Es gibt eine Familienhierarchie», sagt Prinz Harry, 38, anklagend in der seit Donnerstag beim US-Streamingdienst Netflix laufenden Skandal-Doku «Harry & Meghan». Bereits die vorab veröffentlichten Trailer sorgen für Aufruhr bei den Briten. Royal-Expertin Ingrid Seward spricht von einem «Hinterhalt». Die Boulevardzeitung «The Sun» titelt «Kuss bedeutet Krieg», und illustriert ihre Hofkriegsberichterstattung mit einem Foto, das Harry zeigt, wie er seine ihn umschlingende Ehefrau Meghan, 41, auf deren Wange küsst.
Jahrhundertelang wurde das Erstgeburtsrecht als gottgegeben hingenommen – nicht nur an Königshäusern. Ob prunkvolles Schloss oder windschiefes Bauernhaus, der Älteste erbte die Besitztümer, alle anderen Kinder gingen mehr oder weniger leer aus. Mit der Tradition will sich der Jüngste von König Charles III. allerdings nicht abfinden. So ist Harry in der Doku zu hören mit Worten wie «Hass», «Herkunft» und «schmutziges Spiel». Eingerahmt werden die frustrierten Aussagen des Prinzen von den Tränen Meghans.
Dass sich Harry als der jüngere Sohn von König Charles III. gegen das überlieferte Erstgeburtsrecht auflehnt, ist in der Geschichte nicht ganz neu. Bereits im Alten Testament wird der Konflikt zwischen Jakob und Esau thematisiert. Dort luchst der Jüngere dem Älteren dessen Erstgeburtsrecht im Tausch gegen ein Linsengericht.
Es ist eine Kampfansage an die Monarchie. Nur drei Monate nach dem Tod seiner geliebten Grossmutter Queen Elizabeth II. und fünf Monate vor der offiziellen Krönung seines Vaters Charles III. zum neuen König rückt Harry seine Familie in ein schlechtes Licht. Richard Winston «Dickie» Arbiter, 82, langjähriger Pressesprecher der Queen, sagt: «Harry und Meghan verliessen Grossbritannien, weil sie Privatsphäre wollten und kein Eindringen der Presse in ihr Leben. Doch seit ihrem Wegzug haben sie nichts anderes getan, als sich in Medien öffentlich zu äussern, Erklärungen abzugeben und sich für Interviews zur Verfügung zu stellen. Das allein spricht Bände.»
Arbiter, der von 1988 bis 2000 im Dienst von Queen Elizabeth II. stand, kennt Harry von klein auf. «Er sagt, er will seine Familie schützen und zeigen, was die Leute hinter verschlossenen Türen getrieben haben. Aber niemand will hinter verschlossene Türen sehen. Privat ist privat.»
Die Doku zeigt zudem Parallelen zu Harrys verstorbener Mutter. Zu sehen sind Bilder, wie Prinzessin Diana von einer Meute Fotografen gejagt wird, aber auch wie Kate, 40, die Princess of Wales und Frau von Harrys älterem Bruder William, 40, unterm Blitzlichtgewitter der Paparazzi zusammenzuckt. Dazu ist Meghan zu hören, die sagt: «Ich sah: Sie werden dich nie beschützen.»
Keine Zweifel gibt es, dass bei Harrys Abrechnung mit seiner Familie und «Der Firma», wie das britische Königshaus auch genannt wird, auch Geld eine Rolle spielt. Nach dem «Megxit» schlossen Harry und Meghan mit dem Streaminggiganten Netflix einen Megadeal ab, der ihnen 100 Millionen Dollar in die Kasse spülte.
Trotzdem bettelte der einstige Lieblingsenkel bei seiner Grossmutter um Geld, und das sogar noch kurz vor ihrem Tod, wie die «Sun» enthüllte: Die Queen sei immer gern bereit gewesen, mit Harry zu sprechen. «Aber als er nach Geld fragte, sagte sie ihm: ‹Warum sprichst du nicht mit deinem Vater?›» Charles aber habe zu der Zeit Anrufe von Harry bereits ignoriert und seiner Mutter Elizabeth geantwortet: «Ich bin keine Bank.»
Dickie Arbiter hat bei aller Kritik an Harry durchaus Verständnis für den Prinzen: «Er ist offensichtlich ein sehr wütender junger Mann, und er leidet offenbar unter dem psychischen Stress des Verlustes seiner Mutter.» Wofür Arbiter hingegen kein Verständnis aufbringt: «Harry spielt damit, wenn er sagt, er wolle nicht, dass Meghan das Schicksal seiner Mutter erleidet. Aber bis zu einem gewissen Punkt hat auch seine Mutter die Presse umworben.»
Ähnlich hält es nun ihr Jüngster, Harry. In der Doku sagt er trotzig: «Niemand kennt die ganze Wahrheit. Wir kennen sie!» Die Frage ist nur: Sagen Harry und Meghan auch die Wahrheit?