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Hommage an den Fürst der Finsternis

Ozzy Osbourne hinterlässt musikalisches Vermächtnis

Als «Prince of Darkness» lehrte er Fans und Plattenbosse das Fürchten. Im Zürcher Niederdorf hat Ozzy Osbourne den Heavy Metal erfunden. Eine Hommage mit Schweizer Stimmen des SI-Musikexperten Zeno van Essel, der ihn selbst getroffen hat.

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<p>Die Ironie des Wahnsinns: Ozzy Osbourne verstand wie kein anderer die Kunst der Inszenierung. Auch als «Fürst der Finsternis» strahlte er eine menschliche Wärme aus.</p>

Die Ironie des Wahnsinns: Ozzy Osbourne verstand wie kein anderer die Kunst der Inszenierung. Auch als «Fürst der Finsternis» strahlte er eine menschliche Wärme aus.

imago/Avalon.red

Er nannte sich «Prince of Dark-ness», leistete sich furchterregende Eskapaden, war aber eigentlich ein unsicherer, sensibler Charakter, bisweilen sogar ein liebenswürdiger und durchaus humorvoller Familienmensch. In seinen Augen leuchtete der Wahnsinn – aber auch das ironische Lachen, mit dem er die Welt und die Kunstfigur verhöhnte, die er erschaffen hatte. Kein anderer Rockstar hat für mehr Kontroversen gesorgt als Ozzy Osbourne (†76). Das macht ihn zur Ikone.

<p>Rock-Revolution in den 1970ern: Im Beat-Club im Zürcher Niederdorf erfand Ozzy ­Osbourne mit seiner Band Black Sabbath den Heavy Metal.</p>

Rock-Revolution in den 1970ern: Im Beat-Club im Zürcher Niederdorf erfand Ozzy Osbourne mit seiner Band Black Sabbath den Heavy Metal.

Der Sohn eines Fabrikarbeiters aus Aston, einem Vorort von Birmingham, hat es trotz seinen vielen Abstürzen und Krisen zu einem Vermögen von 200 Millionen Dollar gebracht. Das grenzt an ein Wunder. Denn seine Jugend ist geprägt von Armut und Problemen wegen seiner Legasthenie sowie Versagensängsten. Mit 15 Jahren verlässt er die Schule, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch – unter anderem in einer Metzgerei. Doch Ozzy hat eine Gabe: Seine Stimme kann schmettern wie ein Donnerschlag, aber auch wimmern wie die eines kleinen Kindes.

Musik ist seine Leidenschaft. Darum gründet er mit seinen Kumpels Tony Iommi, Geezer Butler und Bill Ward sowie zwei weiteren Musikern die Polka Tulk Blues Band, die sich später in Earth umbenennt und zum Überleben durch die Klubs tingelt. Um erfolgreich zu sein, braucht es ein Unterscheidungsmerkmal. Inspiriert vom Horrorfilm «Black Sabbath» und von den okkulten Geschichten des Autors Dennis Wheatley, entwickeln die Jungs einen neuen, härteren und düsteren Stil und nennen sich Black Sabbath. Ihr Ziel: Das Publikum soll bei ihren Konzerten das gleiche Unbehagen erleben wie bei einem Horrorfilm im Kino.

Startschuss in Zürich

Das Musikbusiness boomt. In den frühen 1970ern ist es für eine junge Band wie Black Sabbath schwierig, im übersättigten England zu Auftritten zu kommen. Das führt sie nach Zürich. Im Hotel Hirschen im Niederdorf finden sie Unterschlupf. Bedingung: Pro Tag müssen sie bis zu sieben Sets à 45 Minuten spielen. Gage gibts kaum, dafür Kost und Logis. Ozzy erinnert sich: «Zürich war hammerhart. Es war ein lausiger Klub. Wir teilten uns ein Zimmer mit ein paar Ratten. Wir hatten nicht viel Songmaterial, und es gab kaum Publikum. Also spielten wir nur ein Stück pro Set – 45 Minuten lang. Wir nutzten die Gigs zum Proben.»

Dabei entsteht etwas fundamental Neues. Chris von Rohr (73), Schweizer Rock-Urgestein, erinnert sich: «Als ich die damals völlig unbekannten Black Sabbath erstmals sah, haute es mich um – total rohe, ungeschliffene Power! Konkret hörte ich ein paar Covers. Ihre eigenen Lieder waren noch düstere Jams, aus denen dann später ‹Paranoid›, ‹War Pigs› und andere Klassiker entstanden.»

<p>Rockmusik war für Ozzy ein ­Zirkus und er der oberste Clown: vor seiner Open-Air-Badewanne im Garten seiner Luxusvilla in Beverly Hills.</p>

Rockmusik war für Ozzy ein Zirkus und er der oberste Clown: vor seiner Open-Air-Badewanne im Garten seiner Luxusvilla in Beverly Hills.

Getty Images

Bobby Leiser, damals als Tourmanager von Miles Davis im Rockgeschäft tätig, erinnert sich an eine andere Episode: «Ich traf Ozzy und seine Jungs, als sie gerade mit ihrem alten Bedford-Bus in Lausanne ankamen, um bei Peter Zumsteg im legendären Klub Electric Circle zu spielen. Über Freunde hatten sie erfahren, dass sie irgendwo in Skandinavien Nummer eins in den Charts waren – zum ersten Mal überhaupt. Also lief ich mit ihnen zum Bahnhofskiosk, kaufte die Musikzeitung ‹Melody Maker› – und da stand es schwarz auf weiss, dass sie in Norwegen mit dem Song ‹Paranoid› die Spitze der Charts erobert hatten.»

Heavy Metal ist geboren – und wird für viele Nachfolgebands zur Inspiration. Unter anderem auch für Krokus, wie Chris von Rohr betont.

<p>Beim TV-Schauen: Ozzy Osbourne in der Doku-Soap «The Osbournes» von 2002 auf MTV.</p>

Beim TV-Schauen: Ozzy Osbourne in der Doku-Soap «The Osbournes» von 2002 auf MTV.

MTV

Gattin Sharon als Fallschirm

Doch mit dem Ruhm kommt auch der Rausch des Reichtums: Ozzy, schon als Teenager ein starker Trinker und Marihuana-Raucher, beginnt, exzessiv Drogen zu konsumieren. Bisweilen wird es schier unmöglich, mit ihm zu arbeiten – sogar für seine Bandkumpels: 1979 schmeissen sie Ozzy bei Black Sabbath raus!

Wäre da nicht seine zweite Frau Sharon gewesen, die in diesem Moment sein Management übernimmt, ihn mit viel Geduld und mitfühlender Autorität aus der Drogenhölle befreit. Was für einen speziellen Zugang sie zu ihrem Mann hatte, durfte auch der Autor dieses Textes hautnah miterleben: «Als Musikjournalist war ich 1988 eingeladen, Ozzy Osbournes Konzert in München zu besuchen – inklusive Treffen. Doch rasch merke ich, dass daraus nichts wird: Während die Meute in der Halle tobte, lag er voll betrunken in seinem Tourbus – und weigert sich, diesen zu verlassen. Aus Verzweiflung rief der Tourmanager Sharon an, die mit dem Taxi vom Hotel herbeieilte und schnurstracks zu ihm ging. Nach einem Wortgefecht stolpert Ozzy Osbourne schliesslich vom Bus auf die Bühne und performte kraftvoll. Doch immer wieder schweifte sein Blick zur Seite. Dort sass Sharon, hinter dem Vorhang, auf einem Hocker – mit verschränkten Armen und strengem Blick.»

<p>Ozzy Osbourne spielte als «Prince of Darkness» gekonnt mit dem Unbehagen, das harte Rockklänge und düstere Bilder auslösen – konterte dies aber mit sarkastischem Humor und viel Selbstironie.</p>

Ozzy Osbourne spielte als «Prince of Darkness» gekonnt mit dem Unbehagen, das harte Rockklänge und düstere Bilder auslösen – konterte dies aber mit sarkastischem Humor und viel Selbstironie.

imago/Avalon.red

Ozzy wird zum Mythos. Nicht nur wegen der irren Geschichten, die um ihn kursieren. So beisst er auf der Bühne aus Versehen einer echten Fledermaus den Kopf ab und kassiert in der texanischen Stadt San Antonio ein zehnjähriges Auftrittsverbot, weil er völlig betrunken und desorientiert an ein Kriegshelden-Denkmal uriniert – in den Kleidern seiner Frau, die ihm seine eigenen Kleider versteckt hat, um ihn am Verlassen des Hotels zu hindern.

Spätestens seit der MTV-Doku-Soap «The Osbournes» im Jahr 2002 haben Ozzy und seine Familie Kultstatus erreicht. Sie zeigt den Musiker als exzentrischen, aber verletzlichen Familienvater. Offensichtlich wird auch Ozzys Parkinson-Erkrankung, die ihm in seinen letzten Jahren immer mehr zu schaffen macht. Er setzt sich dafür ein, dass sie besser erforscht und Therapien gefunden werden, und macht Leidensgenossen Mut. Wie zum Beispiel auch Stefan Matthey, Rock-Promoter der ersten Stunde und heute Chef der Konzertagentur Good News: «Ich finde es wahnsinnig, wie er diese Krankheit vorgelebt und öffentlich gemacht hat», sagt er. «Es zeigt die andere Seite von Ozzy: Er war der liebste Mensch und versuchte, jeden Tag die beste Version seiner selbst zu sein.»

<p>Ozzys letzter Auftritt – getragen vom Willen, sich mit einem grossen Knall zu verabschieden.</p>

Ozzys letzter Auftritt – getragen vom Willen, sich mit einem grossen Knall zu verabschieden.

Dukas

Es wird still um den extravaganten Rockstar – bis vor wenigen Wochen: Da lässt er sich im Villa-Park-Stadion seiner Heimatstadt Birmingham ein letztes Mal auf die Bühne fahren – gezeichnet von all seinen Beschwerden. Doch sein Geist, seine legendäre Stimme bäumen sich noch ein letztes Mal auf. «Seid ihr bereit?», ruft er kämpferisch den Tausenden in der Arena und den Millionen von Fans am Livestream entgegen. «Ich kann euch nicht hören! Wuuhuu, lasst den Wahnsinn beginnen!» Der Gänsehautmoment ist diesmal jedoch nicht das düstere «Paranoid», sondern die berührende, melodiegetriebene Ballade «Mama, I’m Coming Home». Es tönt wie ein letzter Wunsch. Wenige Tage später stirbt Ozzy Osbourne mit 76 Jahren – friedlich und versöhnt mit sich und der Welt – im Kreise seiner Familie.

<p>Weltweit trauern Fans um ihr Idol: Das Tor zu seinem Anwesen wird zum Pilgerort.</p>

Weltweit trauern Fans um ihr Idol: Das Tor zu seinem Anwesen wird zum Pilgerort.

AFP
Von Zeno van Essel am 3. August 2025 - 18:00 Uhr