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Neuer Film mit Partner und Sohn

Charlotte Gainsbourg: «So rettete ich meine Familie»

Sie hatte den Boden unter ihren Füssen verloren. Deshalb kehrt Charlotte Gainsbourg vor sechs Jahren ihrer Heimat Paris den Rücken und zieht nach New York. Diesen Schritt hat sie nie bereut.

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Charlotte Gainsbourg und Yvan Attal  ACHTUNG: Einmaliger Gebrauch!!!

Alte Liebe: Charlotte Gainsbourg und Yvan Attal sind seit 28 Jahren ein Paar. «Sie ist meine beste Inspirationsquelle», schwärmt der Filmregisseur.

Stefano Galuzzi für Vanity Fair

Früher wirkte Charlotte Gainsbourg, 48, oft schüchtern. Seit ihrem Umzug von Paris nach New York hat sie sich gewandelt. Nach dem Tod ihrer Schwester 2013 geht die Schauspielerin von Frankreich in die USA. Das Zaghafte hat sie dort abgelegt. Die Tochter des legendären französischen Chansonniers Serge Gainsbourg und der berühmten Schauspielerin Jane Birkin weilt für einige Tage in ihrer Heimat.

In einer Pariser Palastwohnung spricht sie bei einem Tee über «Mon chien Stupide». Im neuen Film führt ihr Lebenspartner, der Vater ihrer drei Kinder, Yvan Attal, 54, nicht nur Regie, sondern sie spielen auch Seite an Seite. In der Geschichte geht es um einen erfolglosen Autor, der wegen Problemen mit seinen vier Kindern und einer kriselnden Beziehung kurz vor dem Nervenzusammenbruch steht. Im Interview erzählt Gainsbourg von ihrer eigenen Familie und von der Kluft zwischen den Generationen – auch zu ihrem ältesten Sohn Ben. Der spielt im Film ebenfalls mit.

 

Charlotte Gainsbourg und Yvan Attal  ACHTUNG: Einmaliger Gebrauch!!!

Dramatisch & komödiantisch: Der Film «Mon chien Stupide» läuft ab Mitte November in den Kinos an.

Stefano Galuzzi für Vanity Fair

Charlotte Gainsbourg, hätten Sie in «Mon chien Stupide» auch ohne Ihren Partner Yvan Attal mitgespielt?
Ja, mich überzeugte das Drehbuch und die Romanvorlage von John Fante. Darin steckt viel Zärtlichkeit. Das spürte ich erst, als ich den Film anschaute. Während des Drehs war mir das nicht aufgefallen. Yvans Charakter im Film ist so anrührend. Wir sehen auf der Leinwand unsere 28 gemeinsam verbrachten Jahre – das ist bewegend. Und dann ist da noch Ben, unser ältester Sohn. Er ist 22. Ich verstehe jetzt, dass er Schauspieler werden wollte, sich aber nicht getraute, es uns zu sagen.

Ihr Sohn hat einen Abschluss von Frankreichs renommiertester Gastronomieschule Ferrandi. 
Kochen ist Bens Leidenschaft. Er war lange auf der Suche nach sich selbst und ist es immer noch. Es war nicht immer einfach mit ihm, er war teilweise rebellisch. Als Sechsjähriger spielte er schon bei «Ils se marièrent et eurent beaucoup d’enfants» von Yvan mit. Vor zwei Jahren integrierte ich ihn in mein Musikvideo zum Song «Ring-A-Ring O’Roses».

Im Film sind seine Arme mit Tattoos übersät, und er raucht Joints. Ein Déjà-vu für Sie? 
(Lächelnd.) Im wahren Leben hat er es uns von allen Seiten gezeigt. Er rauchte Joints und lebte exzessiv. Er liess sich auch tätowieren, aber auf der Leinwand sind nicht seine Tattoos zu sehen.

Er ist ein talentierter Schauspieler. 
Das wissen wir, seit er ganz klein ist. Dieser Beruf ist eine Glückssache. (Sie kreuzt die Finger und klopft auf Holz.) Ich will ihm nicht Unglück bringen. Ben war schon immer dazu berufen, nur entdeckt er es erst heute. Dabei erkenne ich mich selbst in ihm wieder. Es war unglaublich für mich, mit der Schauspielerei so jung zu beginnen; damals war ich gerade zwölf. Mir war das nicht bewusst. Ich hatte einfach Spass, wurde von Filmfamilien adoptiert, entschied mich nicht bewusst, Schauspielerin zu werden.

Wann machte es bei Ihnen klick? 
Mit 19. Nach der Matura besuchte ich eine Zeichenschule. Als man mich fragte: «Was ist Ihr Beruf?», sagte ich: «Ich wäre gerne Schauspielerin.»

Charlotte Gainsbourg und Yvan Attal  ACHTUNG: Einmaliger Gebrauch!!!

Verliebt: Nicht nur privat sind Gainsbourg und Attal ein Paar. Die Schauspielerin und der Regisseur stehen auch gemeinsam vor der Kamera.

Stefano Galuzzi für Vanity Fair

Der Film «L’effrontée», in dem Sie 1985 als 14-Jährige zu sehen waren, wühlte eine ganze Generation auf. 
Ich zeigte den Film vor Kurzem unseren Töchtern Alice, 17, und Joe, 8. Ich wollte vor ihnen etwas angeben, fand mich dann selbst aber ziemlich schrecklich!

Die persönliche Lovestory von Gainsbourg und Attal nimmt 1991 ihren Lauf. Charlotte und Yvan begegnen sich zufällig an einem Casting. Erst kurz zuvor ist ihr Vater Serge Gainsbourg gestorben. Die 20-Jährige ist
deshalb am Boden zerstört. Der legendäre Chansonnier war nicht nur für eine ganze Generation, sondern auch für seine Tochter eine Ikone. «Als ich Charlotte das erste Mal sah, war ich hin und weg», gesteht Attal.

Früher sprachen Sie oft leise mit fast unhörbarer Stimme. Waren Sie schüchtern? 
Als 13-Jährige verbrachte ich ein Jahr im Waadtländer Internat Beau Soleil in Villars-sur-Ollon, einer Schule für Kinder reicher Eltern. Den Entscheid, dorthin zu gehen, traf ich selbst. Ich hatte gerade «Paroles et Musique» mit Élie Chouraqui gedreht (erschien 1984, wie auch das Lied «Lemon Incest» mit ihrem Vater, das hohe Wellen schlug). Ich wollte mich von Paris und meiner Familie entfernen, weit weg von allem sein. Mein Vater war zwar traurig, aber einverstanden. Komisch, als Kind seine Familie verlassen zu wollen.

Woran erinnern Sie sich sonst? 
An ein Jahr voller Unabhängigkeit. Ich verliebte mich in einen älteren Jungen, entdeckte unter anderem das Skifahren. Da war ich gar nicht mal so schlecht. Weil ich übers Wochenende nicht nach Paris fuhr, bot mir Élie Chouraqui, der in der Schweiz lebte, an, zu ihm zu kommen. Eines Tages schaute Claude Miller vorbei und schlug mir vor, bei «L’effrontée» mitzuspielen. Von da an drehte ich einen Film nach dem anderen.

Ihr aktueller, «Mon chien Stupide», spricht das Thema der Konfrontation unter Kindern und Eltern an. Waren Sie rebellisch? 
Ich erinnere mich an eine idyllische Kindheit. Meine vier Jahre ältere Schwester Kate sagte immer, ich würde die Wahrheit beschönigen. Laut ihr gingen wir uns auf die Nerven. Meine Jugendzeit war schwieriger. Ich mochte mich äusserlich nicht, hatte Komplexe und war sehr schüchtern. Ich fühlte mich nicht wohl. So kam mir auch die Idee, in ein Internat zu gehen.

Gabs daheim viele Verbote? 
Mit den Eltern besuchten wir oft ein Restaurant, durften aber nicht auswählen, was wir essen wollten. Es war verboten, am Tisch zu sprechen, und wir mussten die Hände auf den Tisch legen. Was Manieren betrifft, war unser Vater streng und kompromisslos. Im Gegensatz zu seiner Sprache, die direkt und provokativ war. Das Restaurant war übrigens ein Albtraum. Manchmal durften Kate und ich auf der Toilette spielen. Das war unser Freiheitsmoment.

In diesem Film sehen Sie teilweise Ihrer Mutter sehr ähnlich.  
Das berührt mich jetzt, da ich ihr äusserlich gar nicht gleiche. Deshalb hatte ich früher grosse Komplexe. Sie bekam drei Töchter von drei verschiedenen Männern. Und alle drei sehen wir aus wie unsere Väter. Das ist verrückt!

Charlotte Gainsbourg und Yvan Attal  ACHTUNG: Einmaliger Gebrauch!!!

Charlotte Gainsbourg und ihr Partner Yvan Attal begegneten sich 1991 an einem Casting zum ersten Mal. 

Stefano Galuzzi für Vanity Fair

Yvan integriert private Familienbilder in den Film. Wie ist das für Sie? 
Es löst einiges in mir aus. Yvan schlägt im Film einen sentimentalen, melancholischen Ton an. Es sind nostalgische Bilder. Dazu die Musik von Brad Mehldau – da reisst es mir fast das Herz heraus.

Lieder ihres Vaters Serge kann Charlotte Gainsbourg bis heute nicht anhören. «Sie schafft es nicht, die Stimme ist etwas so Lebendiges», sagt ihr Lebenspartner Attal. Seit sich Yvan und Charlotte erstmals begegneten, sind 28 Jahre vergangen. So lange sind sie nun schon ein Paar – und Eltern von drei Kindern. Für Yvan ist es als Regisseur der dritte Film, für den er mit seiner Charlotte zusammenarbeitet.

Madame Gainsbourg, ist der Film für Sie auch eine Paartherapie? 
Nein, ganz im Gegenteil. Am Set ist Yvan sehr streng, impulsiv und ungeduldig, was er im Nachhinein bereut. Mich stresst es, wenn man streng mit mir spricht.

Einige Szenen zwischen Yvan und Ihnen erscheinen sehr real. 
Das ist nur möglich, weil wir im wahren Leben zusammen sind. So realistische Szenen wie zum Beispiel die Trennung per Telefon berühren mich enorm. Darauf bin ich sehr stolz. Und bei der Szene mit dem Joint auf dem Sofa lachen wir beide uns fast weg …

Sie zogen 2013 nach New York. Was war eigentlich der Anlass? 
Nach dem Tod meiner Schwester war ich ins Schleudern geraten – trotz meiner Familie und der Tatsache, dass wir sehr verschweisst miteinander sind. Ich hatte wirklich vollkommen den Boden unter den Füssen verloren und erzwang diesen Aufbruch, um meine Familie zu retten. Ich wäre sonst verrückt geworden.

Übersetzung Pauline Broccard,
Bearbeitung René Haenig

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Von Didier Dana/L'Illustré am 5. November 2019 - 11:15 Uhr