«Cate the Great» wird sie genannt – denn es gibt wohl nichts, was Cate Blanchett (56) nicht spielen kann. Jetzt glänzt die australische Ausnahmeschauspielerin in der Polit-Satire «Tanz der Titanen» als Gastgeberin eines G7-Gipfels und liefert mit der Figur der fiktiven deutschen Kanzlerin Hilda Ortmann eine amüsante Karikatur der deutschen Altkanzlerin ab. Im Interview in Cannes rechnet sie mit der Weltpolitik ab.
Cate Blanchett, Sie zeigen die wohl eleganteste Version von Angela Merkel, die man je zu Gesicht bekommen hat …
(Lacht.) Meine Kanzlerin war gar nicht mal eindeutig an Angela Merkel angelehnt …
Na, kommen Sie! Schon die Kleidung – schwarze Hose, rote Kurzjacke – war ja wohl eindeutig merkelesk.
Der Hosenanzug mit unifarbenem Blazer ist ja eine Art Uniform bei Politikerinnen – schlicht, aber nicht unauffällig.
Für mich war Ihre Performance eindeutig. Man wartete nur auf die berühmteste Geste. (Mangels des englischen Wortes «Merkel-Raute» mache ich sie mit der Hand vor.)
Ah, Sie meinen die Vagina?
Vagina? Wieso Vagina?
Wieso? Die Raute ist doch das internationale Symbol für Vagina! Und für weibliche Führungspersonen.
Das ist ja eine ganz neue Interpretation, von der Frau Merkel sicher nichts wusste. Sie sind zweifache Oscar-Gewinnerin, wieso spielen Sie in diesem absurden Film-Jux mit, in dem sich Politiker wie unreife Teenies benehmen?
Mein Ja stand irgendwie fest – noch vor dem Anruf. Das ist ein bisschen wie bei einem ersten Date: Man weiss schon vorher, ob man miteinander Sex haben wird oder nicht. Ist doch so! (Lacht.) Erst danach las ich das Drehbuch. Es war aufregend, etwas wirklich anderes. Ausserdem wurde ich noch nie von drei Regisseuren gleichzeitig inszeniert, neben Guy Maddin standen auch Evan und Galen Johnson hinter der Kamera.
War dieser Dreier überzeugend?
Ja, er hat sich als Regie-Triumvirat entpuppt. Es war so, als würden die Lenker der G7-Staaten zusammen mal was Neues, Spannendes ausprobieren und abfahren auf … Sorry, ich werde zu metaphorisch.
«Tanz der Titanen» ist eine irre Polit-Horror-Science-Fiction-Kommödie und nimmt hochrangige Politiker aufs Korn.
AlamyWo sehen Sie die Verbindung zwischen Zombie-Apokalypse und G7-Gipfel?
So ein Gipfel ist doch eine weisse Leinwand: Man sieht davon immer nur freundliche Leute, die sich begrüssen, manchmal sogar mit ihren Ehepartnern, alle lächelnd, selbst wenn sie sich gleich den Krieg erklären werden. Im Film sind es Narren, die versuchen, die Welt zu verstehen und etwas Bedeutsames zu Papier zu bringen, was sie als grossen Verdienst verkaufen können. Ich musste beim Lesen dieser Ideen oft kichern und nach Luft schnappen, auch wenn ich leicht entsetzt war.
Der US-Präsident ist im Film nicht interessiert, oft geistig abwesend. Ist das ein Gag, der auf Biden und Trump abzielt – oder ein Eingeständnis an die Realität?
Man hat oft das Gefühl, man verliert den Verstand, wenn man versucht, sich einen Reim auf das zu machen, was gerade passiert. Denn es ist völlig unverständlich und absurd, in welche Situationen wir als Spezies geraten sind. Oder in die wir uns freiwillig begeben haben.
Mit welchem Politiker würden Sie gern mal einen Abend verbringen und über Gott und die Welt sprechen?
Mit Winston Churchill. Die jüngste Vergangenheit hat vieles relevant gemacht, über das ich mich gern mal mit ihm austauschen würde. Es heisst ja: Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben. Vieles, was Churchill getan hat, gerade in der Kolonialpolitik Grossbritanniens, war unglaublich toll. Aber es gibt auch eine Kehrseite, gerade im Zweiten Weltkrieg, wo er Schreckliches zu verantworten hatte, als er die Résistance in Frankreich stärken wollte und dafür eigene Agenten «verheizte». Er ist für mich widersprüchlich, komplex, streitbar. Daher würde ich gern mal persönlich mit ihm reden.
Warum interessiert Sie die Zeit um den Zweiten Weltkrieg?
Jemand hat mal gesagt: Der Zweite Weltkrieg war der Tod der Ehre. Das stimmt, denn es war das letzte Mal, dass alle Nationen beschlossen, gemeinsam zu handeln. Dann wurde die Atombombe abgeworfen. Das war wohl der Zeitpunkt, wo die Ehre aufgegeben wurde. Oder wo die Ehre selbst kapitulierte.
Ist es schwierig, im Kontext der Politik komisch zu sein?
Wenn man Filmmaterial von Politgipfeln studiert – was ich tat –, wirkt das seltsam und fremd. Die Politiker machen den Anschein, als seien sie von ihrem Körper abgekoppelt. Bei ihren öffentlichen Reden sieht man ja schon eine Reihe Gesten, die nicht entfernt natürlich sind. Sie betreiben «fotografisches Zuhören»: Sie nicken bedächtig und tun für die Fotos so, als lauschten sie gebannt. Das ist eine echte Performance!
Blanchett und der australische Drehbuchautor Andrew Upton sind seit 28 Jahren verheiratet und haben vier Kinder.
Wo gerät Politik an ihre Grenzen?
Na, es hat doch schon etwas Absurdes, dass eine ausgewählte Gruppe von Ländern über das Schicksal der Welt entscheidet. Die Situation ist katastrophal: die Herausforderungen des menschgemachten Klimawandels, das Zusammentreffen mit künstlicher Intelligenz, die systemische Ungleichheit, steuerlich und sozial – das ist einfach ein grosses, verworrenes Chaos. Da fühlt man sich abgekoppelt und entmachtet. Nur wenn man mal zusammen lacht, kann man das irgendwie ausgleichen. Oder aushalten.
Was beunruhigt Sie am meisten am Status quo der Welt?
Ich störe mich daran, dass es bei vielen Themen viel zu wenig Einigkeit gibt. Wenn es um etwas Faktisches wie den Klimawandel geht, benutzen die Leute noch immer das Wort «glauben» – als sei es keine Tatsache! Es gibt zu viele Krisen, die passieren, während wir uns immer noch mit der Debatte abmühen, ob diese Probleme real sind oder nicht. Ich habe das Gefühl, dass wir am Abgrund einer abstrakten Realität stehen, die der Film beschreibt. Wir haben uns von Sachverhalten abgewandt, die gelöst werden könnten. Stattdessen fliegen wir lieber zum Mars und beschäftigen uns mit fahrerlosen Autos. Warum vergeuden wir unsere Zeit und Energie mit diesem Scheiss, frage ich mich, wenn uns unser Planet bald um die Ohren fliegt?
Sie bringen Ihre Überzeugungen mit Ihrer Arbeit in Einklang, sind Goodwill-Botschafterin des Uno-Flüchtlingshilfwerks UNHCR. Was hält Sie davon ab, in die Politik zu gehen?
Ich glaube, dass viele, die das Politgeschäft scheuen, wirklich kluge Menschen mit hörenswerten Meinungen sind. Denn als Politiker wird man auch mit seltsamem Verhalten konfrontiert. Da beantwortet man brav die Fragen in Interviews, und dann heisst es im Artikel: «protestierte sie entschieden», «behauptete sie», «bestand sie drauf» – und plötzlich hat das Gesagte einen ganz anderen Ton als «die Frage wurde höflich gestellt und höflich beantwortet». Da werden Ausrufezeichen hinter eine Aussage gesetzt, und so mutiert eine beiläufige Bemerkung, die vielleicht mit einem schiefen Lächeln gesagt wurde, zu einer politischen Doktrin.
Sie haben mit Ihrem Mann ab 2008 sieben Jahre lang die Sydney Theatre Company als Künstlerische Leiter geführt. Wie gehen Sie mit Macht um?
Es ist etwas anderes, ein Theaterensemble zu führen als ein Land. Aber dann auch wieder nicht: Man trägt Verantwortung. Wir hatten immerhin 250 Mitarbeiter, wir hatten ein sehr grosses Publikum und einen hohen Umsatz, für den man auch steuerlich verantwortlich ist. Das ist schon ein grosses Gewicht, das auf einem lastet. Eine Erkenntnis lautet: In einer Machtposition kann man sehr einsam sein.