene mit dem Apfel gedreht, die Parodie auf ‹Spiel mir das Lied vom Tod›. Das gibt's ja gar nicht, dass der Baum immer noch dasteht. Er war ja schon steinalt, als wir vor 22 Jahren dort gedreht haben.»

Der Baum, der aus Stahlträgern und Gips kreiert worden ist, stammt von den Dreharbeiten zu «Conan der Barbar» (1982, mit Arnold Schwarzenegger). Inzwischen war er ein bisschen ramponiert, aber Bernd und sein Team konnten ihn wieder schön herrichten. Und somit gibt es ein kleines Easter Egg für «Manitu»-Fans in «Tausend Zeilen» - ich verrate jetzt aber nicht, in welcher Szene der Baum zu sehen ist.

Letzte Frage zur Wiesn, die in diesem Jahr nach zwei Absagen zum ersten Mal wieder stattfindet. Das finale Wochenende steht ja bevor. Wie halten Sie es damit?

Bully: Ich war als Teenager bis Anfang 20 so oft auf der Wiesn, dass ich jede Ecke kenne. Irgendwann musste ich dann aber feststellen, dass man meinen Namen auch mit vier Promille noch über die Strasse brüllen kann. Das war dann nicht mehr so meins. Dass die Wiesn dieses Jahr wieder stattfindet, finde ich ein interessantes Experiment. Und ich glaube auch, dass es für die Gefühlslage nach der langen Zeit mal wieder ganz gut ist, ein bisschen feiern zu dürfen. Mal sehen, wie es danach ist. Vielleicht mache ich darüber ja meinen nächsten Film...

Von spot on news AG am 29. September 2022 - 15:11 Uhr