Der SI-Stammtisch macht halt am malerischen Zugersee. Im Restaurant Aklin empfängt Stefan Regez, Leiter Publikumszeitschriften Ringier Axel Springer Schweiz, den Zuger Ständerat Peter Hegglin, 60, Claudia Gasser, 47, Regionaldirektorin UBS Zentralschweiz, Jackie Bauer, 33, Ökonomin und Vorsorgeexpertin UBS, sowie SI-Leserin Jennifer Arman, 34, Head Corporate Center Inacta AG in Zug.
Ein Thema steht im Zentrum: die Altersvorsorge. Doch zunächst geht Moderator Regez der Frage nach, was Zug zum attraktiven Standort macht. Sind es die tiefen Steuern? Oder steckt doch mehr dahinter?
Claudia Gasser: Ich bin eine Auslandschweizerin und wohne seit 23 Jahren hier, davon 17 Jahre in Zug. Ich bin in Johannesburg, Südafrika, aufgewachsen. Zug ist in jeder Beziehung ein genialer Ort. Dies zeigt auch der Kantonale Wettbewerbsindikator, bei dem Zug auf dem ersten Platz ist. Das zieht viele Expats an, die das Internationale mit sich bringen. Zudem ist Zug sehr gut vernetzt und in sehr kurzer Zeit überall in der Schweiz erreichbar. In Zug befindet man sich am Puls des Fortschritts. Dies ist uns auch bei der UBS wichtig. Wir leben nicht nur im Hier und Jetzt, sondern antizipieren in unserer Arbeit die Zukunft.
Jackie Bauer: Ich kenne Zug leider noch nicht so gut. Aber ich schätze die Nähe zur Natur und den kurzen Weg zu attraktiven Wandergebieten.
Der SI Stammtisch ist eine publizistische Initiative der Schweizer Illustrierten und Illustré in Zusammenarbeit mit DEAR Foundation-Solidarité Suisse und UBS Schweiz.
Jennifer Arman: Zug symbolisiert für mich auch ein Stück meiner Jugend. Ich bin auf dem Hirzel aufgewachsen. Dort orientiert man sich Richtung Zug – auch sportlich. So gingen wir oft an die Heimspiele des EV Zug. Davon abgesehen, arbeite ich schon das fünfte Jahr hier – und schätze den Ort sehr. Zug hat alles, was man sich wünscht.
Peter Hegglin: Ich bin ein Urzuger, habe Heimatort Menzingen und wohne in Edlibach. Von da aus hat man einen schönen Blick auf den ganzen Kan-ton. Und Weitblick kann einem Politiker nicht schaden (lacht). Ich träumte immer davon, einen Grossbetrieb zu führen. Dies gelang mir auf meinem Bauernhof. Trotzdem fehlten mir dort die Entwicklungsperspektiven. Deshalb habe ich mich der Politik zugewandt. Zug war früher ein Agrarkanton, einer der ärmsten Kantone der Schweiz, hat sich dann aber durch Innovationen und die Ansiedlung von internationalen Unternehmen an die Spitze gearbeitet.
Gasser: Das Umfeld muss immer stimmen. Neben der Firmenlandschaft bietet Zug auch vieles für Familien, wie zum Beispiel sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten.
Hegglin: Sehen Sie, es geht eben nicht nur um die Steuern (lacht).
Arman: Es ist auch der persönliche, direkte Kontakt. Hier kann ich zum Telefon greifen und erreiche in der Verwaltung immer jemanden, der sich um mein persönliches Anliegen kümmert. In Zürich ist das wohl nicht möglich.
«Weil ich in Südafrika mit der Armut konfrontiert war, habe ich schon immer gespart»
Claudia Gasser
Frau Bauer, reden wir über Ihr Spezialgebiet, die Altersvorsorge. Wie sieht diese bei Ihnen persönlich aus?
Ich habe meine drei Säulen im Griff – und alles genau ausgerechnet und die Szenarien gewertet. Habe ich Lücken? Was bietet der Arbeitgeber? Bei mir ist dies der Beruf. Aber jeder müsste es wissen. UBS stellt den Mitarbeitenden viele Informationen zur Verfügung, und wir bieten unseren Kunden eine dedizierte Beratung an. Mein Appell an die Pensionskassen lautet: Ihr müsst transparent sein und mehr kommunizieren.
Gasser: Weil ich in Südafrika mit der Armut konfrontiert war, habe ich schon immer gespart. In die dritte Säule investierte ich mit 25 Jahren das erste Mal. Bei der UBS wird man für dieses Thema sensibilisiert. Grundsätzlich lässt sich sagen: Die Kinder in der Schweiz wachsen in einem privilegierten Umfeld auf, in dem es den Menschen gut geht. Und da scheint ein Thema wie die Altersvorsorge bei vielen Jungen nicht so dringend. Dieser Schein trügt.
Arman: Während meines Wirtschaftsstudiums habe ich schon den vollen Teil in die dritte Säule einbezahlt. Ich habe aber auch anderweitig vorgesorgt, denn ich möchte nicht abhängig sein von anderen Menschen. Dank einem Erbvorbezug konnte ich eine Eigentumswohnung kaufen. Und ich konnte Aktien meines Arbeitgebers beziehen. Gasser: Viele Frauen überlassen dieses Thema den Männern. Im Alltag sind es aber oft die Frauen, die für das Budget verantwortlich sind. Studien bestätigen, dass die grosse Mehrheit der Frauen es später bedauert, dass sie sich nicht früher um die Vorsorge gekümmert hat. Vor allem bei einem Ereignis wie beispielsweise einem Todesfall oder einer Scheidung.
Bauer: Es ist ein trockenes Thema. Deshalb sollten wir die Menschen dafür sensibilisieren. Wir möchten uns im Alter alle auf ein weiches Kissen setzen, aber dafür muss man auch was tun – einzahlen, aber auch das System kennen, optimieren und zu dessen Zukunftsfähigkeit beitragen.
Herr Hegglin, als ehemaliger Zuger Finanzdirektor haben Sie bestimmt einen goldenen Fallschirm …?
Nein, dieses Privileg geniessen die Zuger Regierungsräte nicht. Ich habe in jungen Jahren ins eigene Unternehmen investiert. Das ist auch eine Art der Vorsorge. Als Landwirt war ich bereits in einer Pensionskasse. Diese Möglichkeit gibt es in praktisch jeder Branche. Eigentlich wären die Vorsorgesysteme gar nicht so schwierig. Die Leute müssten nur ihre Versicherungspolice lesen. Aber Sie haben es richtig gesagt: Viele interessieren sich nicht dafür. Ich war in der kantonalen Pensionskasse versichert – mit dem Ausstieg aus der Regierung musste ich austreten und mein Kapital beziehen und in eine Freizügigkeitsstiftung überführen. Wichtig ist vor allem: Man sollte das Geld nicht liegen lassen. Wie Frau Arman schon erwähnt hat, bieten die Finanzmärkte gute Möglichkeiten.
Für Frauen ist die Vorsorge eine besondere Herausforderung: Wegen Mutterschaft und Teilzeitarbeit drohen grössere Vorsorgelücken.
Bauer: Ja, das sind dominante gesellschaftliche Themen, die sich vor allem in der Pensionskasse bemerkbar machen. Frauen erhalten rund 40 Prozent weniger Pensionskassenrente und haben circa 25 Prozent weniger Kapital in der dritten Säule angespart.
Gasser: Dabei leben Frauen in der Schweiz im Durchschnitt vier Jahre länger als Männer. Das Vorsorgesystem basiert auf einem alten Prinzip – als der Mann sozusagen noch die Altersvorsorge war. Zudem leben wir jetzt auch viel länger ab dem Zeitpunkt der Pensionierung, und zwar 22 Jahre. Es ist wichtig, dass sich das Vorsorgesystem den aktuellen Bedingungen anpasst. Im gegenwärtigen Vorsorgesystem muss man wissen, was die Konsequenzen einer Auszeit sind. Die UBS hat eine sehr informative Homepage für Frauen zu Finanzierungsfragen: www.ubs.com/womenswealth.
«Mit 55 kann man noch aufbauen, aber früher wäre eindeutig besser»
Peter Hegglin
Was raten Sie beispielsweise einer Frau, die 55 Jahre alt ist und mehrere Lücken in der Vorsorge aufweist?
Gasser: Ich würde ihr sagen, dass es noch nicht zu spät ist. Es können immer noch Einzahlungen getätigt werden, welche auch von den Steuern abgezogen werden können. Jeder bezahlte Franken hilft für die Pensionierung.
Bauer: Es ist nie zu früh – aber auch nie zu spät. Vor allem ist aber wichtig, wie das Einkommen und der Lebensstil übereinstimmen, heute und morgen. Es ist ein emotionales Thema, und oft hilft die Sicht eines Experten – bei UBS ist die Pensionierungsberatung ein grosses Thema. Viele Leute halten viel Cash. Doch diese Sicherheit ist trügerisch. Eher sollte man die Möglichkeiten der Finanzmärkte nutzen. Alles auf dem Sparkonto zu haben, würde ich höchstens meiner 85-jährigen Grossmutter raten. Die Finanzmärkte sind zwar mit Risiken behaftet, aber auch Bargeld birgt Risiken.
Hegglin: Ich bin auch recht risikofreudig – und damit gut gefahren. Mit 55 kann man noch immer aufbauen, aber früher wäre besser. Deshalb ist es wichtig, möglichst früh mit der Vorsorge zu beginnen. In die ganzen Überlegungen muss man auch den gesellschaftlichen Wandel einbeziehen. Etwa beim BVG. Darin müssen Teilzeitpensen stärker gewichtet werden. Bei den jetzigen Regelungen fallen viele Frauen zwischen Stuhl und Bank.
Wie läuft die AHV-Revision?
Hegglin: Seit 1997 haben wir keine AHV- Revision mehr durchgebracht. Die aktuelle Reform ist schon zweimal im Ständerat gewesen und geht nun wieder in den Nationalrat. Ich bin der Meinung, dass man Mann und Frau gleichstellen sollte. Wenn man das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 erhöht, spart die AHV zehn Milliarden Franken.
Arman: Ich bin ebenfalls klar für die Gleichstellung – in jeder Beziehung. Und das betrifft auch das Rentenalter.
Gasser: Und mit 65 dürfte nicht Schluss sein. Wenn man die Situation in der Schweiz anschaut, scheint eine Erhöhung des Rentenalters fast unumgänglich.
Bauer: Absolut. Schauen wir nur nach Italien oder Deutschland. Dort wird das Rentenalter auf 67 Jahre erhöht.
Hegglin: Eine Erhöhung würde auch das Verhältnis von AHV-Bezügern zu den Erwerbstätigen entschärfen.
Bauer: Das Rentenalter für Frauen war in der Schweiz einst bei 65. Ich finde es schade, dass Arbeiten in den Medien so negativ dargestellt wird. Man sollte bedenken, dass eine Beschäftigung wichtig ist für ein gesundes Altern von Körper und Geist. Klar ist, dass nicht jeder gleich lange arbeiten kann – bei der nächsten Reformdiskussion sollten wir flexibler werden.
Wagen wir zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft. Wie wird die Altersvorsorge dereinst bei unseren Kindern aussehen?
Arman: Ich habe für meinen künftigen Nachwuchs schon ein Krypto-Portfolio angelegt. Ich bin der Meinung, dass die Pensionskassen ebenfalls in Kryptowährungen anlegen sollten. Grundsätzlich denke ich, dass man weiter diversifizieren muss.
Gasser: Ich habe ein Fondskonto für meine Kinder eröffnet mit Fokus Nachhaltigkeit. Ich gehe davon aus, dass sie dereinst länger arbeiten müssen als bis 65. Sie dürfen sich vor allem nicht auf die Eltern verlassen und müssen selber die Vorsorge aktiv angehen.
Bauer: Die drei Säulen wird es weiterhin geben. Ich kann mir vorstellen, dass die AHV bedarfsabhängig organisiert wird. Ich würde mir wünschen, dass die Pensionskassen individueller gestaltet werden und moderne Lebensstile stärker berücksichtigen.
Hegglin: Es wird in der Schweiz immer eine Vorsorgeversicherung geben – da bin ich mir absolut sicher. Die AHV hat schon viele Krisen überstanden. Auch das BVG wird sich weiterentwickeln. Meine vier Kinder sind unterschied-lich unterwegs. Meine Töchter stehen voll im Berufsleben und sorgen vor, mein Sohn dagegen ist auf einer längeren Weltreise – aber auch das ist eine Art Vorsorge. Ich war in meiner Jugend anders programmiert – wir mussten damals sparen. Nur 80 Prozent zu arbeiten, war kein Thema. Mein Credo tönt vielleicht etwas antiquiert, aber ich halte daran fest: Spare in der Zeit, so hast du in der Not.
Im Rahmen des SI-Stammtisches beleuchtet der Ende August frisch aufgelegte UBS-Wettbewerbsindikator jeden Kanton. Heute: Zug.
Der Kanton Zug verfügt über ein hervorragendes langfristiges Wachstumspotenzial. Die schweizweit tiefsten Steuersätze für Unternehmen als auch für natürliche Personen üben eine starke Anziehung auf (ausländische) Firmen und qualifizierte Arbeitskräfte aus. Das spiegelt sich in der insgesamt grössten Innovationskraft und im höchsten Humankapital aller Kantone. Zudem zeichnet Zug eine vergleichsweise junge und stark wachsende Erwerbsbevölkerung aus. Der schnelle Zugang zur Infrastruktur der beiden Urbanregionen Zürich und Luzern ist ein weiterer Pluspunkt. Da-durch wird das Zuger Einzugsgebiet wesentlich erweitert und somit auch das Arbeitskräftepotenzial.
Hohe Steuereinnahmen ermöglichen Zug eine tiefe Verschuldung und dadurch eine insgesamt flexible Finanzpolitik. Beim Verwaltungsaufwand allerdings schneidet der Vorzeigekanton unterdurchschnittlich ab. Tiefe Steuern und Zentrumsnähe haben aber auch eine Kehrseite der Medaille: Das Lohnniveau und die Büromieten gehören zu den landesweit höchsten.
Die Ökonomen Katharina Hofer und Claudio Saputelli sind die Autoren des UBS-Wettbewerbsindikators.