Musikerin will sie werden. Das weiss Sarah Willis schon als selbstbewusster Teenager. Mit ihrer Familie ist sie gerade nach London gezogen, um dort nun längere Zeit zu bleiben und ein Studium anzufangen. Die Tochter eines britischen Journalisten und einer klassischen Tänzerin hat in jungen Jahren schon viel von der Welt gesehen, verbringt ihre Jugend in Tokio, Boston und Moskau. Musik ist das verbindende Element, das die Familie auf ihren Reisen durch die Kulturen und Regionen der Welt ständig begleitet. Alle spielen Klavier – auch Sarah. Und weil sie Talent hat, will sie an die Musikhochschule.
Für ein Studium benötigt sie ein Zweitinstrument. Klarinette, Flöte, Oboe werden ihr nahegelegt. Doch Sarah lehnt ab. Da macht ihr Musiklehrer ihr einen Vorschlag: «Ich habe noch ein Horn», sagt er. «Aber ich weiss nicht, ob das zu dir passt. Es ist eher ein Instrument für Jungs.» Vielleicht ist es gerade dieser Anreiz, der Sarah hellhörig macht. «Gut, das will ich probieren», sagt sie – und verliebt sich buchstäblich in den sonoren Klang dieses Instruments. «Da wollte ich nur noch Hornistin werden!»
Hornistin der Berliner Philharmoniker
Dieses Ziel hat sie erreicht – auch wenn sie lernen musste, dass es viel Geduld, unzählige Übungsstunden und jahrelange Praxis braucht, um dieses anspruchsvolle Instrument zu beherrschen. Doch hartnäckig, wie Sarah ist, hat sie es zur Meisterin auf dem klassisches Waldhorn geschafft – und mehr als das: Im September 2001 wird sie als erste weibliche Blechbläserin Mitglied der Berliner Philharmoniker. «Ich habe damals nicht damit gerechnet, dass ich die Stelle kriegen würde – als Frau», sagt sie. «Heute ist es ganz normal, dass Frauen Horn spielen.»
Doch Sarah Willis wäre nicht die neugierige Macherin, die sie ist, wenn sie sich auf diesen Lorbeeren ausruhen würde. 2008 starten die Berliner Philharmoniker das Projekt Digital Concert Hall, eine der ersten Streamingplattformen, auf denen klassische Konzerte weltweit in bester Ton- und Bildqualität zugänglich gemacht werden. Mit dabei: Sarah Willis als Interviewerin. «Ich habe gemerkt, dass mir das Vermitteln von Musik, Kommunikation und Fragenstellen auch viel Spass macht.» Und weil sie auch da ihr Können beweist, bekommt sie bei der Deutschen Welle ihr eigenes Musikmagazin «Sarah’s Music».
Fünf Jahre lang steckt sie viel Leidenschaft und Energie in das Projekt – dann wird die Sendung durch eine Kochshow ersetzt. Zeit für Sarah, endlich mal an einen privaten Zeitvertreib zu denken? Ein Freund überredet sie, ihn an einen Salsa-Tanzkurs zu begleiten. «Ich und tanzen – ich war nie wirklich schlank, und als Blechbläserin ist man auch nicht gerade super beweglich», schiesst es Sarah durch den Kopf. «Doch ein Tanzlehrer aus Kuba fand, dass ich mich gut zur Musik bewege, so habe ich das Selbstbewusstsein bekommen, mich in die Musik verliebt und sehr gern Salsa getanzt.»
Am 13. August kommt Sarah Willis mit dem Havana Lyceum Orchestra und dem Dirigenten José Antonio Méndez Padrón ins KKL Luzern, um dort «Mozart y Mambo» zu präsentieren.
MONIKA RITTERSHAUSHilfsprojekt wird Chartstürmer
Ein Engagement in Miami nutzt die klassische Top-Hornistin für einen ersten Besuch in Kuba. In Havanna hört sie ein Orchester von kubanischen Musikstudentinnen und -studenten, die Mozart spielen. «Es war Liebe auf den ersten Blick», so Willis. «Die Präzision, mit der sie spielten, aber auch die Herzlichkeit und die Spielfreude.»
Was der erfahrenen Musikerin ebenfalls auffällt: die schlechte Qualität der Musikinstrumente und die mangelhaften Ausbildungsumstände, mit denen die jungen Menschen in Kuba zu kämpfen haben. Sarah Willis will helfen. Doch wie? Freunde empfehlen ihr: Nimm eine CD auf, und sammle damit Spendengelder!
So kommt die engagierte Britin auf die Idee, das Projekt «Mozart y Mambo» zu starten: Mozarts Klassik-Themen, interpretiert von kubanischen Musikerinnen und Musikern – und natürlich auch von ihr am Horn. Die CD dominiert sechs Monate die deutschen Klassik-Charts, erreicht in wenigen Wochen Millionen Streams. Die englische Königin ernennt sie dafür zum Member of the British Empire. Jetzt kommt Sarah Willis damit wieder ans Lucerne Festival. Zudem eröffnet sie am 4. September mit ihrer kubanischen Band Sarahbanda die Ark Nova.
Die Ark Nova von innen.
ZVGAm Anfang war die Katastrophe. Als 2011 ein grosses Erdbeben Japan erschütterte und in der Region Fukushima einen Atomunfall verursachte, beschloss Lucerne- Festival-Intendant Michael Haefliger zu helfen: Mit Anish Kapoor und Arata Isozaki schuf er eine aufblasbare Konzerthalle als «neue Arche» – und damit einen Ort der Geborgenheit und des kulturellen Wiederaufbaus. Jetzt kommt Ark Nova erstmals nach Europa: Vom 4. bis 14. September, eingebettet ins Lucerne Festival, verbindet sie Kunst, Architektur und vielfältige Musikstile zu einem inspirierenden Erlebnis für alle Generationen. Infos: arknova.ch
Ein Symbol für Geborgenheit und kulturellen Dialog: Die Ark Nova ist in Japan bereits Kult und kommt jetzt nach Luzern.
ZVG