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Ein Nachruf

Queen Elizabeth: «Es war wunderbar, einfach zauberhaft»

In ein liebevolles Elternhaus hineingeboren, wächst Lilibet wohlbehütet auf. Erst über Umwege kommt sie auf den Thron. Als Queen Elizabeth II. kann sie sich stets auf ihre grosse Liebe Philip verlassen. Und auf ihre bedeutsamsten Tugenden: Pflichtgefühl, Religiosität, Gelassenheit – und Humor.

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Princess Elizabeth (now Queen Elizabeth II) with two corgi dogs at her home at 145 Piccadilly, London, July 1936. (Photo by Lisa Sheridan/Studio Lisa/Hulton Archive/Getty Images)

Verliebt: Schon als Zehnjährige übernimmt Elizabeth die Verantwortung für ihre ersten Corgis Jane und Dookie.

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Honigfarben umspielt das Licht die nackten Füsschen von Elizabeth Alexandra Mary Windsor, liebevoll Lilibet gerufen. Im weissen Spitzenkleid sitzt der sieben Monate alte Lockenkopf auf dem Fenstersims des grossväterlichen Landhauses St. Paul’s Walden Bury in der englischen Grafschaft Hertfordshire. Elizabeth ist die erste Enkelin von König George V. Doch vor allem ist sie die geliebte Tochter der humorvollen Elizabeth (bekannt als Queen Mum) und des stotternden Prinz Albert. Bei Elizabeth’ Geburt am 21. April 1926 verweist die «Daily Mail» darauf, dass «dieses Kind, das seit gestern im Königreich Thema Nummer 1 ist, in der Thronfolge auf Platz drei rangiert».

Die Kindheit ist geprägt von einem liebevollen Elternhaus. Abends sitzt die Familie vorm Kamin, liest, unterhält sich, spielt Pantomime. Früh rückt Elizabeth in den Fokus der Öffentlichkeit, das US-Magazin «Time» schenkt der dreijährigen «Princess Lilybet» mit der Ausgabe vom 29. April 1929 einen engelsgleichen Auftritt auf der Titelseite. Einen Vorgeschmack, dass sich bei ihrer künftigen Königin hingebungsvolle Liebe und eisernes Pflichtgefühl nicht ausschliessen, bekommen die Briten, als sie Fotos der zehnjährigen Elizabeth zu sehen bekommen, wie sie ihre Corgis Jane und Dookie liebevoll umsorgt.

Stets gut gelaunt und lächelnd zeigt sich Elizabeth seit je – sogar als Jugendliche bei der Gartenarbeit mit ihrer Schwester Margaret. Als ihr Vater 1936 nach der Abdankung von seinem Bruder Edward unerwartet König wird, betet Lilibet jeden Abend um einen Bruder. Wäre ihr Wunsch erhört worden, wäre der an ihrer Stelle Thronfolger geworden. So aber sind ihr Schicksal und ihre Zukunft besiegelt.

Bald ruft die Pflicht. Der Zweite Weltkrieg erschüttert Europa. Als 14-Jährige hält Elizabeth auf Bitten des britischen Premierministers Winston Churchill am 13. Oktober 1940 ihre erste Radioansprache in der BBC-Sendung «Children’s Hour». Mit den Worten «Tausende von euch in diesem Land mussten ihr Zuhause verlassen und sind nun getrennt von Mama und Papa. Meine Schwester Margaret Rose und ich sind euch nahe, denn wir wissen aus eigener Erfahrung, was es heisst, fern von denen zu sein, die man am liebsten hat», wendet sie sich an alle Kinder Englands.

8th July 1946: King George VI (1895 - 1952) with his wife Queen Elizabeth and their daughters Princess Elizabeth and Princess Margaret (1930 - 2002) at Royal Lodge in Windsor. (Photo by Lisa Sheridan/Studio Lisa/Hulton Archive/Getty Images)

Beim Plaudern: Ein Jahr nach Kriegsende posiert Elizabeth (l.) mit den Eltern und Margaret im Park von Windsor.

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Gegen den Willen ihres Vaters leistet sie Dienst im Krieg, wird im Februar 1945 als «Second Subaltern Elizabeth Windsor» mit der Dienstnummer 230873 die erste Frau einer Königsfamilie, die in Uniform aktiv ihrem Land dient. Nach einem zehnwöchigen Mechanikerinnen-Kurs fährt sie Lastwagen, lenkt Motorräder, liest Karten und wird zum «Junior Commander ehrenhalber» befördert.

Während der Regentschaft König George VI. schleicht Elizabeth oft auf Zehenspitzen in die väterliche Stille, setzt sich leise neben ihn, wenn er in Unterlagen vertieft ist. Oft weiss er wegen seiner mangelnden Erfahrung nicht weiter, gerät in Rage und lässt sich nur durch seine geduldige Gattin wieder beruhigen. So wird Queen Mum zum Vorbild ihrer Tochter.

Queen Elizabeth II, Princess Elizabeth and the Duke of Edinburgh square dancing at a cowboy dress party during the royal tour of Canada (Photo by NCJ Archive/Mirrorpix/Mirrorpix via Getty Images)

Beim Tanzen: Lilibet und Philip legen 1951 in Kanada in traditionellen Outfits einen Squaredance aufs Parkett.

Mirrorpix via Getty Images

Das Herz Lilibets erobert bei Ingwerkeksen und Rätselraten ein Kadett, «schön wie ein Wikingergott, mit schmalem Gesicht und eindringlichen blauen Augen»: Philip Mountbatten. «Zum ersten Mal begegnete ich Philip am Royal Naval College in Dartmouth. Ich war damals 13, er 18.» 1946 kniet Philip auf Schloss Balmoral vor Elizabeth nieder, bittet um ihre Hand. «Es war wunderbar, einfach zauberhaft.» Das Jawort geben sie sich am 20. November 1947 in der Westminster Abbey. Seiner Gattin zuliebe verzichtet Philip auf seinen Namen, wird ebenfalls ein Windsor. Nach der Hochzeit lebt das Paar zwei Jahre auf Malta, wo Prinz Philip als Marineoffizier stationiert ist. Für die Queen «die schönsten Jahre meines Lebens». Hier erledigt sie ihre Einkäufe selbst, besucht Gottesdienste, kümmert sich um ihre ersten beiden Kinder, Charles und Anne. Nach dem Tod des Vaters 1952 und ihrer Inthronisierung überträgt Elizabeth die Erziehung des gemeinsamen Nachwuchses Philip. Obwohl er bei offiziellen Anlässen drei Schritte hinter seiner Frau gehen muss, ist er bei Bedarf sofort an ihrer Seite: «Mein erster, zweiter und letzter Job ist es, die Queen niemals im Stich zu lassen.»

Princess Elizabeth, later Queen Elizabeth II with her husband Phillip, Duke of Edinburgh, on their wedding day, 20th November 1947. (Photo by © Hulton-Deutsch Collection/CORBIS/Corbis via Getty Images)

Ihr Kadett: Nachdem er auf Knien um ihre Hand angehalten hat, heiraten Elizabeth und Philip am 20. November 1947.

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73 Jahre lang sind Elizabeth und Philip vereint, bis zu seinem Tod 2021 – es ist eine der grössten Lovestorys des Jahrhunderts. In einer fast intimen Liebeserklärung dankt die Queen ihrem Mann bei der diamantenen Hochzeit im Jahr 2007 mit den Worten: «Er war ganz einfach meine Stärke und mein Felsen all diese Jahre!»

British Royalty, pic: 3rd December 1953, HM,Queen Elizabeth II and the Duke of Edinburgh on board the "Gothic" as the ship negotiates the Miraflores Locks on the Panama Canal (Photo by Popperfoto via Getty Images/Getty Images)

Ihr Fels: Philip akzeptiert, dass seine Frau die Nummer 1 ist, und steht ihr als Prinzgemahl stets zur Seite.

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Als Königin schafft Elizabeth II. den Spagat, ihr persönliches Liebesglück zu wahren und gleichzeitig einem Millionenvolk voller Pflichtgefühl zu dienen. Etwas, was nicht jedem ihrer Kinder und Enkelkinder gelingt: Ihr Ältester, Prinz Charles, lässt sich von Prinzessin Diana scheiden, Tochter Anne und ihr Zweitjüngster, Andrew, trennen sich ebenfalls von ihren Ehepartnern. Ihr Lieblingsenkel Prinz Harry kehrt der Monarchie gar den Rücken und wandert Anfang 2021 mit seiner Frau Meghan in die USA aus.

Das oberste Prinzip im Leben der Queen heisst eiserne Disziplin. Noch im hohen Alter nimmt sie Hunderte von Terminen im Jahr wahr. Immer perfekt gekleidet, pünktlich, nie ungehalten, nie brüskiert sie einen Menschen. Sie zeigt weder ungeduldige Gesten, noch kommt es zu verbalen Ausfällen – und nie gibt es etwas, was ihr als Arroganz ausgelegt werden kann. Die 1,60 Meter kleine Frau ist als Majestät die Grösste.

Queen

Ihre Kinder: Zum 60. Hochzeitstag 2007 posieren Elizabeth und Philip mit Charles (v. l.), Andrew, Anne und Edward.

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Wie nahe Freud und Leid beieinanderliegen, erfährt die Queen immer wieder. So folgt auf die Märchenhochzeit ihres Enkels Harry mit US-Schauspielerin Meghan Markle das «Skandal-Interview» mit Talk-Legende Oprah Winfrey. Das abtrünnige Paar rechnet gnadenlos mit der Königsfamilie ab. Auch wenn Harry dabei von seiner Oma schwärmt – die Queen ist «not amused».

Als Elizabeth 2002 das goldene Thronjubiläum feiert, wäre das Anlass zur Freude. Doch rundum herrscht Trauer: Binnen eines Monats sterben ihre Schwester Margaret mit 71 sowie Queen Mum im stolzen Alter von 101 Jahren.

Schon das Jahr 1992 ist als ihr «Annus horribilis» in die Geschichte eingegangen. Elizabeth überrascht mit dem Bekenntnis: «Es ist kein Jahr, an das ich mich mit ungetrübter Freude erinnern werde.» Die Gründe: Im März erfolgt die Trennung ihres Sohnes Andrew, im April lässt sich Tochter Anne scheiden, im November brennt es auf Schloss Windsor lichterloh – und im Dezember verkündet Premierminister Major im Unterhaus die Trennung von «Prince und Princess von Wales».

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Einsamer Moment: Verloren trauert die Queen im April 2021 in der St. George’s Chapel in Windsor um ihren verstorbenen Mann.

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Ausgerechnet Diana bringt das Ansehen der Königin in Verruf. Als die frühere Schwiegertochter bei einem Autounfall in Paris zu Tode kommt, hagelt es Kritik: Die Queen reagiere zu spät und zu distanziert auf die Tragödie. Ein elfjähriges Mädchen ist ihre Rettung. Als Elizabeth II. am 5. September 1997 von Balmoral nach London zurück- kehrt, entsteigt sie ihrem Rolls-Royce vor dem Buckingham-Palast und schreitet mit Philip an dem Blumenmeer in memoriam Lady Di, der Königin der Herzen, entlang. Als ihr Katie Jones einen Strauss mit fünf Rosen hinhält, fragt die Queen: «Soll ich sie für dich hinlegen?» «Nein, Majestät, die sind für Sie.» Als die Queen nachfragt: «Bist du dir sicher?», erhält sie zur Antwort: «Sie haben das richtig gemacht, dass Sie bei den Jungs geblieben sind. Wenn meine Mama tot wäre, hätte ich auch gern meine Oma bei mir.» Kurz darauf verwendet Elizabeth II. zum ersten Mal das Wort Herz in einer öffentlichen Ansprache. Das Volk vergibt der Königin. Und es leidet umso mehr mit ihr, als sie, verloren in der St. George’s Chapel von Windsor, um ihren geliebten Philip trauert.

Jetzt trauert das Volk um sie.

Von René Haenig am 17. September 2022 - 08:10 Uhr