Es war einmal vor langer Zeit, da wurde im deutschen Städtchen Heidelberg ein Mädchen geboren: Silvia Renate Sommerlath, die Jüngste nach drei Brüdern. Ihr Vater Walther ist Kaufmann, ihre brasilianische Mutter Alice entstammt einem spanischen Adelsgeschlecht. Als Kind lebt Silvia in São Paulo. Mit einem Äffchen als Haustier: «Mickey war mein Freund und Spielkamerad. Er hörte mir zu, tröstete mich und war lustig.»
Silvia erlebt in Brasiliens Millionenmetropole aber auch Armut und Elend, sieht einmal auf den Strassen sogar einen Sterbenden. Ein Anblick, der sie nie loslassen wird. «Manchmal, wenn ich zu schlafen versuche, kehrt die Erinnerung an den Toten zurück, ich sehe ihn dann vor mir.»
Silvia ist 14, als sie mit ihrer Familie nach Deutschland zurückkehrt. Sie macht ihr Abitur und eine Ausbildung zur Dolmetscherin. Neben Deutsch beherrscht sie Spanisch, Portugiesisch, Englisch, Französisch und Schwedisch sowie die schwedische Gebärdensprache. Sie arbeitet zunächst fürs argentinische Konsulat, ehe sie als VIP-Hostess für die Olympischen Sommerspiele 1972 in München verpflichtet wird, wo sie unter anderem Deutschlands Bundeskanzler Willy Brandt, Briten-Premier Edward Heath und Monacos mondänes Fürstenpaar Rainier und Gracia Patricia betreut.
Es ist die Eröffnungsfeier im Olympiastadion, 8000 Athleten aus 121 Ländern, 80 000 Fans und ein neugierig durch sein Fernglas blickender Prinz Carl Gustaf von Schweden. Keine zwei Meter vor ihm huscht eine schöne Unbekannte vorbei: Silvia Sommerlath. Sie duckt sich. Er guckt sie an. Sie lächelt. Obwohl sie drei Jahre älter ist als er – zur damaligen Zeit eine ungewöhnliche Kombination – und noch dazu eine Bürgerliche, ist der Schwede der attraktiven und begabten Deutschen bald schon mit Haut und Haar und Herz verfallen.
Geheimhaltung bis zum Tod
Der Prinz und die Hostess treffen sich in den folgenden Monaten immer wieder heimlich, besuchen verkleidet die Münchner Promi-Bar Kinky. «Es hat klick gemacht», hat die Schweden-Königin einmal über den Beginn ihrer Beziehung verraten. Silvia kutschiert ihren Prinzen im blauen VW Käfer durch Bayern. «Der war schon etwas klapprig», erinnerte sich einst Silvias Automechaniker Hans Osterholzer. Paparazzi erwischen schliesslich das turtelnde Paar und dokumentieren einen Kuss im roten Porsche 911. Carl Gustaf liebt schnelle Autos – und schöne Frauen. In der Heimat ist er als Hallodri verschrien, wie sie in Bayern sagen. Die Heidelbergerin zähmt den Playboy.
Dass Silvia und Carl Gustaf ihr Techtelmechtel nicht an die grosse Glocke hängen, geschieht nicht grundlos. Der Kronprinz würde sein Anrecht auf den Thron, das er nach dem frühen Unfalltod seines Vaters hat, verlieren, gäbe er der Bürgerlichen sein Jawort. Als Grossvater König Gustaf VI. Adolf am 15. September 1973 stirbt, ist der Weg für Carl Gustaf und Silvia frei. Der Kronprinz wird König – und als solcher ist er befugt, eine Bürgerliche zu heiraten.
Silvia Sommerlath wird nach Karin Mansdotter, der Frau von Erik XIV., und Desirée aus Frankreich, die den ersten Bernadotte-König geheiratet hatte, die dritte bürgerliche Königin von Schweden. Am Vorabend ihrer Hochzeit am 18. Juni 1976 sitzt Silvia an der Seite ihres Liebsten in der Loge der Königlichen Oper in Stockholm und lauscht der schwedischen Popgruppe Abba. Die in Barockkostümen auftretende Band widmet den neuen Song «Dancing Queen» ihrer künftigen Königin. Bei der Trauzeremonie tags darauf wirkt sogar Silvias Onkel, der Leipziger Theologieprofessor Ernst Sommerlath, mit.
Fest an der Seite des Königs
Silvia von Schweden, die sich als gläubige Christin bezeichnet, gilt als volksnah, prinzipientreu und unprätentiös. Rasch wird sie das populärste Mitglied der Königsfamilie. Viele Schweden betrachten die Deutsche wegen ihres Einsatzes fürs Königshaus gar als «Retterin der schwedischen Monarchie». Im Interview resümiert Silvia einmal: «Es heisst, ich habe ein brasilianisches Herz, einen deutschen Kopf und eine schwedische Seele.»
Silvia gilt als eine der fleissigsten Royals der Welt. Die schwedische Journalistin Ingrid Thörnqvist begleitete die Monarchin ein Jahr lang. Ihr Fazit: «Sie ist nicht nur ein Symbol und nicht nur Schirmherrin, sie arbeitet wie eine echte Chefin, die einen Betrieb leitet. Sie ist sehr entschlossen, hat einen starken Willen.» Und auch Humor: Silvia schläft auf einem Glückskissen, das der Spruch «It ain’t easy beeing queen» (Es ist nicht leicht, Königin zu sein) ziert. Ob sie damit auf Enthüllungen über schlüpfrige Herrenabende ihres Gatten anspielt? Silvia schweigt, steht felsenfest an der Seite des Königs. Über ihre Ehe sagt sie: «Ich bereue es nicht, den Menschen geheiratet zu haben, den ich liebe.» Sie schenkt ihm die Töchter Victoria und Madeleine sowie Sohn Carl Philip. Den drei Enkelinnen und fünf Enkeln liest sie gern aus «Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgänsen» vor. Dabei ist ihre eigene Reise von Heidelberg nach Stockholm nicht weniger märchenhaft.