«Ist es wirklich schlecht, mehr haben zu wollen als alle anderen?» Oder: «Erfolg zieht noch mehr Erfolg an.» Oder: «Kommt raus aus eurer Opferrolle.» – Mit Floskeln wie diesen motiviert «Concreta»–Firmengründer Christopher Komann (Robin Sondermann, 40) im «Tatort: Pyramide» (14.1., 20:15 Uhr, das Erste) seine zumeist männlichen Mitarbeiter. Sie alle streben nach Macht, Geld, tollen Häusern und dicken Autos. In Wahrheit ist die Erfüllung dieser Träume aber nur der Spitze solcher Schneeballsysteme vorbehalten. Daher stellt sich in diesem Krimi unter anderem die Frage, ob alles, was legal ist, auch legitim ist?
Deutliche Mahnung von Drehbuchautoren und Regisseurin
«Das System der Vertriebspyramide ist ein absolut klassisches und nach wie vor sehr erfolgreiches Betrugsmodell, dem juristisch schwer beizukommen ist», sagt Drehbuchautor Arne Nolting (geb. 1972) dem Sender dazu. Und er fügt hinzu: «So gut wie jeder im Produktionsteam kannte Menschen aus dem persönlichen Umfeld, die in ein solches System geraten sind und dadurch viel verloren hatten. Geld, Lebensjahre und vielleicht am schlimmsten: Das Vertrauen von Freunden und Familie.» Durch diese Erfahrungsberichte hätten die Krimimacher «einen tiefen Einblick in die Methoden und die Verführungskraft der Betrüger» gewonnen, «so dass wir auch wussten, wovon wir erzählen», erinnert sich Nolting.
Ob das «Pyramide»–Prinzip ein klassisches Beispiel für toxische Männlichkeit ist, dazu sagt sein Drehbuch–Kollege Jan Martin Scharf (gab. 1974): «Ein Pyramidensystem funktioniert am besten, wenn ein ideologischer Überbau den Blick auf die Realität vernebelt. Und kaum etwas zieht da besser als der Appell an vermeintlich männliche Werte wie Erfolg, Stärke und Durchsetzungskraft inklusive aller Statussymbole.» Weiter erklärt er: «Im Netz wimmelt es jedenfalls von selbsternannten Powersellern, die ihren Jüngern die toxische Männlichkeit nur so um die Ohren hauen. Aber wenn man hinter die Oberfläche schaut, dann sieht man: Der eigentliche Antrieb für ein solches System ist immer die Gier – und die kann Männer wie Frauen packen», stellt er klar.
«Es ist ein durch und durch toxisches Prinzip und in unserem Fall auch noch toxisch männlich», bestätigt auch Regisseurin Charlotte Rolfes (geb. 1987). Die viel interessantere Frage ist für sie aber: «Wie weit würdest DU gehen für Macht, Ruhm, Geld? Das hängt ja sehr stark mit den vorherrschenden Werten zusammen, mit denen wir aufwachsen und mit denen wir uns eine Haltung aufbauen. Ich glaube, auf diese Werte müssen wir Acht geben», mahnt sie. Warum Menschen Verführern wie Komann verfallen, darauf habe allerdings auch sie «bis heute keine glasklaren Antworten gefunden». Insofern habe sie mit ihrer «Inszenierung auch keine zu einfachen Antworten geben» wollen.
Schauspieler Klaus J. Behrendt: «Am Ende gibt es nur viele Verlierer»
Und Schauspieler Klaus J. Behrendt (63) ergänzt: «Das Versprechen vom grossen Geld spricht uns alle an. Und wie schön wäre es, wenn die das mühsam Ersparte durch den richtigen Investment–Tipp tatsächlich riesige Gewinne abwirft. Doch was, wenn dann Freunde und Familienmitglieder für die vermeintlich totsichere Aktien–Investition geworben werden?» Hier werde das Vertrauen der Menschen systematisch missbraucht. «Abzocker–Firmen wie die ‹Concreta› im ‹Tatort› verfolgen ein perfides System. Wen kümmert es da schon, wenn Freundschaften zu Bruch gehen und Familien sich entzweien. Am Ende gibt es nur viele Verlierer und eine Handvoll skrupelloser Abzocker, die die grossen Gewinne einstreichen», fasst der Kommissar–Darsteller (Max Ballauf) zusammen.