SI online: Im Titel des neuen Stromberg-Films heisst es «Wieder alles wie immer» – ist der Name Programm?
Christoph Maria Herbst: In der Hinsicht ist der Titel etwas irreführend. Es wird kein Retrogedusel, bei dem wir uns gegenseitig auf die Schulter klopfen und uns freuen, was wir damals alles gemacht haben. Alles ist neu: Der Film spielt 2025. Und es war eine Herausforderung, Stromberg in die heutige Zeit zu verfrachten, ohne die Menschen komplett zu verschrecken.
Kein Wunder: Stromberg ist sexistisch, rassistisch, in jeder Hinsicht politisch inkorrekt. Ist es denn überhaupt möglich, dass er in der heutigen Arbeitswelt zurechtkommt?
Nö. Und schon sind wir mitten in der Komödie. Oder sollte ich sagen, in der Tragikomödie.
Liegt in dieser Spannung zwischen Strombergs grenzüberschreitendem Auftreten und den heutigen gesellschaftlichen Standards also der Reiz des neuen Films?
Wenn du Stromberg heutig erzählen willst, kommst du an der gesellschaftlichen Situation nicht vorbei. Dem wollten wir uns auch nicht verschliessen. Aber mit Stromberg ging es uns nie um Provokation, sondern darum, seine Einsamkeit zu erzählen. Er ist ein fleischgewordener Schrei nach Liebe. Mein Gott, seine Untergebenen im Grossraumbüro nennt er seine Kinder. Sich selbst nennt er den Papa. Und sonst ist da nichts in seinem Leben. Das ist schon ein tragischer Vorgang, und dann nennen wir das Comedy.
Welchen Rat hätten Sie für ihn?
Wer bin ich, Stromberg einen Tipp zu geben? Der ist komplett tippresistent, das kann man ehrlicherweise vergessen.
Dieser unbelehrbare Stromberg hat seit vielen Jahren eine treue Fangemeinde – und die wächst bis heute stetig.
Ich finde es toll, dass im Lauf der Jahre immer mehr Frauen hinzugekommen sind. Am Anfang war das noch eine totale Männerdomäne. Aber es ist auch noch eine ganze Generation an Stromberg-Fans nachgewachsen. Da hat uns natürlich die Pandemie in die Karten gespielt, als die jungen Leute zu Hause sassen und ihnen die Decke auf den Kopf fiel. Die haben dann auf Streamingdiensten unsere Serie gefunden und gebinget («bingen» meint umgangssprachlich das Anschauen übermässig vieler Folgen am Stück, Anm. d. R.).
Was meinen Sie, warum Stromberg auch bei denen so gut funktioniert?
Ich glaube, dass sich die Gen Z gut am Stromberg abarbeiten kann. Die finden das alles ganz grauenhaft, was sie bei diesen alten weissen Männern im Grossraumbüro sehen. Insofern ist die Serie auch ein bisschen ein Sinnbild für unsere Welt – die Figuren, die denken, sie haben das Sagen … das sind in unserer Welt genau die, die Staaten lenken, die spalten, die autoritär auftreten. Das macht Stromberg leider aktueller denn je. Aber das klingt jetzt so wahnsinnig verkopft. In erster Linie wollen wir ja unterhalten. Und der anhaltende Erfolg zeigt uns, dass uns hier anscheinend zeitloser Humor gelungen ist. Aber bei Stromberg schwingt eben immer noch ein bisschen was anderes mit, und das gefällt mir so. Es ist intelligenter Humor, und da bin ich gerne zu Hause.

Herbst spielt die Kultfigur Stromberg seit 2004.
Pro Sieben/Willi WeberSind Sie also froh, weiterhin so eng mit der Figur Stromberg assoziiert zu werden?
Das nehme ich dankbar in Kauf. Bei einer so markanten Figur bleibt das nicht aus. Ich bin aber stolz darauf, dass ich nicht in die Falle getappt bin, einen zynischen Bürotrottel nach dem anderen zu spielen. Oder weiterhin jedes Jahr eine neue Staffel «Stromberg» auf den Markt zu hauen. Dann sässe ich jetzt hier in einer weissen Jacke mit auf den Rücken gebundenen Armen. Ich wäre nicht mehr ich selbst. Das hatte etwas mit innerer Hygiene zu tun, dem Stromberg irgendwann mal Ade zu sagen. Aber umso mehr heisse ich ihn jetzt auf voller Augenhöhe wieder in meinem Leben willkommen.
Bestimmt haben Sie ein Ritual, das Ihnen hilft, immer wieder in die Rolle zurückzufinden.
Ich habe da ein bestimmtes Parfüm, das ich bei den «Stromberg»-Dreharbeiten trage. Ein uraltes Eau de Toilette aus den 80er-Jahren. Stromberg ist ja wirklich eine merkwürdig in der Zeit stehengebliebene Figur. Und der Geruch verbindet mich mit der damaligen Zeit – die ich ja auch erlebt habe.
Hätten Sie denn erwartet, dass es einen zweiten «Stromberg»-Film geben wird, für den Sie wieder in die Rolle schlüpfen können?
Nein, eigentlich war es für uns mit fünf tollen Staffeln und dem ersten Film beendet. Und ich hatte auch mal Lust, was anderes zu machen. Aber irgendwann kam [der Drehbuchautor, Anm. d. Red.] Ralf Husmann zu mir, er hatte eine Idee, er hatte Bock – und mit den anderen aus dem Cast mussten wir gar nicht lange herumtelefonieren. Die erinnerten sich gemeinsam mit mir daran, dass unsere Stromberg-Zeit die beste unseres Lebens war. Und daran nicht anzuknüpfen, wäre purer Masochismus gewesen.
Was hoffen Sie, wie das Publikum auf den neuen Film reagieren wird?
Der Erwartungsdruck ist natürlich irrsinnig. Aber wir haben ein tolles Drehbuch und die alten, bewährten Leute am Start – allzu viel konnte nicht schiefgehen. Wenn das Publikum mit einem Lächeln auf den Lippen und ein bisschen nachdenklich aus dem Kino geht, haben wir unser Ziel erreicht.
«Stromberg – Wieder alles wie immer» kommt am 4. Dezember in die Schweizer Kinos. Es ist der Nachfolger von «Stromberg – Der Film» (2014).
