Vicky Leandros ist eine der bekanntesten deutschen Schlagersängerinnen. Allein von der Zahl ihrer verkauften Tonträger ausgehend, ist sie mit 55 Millionen eine der erfolgreichsten Künstlerinnen dieser Sparte, obwohl sie in aktuellen Charts nicht (mehr) vorkommt. Dafür ist sie schon ziemlich lang im Geschäft. 1965 erschien ihre erste Single «Messer, Gabel, Schere, Licht», die gleich unter die Top 20 (sechs Millionen verkaufte Platten) kam. Am 23. August wird Vicky Leandros 70 Jahre alt.
Vater Leo als Mentor und Vorbild
Eigentlich hiess sie mal Vassiliki Papathanasiou, und es sind durchaus Zweifel angebracht, dass sie unter diesem Namen in Deutschland eine Schlagerkarriere gemacht hätte. Aber ihr Vater Leandros Papathanasiou (95) nannte sich Leo Leandros, und das war die halbe Miete. Von diesem Leo Leandros, Sohn eines griechischen Universitätsprofessors, gibt es eine hübsche Geschichte: Nach dem Jurastudium wollte er Staatssekretär im griechischen Innenministerium werden, die Politiker-Laufbahn gab er jedoch auf, weil er noch viel lieber sang und Schlagerstar werden wollte. Das gelang ihm auch - erst in Griechenland, dann in Deutschland.
Seine Tochter Vassiliki wurde auf der Insel Korfu geboren, wuchs aber nach der Scheidung der Eltern bei Vater Leo Leandros in Hamburg auf. Der Papa war seinerzeit dick im Geschäft. Nach seiner Schlagerkarriere wurde er Komponist und Musikproduzent, der mit Grössen wie Demis Roussos (1946-2015), Julio Iglesias (78), Nana Mouskouri (87) und Freddy Quinn (90) gearbeitet hat. Vor allem widmete er sich seiner talentierten Tochter Vassiliki, die von allen nur «Vicky» genannt wurde und nun den Künstlernamen Leandros annahm.
Mit nur 20 Jahren der Triumph beim ESC
Ihre Karriere ging, vom Vater sorgsam gesteuert, ab wie eine Rakete. Mit 13 der Millionen-Hit «Messer, Gabel, Schere, Licht», mit 15 ihre erste Teilnahme (für Luxemburg) am Grand Prix Eurovision de la Chanson, wie früher der Eurovision Song Contest (ESC) genannt wurde, gleich Platz vier. Im Jahr 1972 gewann sie, ebenfalls für Luxemburg, den ESC mit «Après toi (Dann kamst du)», das der Vater komponiert hatte. In der Folgezeit wurde sie zum Big Star Vicky, den Zusatz Leandros brauchte sie nicht mehr, der Papa agierte ja erfolgreich im Hintergrund. Sie sang nicht nur auf Deutsch und ihrer Heimatsprache Griechisch, sondern auch auf Französisch, Englisch, Spanisch, Niederländisch und sogar Japanisch.
Sie gab Konzerte in Südafrika, Asien, Lateinamerika und Kanada, sang in ausverkauften Hallen wie dem Pariser Olympia, der Yubin Chokin Hall in Tokio oder der Royal Albert Hall in London. Sie lebte kurz in Paris, nahm das Album «Across The Water» in Nashville für den US-Markt auf - und kehrte den USA den Rücken, weil sie sich «gefangen» fühlte, «zu weit entfernt von meinen Wurzeln, meinen Freunden und meiner Familie.»
Private Schicksalsschläge
Im Privatleben hat sie weniger Glück. Die erste, vierjährige Ehe mit dem Bauunternehmer Ivan Zissiadis scheitert im Jahr 1986. Während der Trennungszeit geht ihr Noch-Ehemann Zissiadis mit dem gemeinsamen Sohn Leandraki nach Griechenland. Nach langwierigen Verhandlungen bekommt sie ihren Sohn zurück und das alleinige Sorgerecht. 1986 heiratet sie den Freiherrn Enno von Ruffin (68), mit dem sie zwei Töchter hat: Milana (37) und Sandra von Ruffin (35). Die Familie lebte auf Gut Basthorst in Schleswig-Holstein. 2005 gibt sie die Trennung von ihrem zweiten Ehemann bekannt. Seit 2012 lebt sie wieder in Hamburg.
Unsterblich dank «Theo, wir fahr'n nach Lodz»
Vicky Leandros‹ grösster Hit, übrigens ihre einzige Nummer eins in den deutschen Charts, entspricht nicht dem üblichen Schlager-Klischee: 1974 kam «Theo, wir fahr›n nach Lodz» heraus, ein seltsam eingängiges Stück, bei dem das Publikum bis heute begeistert mitsingt.
Der Song soll auf ein Landsknechtlied aus dem Dreissigjährigen Krieg im 17. Jahrhundert zurückgehen, das von der polnischen Stadt Łódź (südwestlich von Warschau) handelt. 1915 kam dann während des Ersten Weltkriegs in Österreich das Soldatenlied «Rosa, wir fahr'n nach Lodz» auf. Mit «Rosa» war die schwerste Kanone des österreichisch-ungarischen Heeres gemeint. Dieses Lied wurde auch 1972 in der TV-Serie «Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk» gespielt. Da hörte Vickys Vater zum ersten Mal den Song, der ihn nicht mehr losliess. Der Hamburger Autor Klaus Munro (1927-2013) verfasste zur Melodie einen neuen Text. Die Plattenfirma Philips/Phonogram war allerdings überhaupt nicht begeistert: Der Text entspreche nicht dem Zeitgeist und sei auch dem Image von Vicky mit ihren romantischen Liedern und dem südeuropäischen Touch abträglich.
Doch Leo Leandros blieb hart. «Theo, wir fahr‹n nach Lodz» erschien wie von ihm konzipiert. Das deutsche Publikum war begeistert, der «Lodz»-Song wurde zum Gassenhauer. Es gibt eine US-amerikanische Version "Henry, Let›s Go to Town", eine englische «Danny, Teach Me to Dance», auch eine französische und kanadische «Théo, on va au bai». Die Stadt Łódź produzierte mit dem Song gar einen Werbefilm für das städtische Tourismusamt. Ein Lied für die ganze Welt und für die Ewigkeit...