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Gesicht der Swinging Sixties

Twiggy wird 75: Vom Schulmädchen zum Supermodel

Mit Pixie–Cut, androgyner Figur und riesigen Kulleraugen avancierte Twiggy zur Stilikone der Swinging Sixties. Heute wird das erste Supermodel des Planeten 75 Jahre alt.

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Sieht auch mit 75 Jahren noch umwerfend aus: Ex-Supermodel Twiggy
Sieht auch mit 75 Jahren noch umwerfend aus: Ex-Supermodel Twiggy imago/Avalon.red / Photoshot / Avalon

Lange Zeit galt Lesley Lawson, besser bekannt unter dem Namen Twiggy, als Mutter aller Supermodels. Am 19. September 2024 wird sie 75 Jahre alt und muss sich wohl damit abfinden, mittlerweile Grossmutter aller Supermodels zu sein. Geplant hatte die weltberühmte Britin dies nicht – ihre schillernde Karriere verdankt sie einem filmreifen Zufall.

Unerwartete Entdeckung im Frisör–Salon

Dieser Zufall, der ihr Leben grundlegend auf den Kopf stellte, ereignete sich im Januar 1966 im schicken Londoner Stadtteil Mayfair. Der Legende nach wollte sich die damals sechzehnjährige Schülerin, von ihren Freunden wegen ihrer dünnen Beine «Twigs» («Zweiglein») oder «Twiggy» genannt, in dem Friseursalon «The House of Leonard» nur kurz ihre langen dunkelblonden Haare waschen und legen lassen.

Beim Betreten des Salons muss der schlaksige Teenager mit den künstlichen Wimpern und puppenhaft geschminkten Augen ein ungewöhnliches Bild abgegeben haben – den irritierenden Look hatte sie kurz zuvor für ihre samstäglichen Partyabende entwickelt. Kaum waren ihre Haare in Form gebracht, kam der prominente Inhaber des Salons, Leonard Lewis (1938–2016), höchstpersönlich auf sie zu und bat darum, einen seiner neuen Schnitte an ihr ausprobieren zu dürfen.

Wie Lesley Lawson vor einigen Jahren in dem Podcast «Table Manners with Jessie Ware» verriet, war sie von dieser Idee zunächst alles andere als begeistert. «Ich liess gerade meine Haare wachsen und mochte sie sehr. Und einen Moment lang dachte ich ‹Oh, ich weiss nicht, ob ich sie geschnitten haben will›. Aber ich war so schüchtern und stand in diesem sehr noblen Salon in Mayfair ... Daher traute ich mich nicht ‹Ich will das nicht› zu sagen und nickte nur.»

Geburtsstunde des Twiggy–Looks

Als sie am nächsten Tag wiederkam, unterzog sie der Star–Coiffeur einer radikalen Typveränderung. In einer siebenstündigen Sitzung blondierte dieser zunächst ihre Haarpracht und verpasste ihr dann jenen ikonischen Pixie–Cut, mit dem sie nur kurze Zeit später weltberühmt werden sollte – was sie beim Verlassen des Salons natürlich noch nicht ahnte.

Vorher hatte Leonard Lewis die frisch frisierte Lesley noch von dem Mode–Fotografen Barry Lategan (1935–2024) ablichten lassen, um mit den Bildern seine neuartigen, von Vidal Sassoon (1928–2012) inspirierten Kurzhaarschnitte zu bewerben. Die umgestylte Twiggy ging danach einfach wieder zur Schule.

Das Gesicht des Jahres 1966

An dieser Stelle hätte die Geschichte enden können, wäre nicht wenige Tage später Deirdre McSharry, eine einflussreiche Moderedakteurin des «Daily Express» beim Besuch des Salons auf das Twiggy–Porträt an der Wand aufmerksam geworden. Diese besorgte sich die Telefonnummer des völlig unbekannten Mädchens, organisierte ein weiteres Foto–Shooting und brachte sie dann umgehend gross raus. Am 23. Februar 1966 veröffentlichte sie im «Daily Express» einen begeisterten Artikel mit zahlreichen Fotos ihrer jugendlichen Neuentdeckung, in dem sie Twiggy als «Gesicht des Jahres 1966» deklarierte.

Danach ging alles sehr schnell, wie sich Lesley Lawson 2023 in einem Interview mit der «Daily Mail» erinnerte: «In der einen Woche war ich noch in der Schule und innerhalb von drei Monaten präsentierte ich schon Pariser Kollektionen für Magazine wie ‹Elle› und ‹Vogue›. Das war wirklich verrückt. Ich war 16 – und eine wirklich grüne Sechzehnjährige.» Zudem habe sie mit einer Grösse von nur 168 Zentimetern, einem Gewicht von 41 Kilogramm und ihrem androgynen Erscheinungsbild allen bisherigen Modelnormen widersprochen.

«Vermutlich war ich einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort», räsonierte das ehemalige Supermodel im «Spiegel». «Fünf Jahre zuvor wäre meine Karriere undenkbar gewesen. Aber es waren die Swinging Sixties, London war im Umbruch. Die Mode wurde jünger, die Designer suchten entsprechend junge, aussergewöhnliche Models». Für ihren speziellen Look habe sie übrigens niemals eine Diät absolviert, er sei allein auf «extrem schnellen Stoffwechsel und sehr gute Gene» zurückzuführen.

Twiggy wird zur Weltsensation

Innerhalb kürzester Zeit avancierte Twiggy von einem bekannten britischen Model zu einem globalen Phänomen. Diana Vreeland (1903–1989), die damalige Chefredakteurin der amerikanischen «Vogue», nahm sie unter ihre Fittiche und ebnete ihr mit zahlreichen Mode–Shootings und Titelseiten den weiteren Weg.

Nach einer Promotion–Tour in den USA im März 1967 wurde sie endgültig zu einem Pop–Star und zum meistfotografierten Gesicht der späten Sechzigerjahre, abgelichtet von Star–Fotografen wie Richard Avedon (1923–2004), Cecil Beaton (1904–1980) oder Helmut Newton (1920–2004). Im selben Jahr wurde Twiggy zur ersten Puppe der Barbie–Familie, die Mattel nach einer lebenden Person gestaltete und eroberte somit nicht nur die Titelseiten aller bedeutenden Mode–Magazine, sondern auch die Kinderzimmer.

Neustart als Schauspielerin

Nach einer vier Jahre andauernden Erfolgswelle verliess Twiggy im Jahr 1970 das Model–Geschäft genauso plötzlich, wie sie hineingeraten war. Mit dem ikonischen Statement «Man kann nicht sein ganzes Leben lang ein Kleiderbügel sein», beendete sie ihre Karriere als erstes Supermodel der Welt und wandte sich neuen Betätigungsfeldern zu. Unter anderem versuchte sie sich mit einigem Erfolg als Sängerin und Schauspielerin.

Gleich für ihre erste Hauptrolle in Ken Russells Musicalkomödie «The Boyfriend» (1971) erhielt sie 1972 zwei Golden Globes als beste Komödien– und Nachwuchsdarstellerin. Danach trat sie immer wieder in Filmen und auf der Bühne als Schauspielerin in Erscheinung, unter anderem in der Kultkomödie «Blues Brothers» (1980) oder mit Gast–Auftritten in der US–Sitcom «Die Nanny». 1983 gab sie ihr Broadway–Debüt in dem Musical «My One and Only».

Im Jahr 2014 äusserte sie sich im «Spiegel» folgendermassen über ihre Zweitkarriere als Schauspielerin: «Das Modeln ist mir passiert, ich hatte mich nie darum beworben. Aber die Schauspielerei habe ich mir erarbeitet. Rückblickend war das der stolzeste Moment meiner Karriere: Als ich ab 1983 für das Stück ‹My One and Only› am Broadway auf der Bühne stand, acht Shows pro Woche, fast zwei Jahre lang. Dafür habe ich mein Lampenfieber und meine Schüchternheit überwunden. Das war der Höhepunkt.»

Der Twiggy–Kult geht weiter

Auch an ihrem 75. Geburtstag scheint der Kult um Twiggy noch lange kein Ende zu finden. Ganz im Gegenteil: Im vergangenen Jahr ging in London die Produktion «Close Up – The Twiggy Musical» an den Start, in der die Geschichte ihrer kometenhaften Karriere zu bekannten Songs der Swinging Sixties auf die Bühne gebracht wird. Ab dem 18. Oktober 2024 wird zudem ein von ihrer guten Freundin Sadie Frost (59) produzierter Dokumentarfilm mit dem Titel «Twiggy» die Kinos erobern.

Grössere Probleme mit dem Altern scheint Lesley Lawson, die heute mit ihrem Ehemann, dem Schauspieler und Produzenten Leigh Lawson (79) ein beschauliches Leben in London führt und mittlerweile zweifache Grossmutter ist, nicht zu haben. «Ich bin irgendwie stolz auf meine Falten», verriet das ehemalige Supermodel kürzlich der «Daily Mail». Schönheitsoperationen oder Botox kämen für sie nicht infrage.

Von SpotOn am 19. September 2024 - 12:31 Uhr