Die Unangepasste mit Mission

Ob als dunkle Fee Maleficent, Auftragskillerin Mrs. Smith oder Videogame-Heldin Lara Croft in «Tomb Raider» – je krasser der Filmcharakter, desto überzeugender spielt ihn Angelina Jolie. Und immer ist sie dabei schaurig schön. Am 4. Juni feiert sie ihren 50. Geburtstag. «Ich freue mich sehr darauf, älter zu werden. Ich möchte eine erschöpfte ältere Frau sein, die ein sehr erfülltes Leben hat», sagte sie vor fast 20 Jahren. Ältere Frau? Numerisch vielleicht. Erschöpft? Keinesfalls. Jolie fasziniert seit Jahrzehnten, grad weil sie ein bisschen unheimlich ist, im Leben und auf der Leinwand.

Wem sonst stehen schwarze Hörner und giftig grüne Augen einer Maleficent dermassen gut. Ein «Bad Girl» sei sie, ein böses Mädchen, sagt sie selbst. Die kommen bekanntlich überall hin. In Jolies Fall bis ganz nach oben in Hollywood. Sie spielte in 67 Filmen und sechs Musikvideos. 18-mal war Jolie Produzentin, viermal schrieb sie das Drehbuch, und bei sieben führte sie Regie. Sie bekam drei Golden Globes, zwei Screen Actors Guild Awards und einen Oscar. Angelina Jolie wuchs in Los Angeles mit ihrem zwei Jahre älteren Bruder James Haven bei der Mutter auf, der franko-kanadischen Schauspielerin Marcheline Bertrand. Mit Vater Jon Voight (86) ist das Verhältnis schwierig. Der stramme Republikaner äussert sich immer wieder negativ, nannte seine Tochter, «psychisch instabil». 2002 liess sie das «Voight» im Familiennamen amtlich streichen.

Brillant und kontrovers

Jolie ist eine brillante Schauspielerin, aber eine kontroverse Figur. Einen Zacken zu schön, zu dünn, zu eigensinnig, zu radikal, zu engagiert. «Ich muss wenigstens versuchen, mein volles Potenzial auszuschöpfen», sagte sie in einem Interview, «auch wenn es bedeutet, Konventionen zu verletzen und auf Sicherheit zu verzichten.» Mit einem Urknall wird sie 2001 als Lara Croft in der Verfilmung des Videogames «Tomb Raider» weltberühmt. Fortan ist die Actionheldin mit dem grössten natürlichen Schmollmund omnipräsent. In der Schule wurde sie wegen ihres Aussehens gehänselt, als Teenager verletzte sie sich selbst.

Angelina, das «Engelchen», ist die Anti-Barbie. Ihre Hang zum Morbiden ist dokumentiert. So trug sie das Blut ihres Mannes Billy Bob Thornton in einem Flacon um den Hals. Später soll sie laut einer Angestellten das Blut ihrer Kinder in Glasbehältern aufbewahrt haben, wenn sich eines geschnitten hatte. 2002 erlebt ein anderer Hollywood-Star einen Urknall. Jennifer Aniston (56). Ihr Mann Brad Pitt (61) steht mit Angelina Jolie für «Mr. & Mrs. Smith» vor der Kamera. Es gibt reichlich Action – und eine neue Namenskombination: Brangelina. Nach neun Jahren Beziehung heiratet das «schönste Paar der Welt» 2014. Schön sei jemand, sagt Jolie, der Verstand und Empathie habe, nachdenklich und leidenschaftlich sei: «Das ist sexy, und das kann man weder anziehen noch ins Gesicht schmieren.» Zwei Jahre nach der Hochzeit kracht es. Aber erst 2024, nach acht Jahren zähem Rosenkrieg, ist die Scheidung offiziell.

Guter Mensch und gute Mutter

«Ich wäre untergegangen, wenn ich nicht für meine Kinder hätte leben wollen», sagte sie kürzlich. Sechs hat das Paar, drei leibliche und drei adoptierte. Sie sammle Kinder aus Eigennutz, wurde Jolie vorgeworfen. Jolie, nicht etwa Pitt. Ihr Konter: «Ich glaube, dass ich ein guter Mensch und eine gute Mutter bin. Aber das müssen meine Kinder beurteilen, nicht die Welt.» Für Schlagzeilen sorgt sie auch 2015, als sie sich Brüste und Eileiter entfernen lässt, um einer genetischen Prädisposition für Krebs zuvorzukommen. Selbst ihr humanitäres Engagement wird kritisch beäugt. 19 Prozent sagten 2014 in einer deutschen Umfrage, sie wolle sich nur beliebt machen und ihre Karriere fördern.

Elf Jahre stand Angelina Jolie im Dienst des Uno-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Als Dank bekam sie etliche Preise und die Staatsbürgerschaft von Kambodscha. Sarajevo, Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, ernannte sie zur Ehrenbürgerin, und Queen Elizabeth II. erhob sie in den Stand einer Honorary Dame Commander DCMG, «Ich tue mein Bestes, damit mein Leben nicht nur für mich einen Sinn hat, sondern auch für andere», erklärt Jolie.

Anfang Jahr kam ihr neuster Film in die Kinos, «Maria», über die legendäre Opernsängerin Maria Callas. Das brachte Jolie eine weitere Nominierung für den Golden Globe ein und eine achtminütige Standing Ovation am Filmfestival in Venedig. Jolie brach in Tränen aus. Die gruslige Fee Maleficent übrigens erweist sich schlussendlich als gar nicht abgrundtief böse, sondern als zutiefst verletzte Seele.