Zäh, diszipliniert, belastbar: Diese Eigenschaften machen Läufer aus. Daniel Koch, 64, Leiter Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit BAG, ist einer von ihnen. Ob Halbmarathon am Aletschgletscher, Jungfraumarathon in Interlaken oder Switzerland Marathon light in Sarnen – er hat sie in den letzten Jahren alle absolviert und lief in der Kategorie «Männer 60» auch schon unter die Top 4. «Ich ziehe kürzere Strecken vor. Beim Marathon leide ich», sagt er.
Ausdauer braucht Koch zurzeit im Job. Der Berner Arzt ist die wichtigste Schweizer Stimme im Kampf gegen das Coronavirus. Fast täglich spricht er via Nachrichten zu uns in die Stube. Klärt uns über die aktuellen Fälle mit Infizierten auf, betont, wie wichtig die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen sind, nimmt zu jeder noch so harten Kritik der Journalisten Stellung.
«Koch ist mit seiner ruhigen, sachlichen Art ein Glücksfall für die Schweiz», lobt Ruth Humbel, Präsidentin der nationalrätlichen Gesundheitskommission. Felix Gutzwiller, alt FDP-Ständerat und Präventivmediziner, der Koch schon lange kennt, sagt: «Er ist nicht nur ein guter Fachmann, sondern auch ein civil servant der alten Schule.» Einer, der sich voll und ganz fürs Land einsetze, ohne sich in den Vordergrund zu stellen.
Dennoch: Bei den Spaziergängen mit seinen Hunden Akira, Chili und Buntschi an seinem Wohnort in Köniz BE spürt Koch, dass er längst kein unbekanntes Gesicht mehr ist. «Wenn mich die Menschen auf der Strasse ansprechen und mir Danke sagen, macht mir das manchmal Mühe.» Er erledige doch nur seinen Job. Seine Rolle sehe er darin, die Öffentlichkeit vor Infektionen zu schützen und zwischen den verschiedenen Playern wie Politikern, Gesundheitsvertretern und dem Volk zu kommunizieren. «Mein Wunsch, prominent zu sein, stand nie weit oben auf meiner Prioritätenliste», sagt er schmunzelnd.
Koch sei das Gegenteil von eitel, hebt sein ehemaliger Chef und Direktor beim BAG, Thomas Zeltner, 72, hervor. «Daniel Koch hat eine bescheidene Persönlichkeit.» Er fühle sich vor allem den wissenschaftlichen Fakten verpflichtet. «Er ist sehr zuverlässig, kann zu einem gewissem Grad aber auch stur sein. Dann brauchts gute Argumente, um ihn zu überzeugen.» Dabei bleibe er stets authentisch.
Seit 18 Jahren arbeitet Koch fürs BAG, zuerst als Impf-Leiter, dann als Mitglied der Taskforce für die Sars-Krise, die Vogelgrippe und die Pandemievorbereitung. Zuvor war er 14 Jahre als Arzt fürs Internationale Komitee vom Roten Kreuz IKRK unterwegs, erlebte den Bürgerkrieg in Sierra Leone, wo Kindersoldaten Hände abgehackt wurden, behandelte in Uganda Opfer von Gräueltaten. «Diese Arbeit hat ihn geprägt», sagt Zeltner. Nicht nur im Aushalten von Situationen, sondern auch in der Einstellung, dass wir in Europa wahnsinnig privilegiert sind.
«Die Hunde sind meine Lebensretter. Sie zwingen mich, regelmässig rauszugehen»
Daniel Koch
Dies zeigt sich, wenn man Koch auf die Aussage des französischen Staatschefs Emmanuel Macron anspricht, der sagt, die Welt befinde sich seit Corona im Krieg. «Der Stressfaktor ist vielleicht ähnlich hoch. Und die Tatsache, dass wir immer wieder überrascht werden von Ereignissen. Aber zum Glück sind wir von kriegsähnlichen Zuständen weit entfernt.»
Als Krisenmanager helfe ihm neben den Erfahrungen aus seiner Vergangenheit der Canicross-Sport. «Da brauchts eben auch Teamwork.» Im Gegensatz zum Marathon läuft man bei Canicross meist kürzere Distanzen von fünf Kilometern, und das nicht alleine, sondern mit seinem Hund. Das Team ist über eine elastische Leine miteinander verbunden. In seiner Kategorie, den Veteranen, gewinnt Koch letztes Jahr in Belgien die Europameisterschaft, vor zwei Jahren war er in Polen gar Vizeweltmeister. «Die Hunde sind meine Lebensretter», sagt Koch. «Sie zwingen mich, auch in diesen turbulenten Zeiten regelmässig rauszugehen.» Mit Buntschi, dem Jüngsten, trainiert er einmal pro Woche für Rennen. Wie wichtig ihm die Hunde sind, zeigt sein Tablet-Hintergrundbild: Dort blickt ihn Buntschi an.
Obwohl Koch zurzeit sieben Tage die Woche im Einsatz ist, kommt er zu genügend Schlaf. «Es ist lustig, dass mich das Leute immer fragen.» Ausser vor Sitzungen mit Departementsvorsteher Alain Berset seien es meist sieben Stunden. Abends telefoniert er mit seinen beiden erwachsenen Töchtern. Seit drei Monaten ist Koch Grossvater eines Buben, doch sehen kann er den Kleinen zurzeit nicht. «Wir halten uns an die Distanzregeln, telefonieren aber regelmässig miteinander.» Corona sei natürlich auch in der Familie ein Thema. «Ich gebe Ratschläge, wo ich kann.»
Der Experte geht davon aus, dass die grosse Corona-Welle bis Ende Mai durch ist. Zu diesem Zeitpunkt sollte Koch, der am 13. April 65 wird, eigentlich seinen Ruhestand geniessen. «Ich werfe den Bettel sicher nicht hin, nur weil ich das Pensionsalter erreicht habe. Ich bleibe, solange es mich braucht.»