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Natascha Kampusch über ihren Alltag

«Mit Isolation und Einsamkeit bin ich gut vertraut»

Als 10-Jährige wurde Natascha Kampusch auf dem Schulweg entführt und lebte acht Jahre in Gefangenschaft. Vor 15 Jahren gelang es ihr, sich aus den Fängen ihres Entführers zu befreien. Nun spricht sie in einem Interview über ihr Leben in Freiheit, über die Isolation durch die Corona-Pandemie und erzählt, weshalb sie einmal im Monat zu ihrem früheren Gefängnis zurückkehrt.

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Natascha Kampusch

Vor 15 Jahren gelang Natascha Kampusch die Flucht vor ihrem Entführer. 

ullstein bild via Getty Images

Ihr Schicksal bewegte die Welt: Mit 18 Jahren gelang Natascha Kampusch, 33, nach acht Jahren Gefangenschaft die Flucht vor ihrem Entführer. Über das Erlebte hat die Österreicherin ein Buch mit dem Titel «3096 Tage» geschrieben, später erschienen «10 Jahre Freiheit» und «Cyberneider – Diskriminierung im Internet».

Nun, rund 15 Jahre nach ihrer Flucht, gibt Kampusch im Interview mit der «Kronen Zeitung» Einblick in ihren Alltag und erklärt, warum sie in der Vergangenheit nicht nur als Heldin gefeiert wurde, sondern auch mit Anfeindungen konfrontiert war. Kampusch meint, die üblen Kommentare habe sie einstecken müssen, «weil ich kein typisches Opfer bin, sondern mutig und eine eigene Meinung habe.»

Auf offener Strasse beschimpft

Immer wieder kritisiert wurde Kampuschs Gewicht. In ihrem Buch schildert sie dann auch eine Szene, in der sie auf offener Strasse als «Walross» betitelt wurde. Heute sagt sie dazu: «Es ist erstaunlich, wie wichtig dick oder dünn für die Menschen ist.»

Während ihrer Gefangenschaft sei Nahrungsentzug ein Machtmittel gewesen. Sie habe ständig Hunger gehabt und nur noch 38 Kilo gewogen. «Nach meiner Flucht war Essen Freiheit und Trost», erklärt sie. Erst durch das Übergewicht, das sie jetzt habe, erkenne sie, wie egal es im Grunde ist. «Man kann sich ja trotzdem nett anziehen.»

Natascha Kampusch

Natascha Kampusch bei der Premiere des Films «3096 Tage» im Jahr 2013.

Getty Images

Ihren heutigen Alltag bezeichnet sie als «bunt». Sie lebe alleine in einer kleinen, hellen gemütlichen Wohnung mit einem Balkon und versuche gerade ihre Ernährung von vegetarisch auf vegan umzustellen. Sie habe viele Ideen und würde normalerweise oft reisen. Durch die Corona-Pandemie ist das aktuell nicht möglich. 

Mit der Isolation und dem Lockdown komme sie aber gut zurecht. Gerade durch das Erlebte – «Mit dieser Situation bin ich gut vertraut. Der plötzliche Verlust der Freiheit, die Einsamkeit, die Ohnmacht, wenn das Leben von einem Moment auf den anderen ganz anders ist und die Gedanken kreisen», sagt die 33-Jährige. Sie könne damit viel besser umgehen als andere, aber auch die Verzweiflung der Menschen verstehen.

«Ein fremder und zugleich vertrauter Ort»

Einmal pro Woche gehe sie noch zur Therapie. Manchmal auch öfter, wenn sie etwas sehr belastet. Und einmal im Monat fährt sie zu dem Haus, in dem sich ihr acht Jahre andauernder Albtraum abspielte. Ein Teil davon wurde ihr als eine Art Entschädigung zugesprochen, den anderen kaufte sie der Mutter ihres Entführers ab. 

Über das Haus sagt Natascha Kampusch: «Es ist ein fremder und zugleich vertrauter Ort.» Wenn sie dort sei, lüfte sie und gehe mit einem Putzkübel durch die Räume. Was sie einst mit dem Haus machen werde, wisse sie noch nicht. Aber: «Ich will nicht, dass irgendjemand etwas Komisches damit tut.»

Von fei am 26. April 2021 - 17:11 Uhr