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Palast «zittert» wegen Buch

Meghan und Harry – jetzt kommt die «wahre Geschichte»

Am 11. August kommt ein neues Buch auf den Markt. Eine sogenannte «Tell-all»-Story über Harry und Meghan. Die Wahrheit soll endlich ans Licht – doch diese Wahrheit ist zweischneidig.

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Prinz Harry Herzogin Meghan

Lehrstück in geschickter Öffentlichkeitsarbeit: Was enthüllt das neue Buch über das Ehepaar Sussex?

WireImage

Früher hatten Royals noch einen richtigen Job. Sie führten einigermassen unbehelligt die Geschicke ihres Landes – die Staatsführung übernahm der absolutistische Herrscher, der weitestgehend unabhängig von demokratischen Kräften Entscheidungen traf. Ein stehendes Heer sicherte üblicherweise die Position des Herrschers nach Innen. In England kam 1688 die grosse Wende. Die konstitutionelle Monarchie löste das Alleinregime ab. Die Rechte der Monarchen waren plötzlich durch ein demokratisch regiertes Parlament eingeschränkt. Im Laufe der Jahrhunderte veränderte sich die durchs Geburtsrecht erworbene Position weiter. Natürlich hat Queen Elizabeth auch heute noch regelmässige Termine mit dem Premierminister, natürlich stehen der Königin als Staatsoberhaupt auch 2020 noch gewisse Rechte zu. In Politisches mischt sie sich aber längst nicht mehr ein.

Die Hauptaufgabe der Königsfamilie hat sich also verschoben – vom uneingeschränkten Herrschertum zu einer mehrheitlich repräsentativen Funktion. Anders formuliert: Die britischen Royals sind im Wesentlichen eine hochprofessionell durchorganisierte Marketing-Maschine. Sie wird unter anderem dadurch legitimiert, dass das Volk sie mag. Und deshalb haben die Royals aktuell ein kleines Problem an der Backe. Wie britische und amerikanische Medien berichten, sollen die Palastmauern kräftig zittern: Die sogenannten Royal-Experten Omid Scobie und Carolyne Durand veröffentlichen am 11. August ihr gross angekündigtes Enthüllungsbuch «Finding Freedom» über Harrys und Meghans Abgang. Wer sich nun an den Film-Klassiker «Finding Nemo» erinnert fühlt, liegt gar nicht so falsch. Immerhin erzählt Disney nebst der Story vom verirrten Clownfisch auch allerhand Prinzessinen-Märchen.

In der Kurzzusammenfassung zum Buch (das man übrigens auch in der Schweiz schon jetzt vorbestellen kann) steht: «‹Finding Freedom› schaut zum ersten Mal hinter die Kulissen und enthüllt bisher unbekannte Details über Harrys und Meghans Leben. Viele Gerüchte und falsche Vorstellungen, die das Paar auf beiden Seiten des Ozeans plagen, werden ein für allemal ausgeräumt.» «Enge Vertraute» sollen in Interviews echtes Insider-Wissen verraten haben. Weiter steht da: «‹Finding Freedom› ist ein ehrliches, nahes und entwaffnendes Portrait von einem selbstbewussten, einflussreichen und vorausdenkenden Paar, das keine Angst hat, mit Traditionen zu brechen, das entschlossen ist, einen Weg aus dem Scheinwerferlicht zu gehen, um ein humanitäres Erbe aufzubauen.» Ziemlich grosse Worte, deren Pathos caramellartig jede Pore verklebt und ganz klar die Fronten klärt: Das Buch ist pro Meghan und Harry.

Dass der Palast nun angeblich «zittert», ist da – ohne es genau zu wissen – verständlich. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Königsfamilie auch 2020 aus einem Haufen verängstigter Lämmer besteht, ist hingegen nicht wahnsinnig hoch. Eine professionelle Marketing-Maschine, man nennt die Familie ja auch «die Firma», hat ebenso professionelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die vermutlich längst eine Konter-PR-Strategie in der Schublade haben. Erfahrung hat die Firma bei solchen Dingen ja. Ein paar Stürme gab es in den letzten Monaten bereits zu handeln – denken wir kurz an Prinz Andrew und seine Verbindungen zu Jeffrey Epstein oder ganz grundsätzlich an die Causa Sussex. Was es unbedingt zu verhindern gilt, ist das, was 1995 im Anschluss an Dianas «Tell-all»-BBC-Interview passiert ist. Sie sprach offen über die Hintergründe zur Scheidung von Prinz Charles – ein Supergau fürs Königshaus.

Denn die Firma wird weiterhin dadurch legitimiert, dass das Volk hinter der Königsfamilie steht (immerhin wird die Familie auch durch Steuergelder teilfinanziert). Anders formuliert: Legitimation durch Liebe. An dieser Front wird der durchaus imaginäre Disput zwischen dem Paar Sussex und der Königsfamilie letztlich auch entschieden. Wen haben die Untertanen mehr lieb, wer schildert seine Wahrheit glaubwürdiger und gewinnt Kontrolle über die Liebe der Masse.

Dabei ist das mit der Wahrheit bei den Royals so eine Sache. Was heisst Wahrheit? Ist es das, was zwei Royal-Experten, die durch eine Presseakkreditierung etwas mehr Zugang zur Firma bekommen, in einem Buch zusammenfassen? Ist es eine Zusammenstellung von Einschätzungen sogenannt enger Vertrauter der Sussexes? Sind es wohlformulierte Repliken aus dem Buckingham Palace? Selbst wenn Meghan und Harry, die Queen oder Prinz William und Kate höchstpersönlich ein «Tell-all»-Interview über den Äther schicken würden, erzählen sie immer nur ihre subjektive Wahrheit. Die Masse tappt in Bezug auf objektivierbare Anhaltspunkte weiterhin im Dunkeln.

Und deshalb ist der Buch-Release am 11. August ein ziemlich spannendes Ereignis und wird zum potentiellen Lehrstück in geschickter Öffentlichkeitsarbeit. Wer seine Wahrheit besser verkauft, gewinnt, wer zielgerichteter kommuniziert, gewinnt. Das wird ein spannender Wettstreit, zwischen dem Erhabenen der Königsfamilie, das sich aus der Distanz zum Menschlichen nährt, und dem unterstellt Menschlichen auf der Seite der Sussexes, das dieses System in Frage stellt. Deshalb: Reicht doch mal das Popcorn rüber. Hier entfaltet sich ein Drama, das nicht mal Shakespeare besser hätte texten können. Unterhaltungswert? 100 Punkte.

Von Bettina Bendiner am 24. Juni 2020 - 11:33 Uhr