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Nachwuchsproblem im Vatikan

Alt Bundesrätin Ruth Metzler hilft den Gardisten

Gesucht: Mann, ledig, 
katholisch! Die Schweizergarde im Vatikan hat ein Nachwuchsproblem. Nun will alt Bundesrätin Ruth Metzler helfen. An der Vereidigung der neuen Gardisten in Rom ist sie begeistert von den jungen Burschen.

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Ruth Metzler mit der Schweizer Garde

Stramm: Stiftungspräsidentin Ruth Metzler mit Schweizergardisten im Ehrenhof: 
«Ich bewundere ihr selbstloses Dienen.»

Kurt Reichenbach

Vor Gott sind alle Menschen gleich, heisst 
es in der Bibel. Nun – unter dem Regen auch. 

Rom, Piazza dei Protomartiri Romani im Vatikan, 24 Stunden vor der Vereidigung. Regentropfen prasseln wie Speerspitzen auf die Pflastersteine. Die Schweizergardisten stehen in einer Doppelreihe. Regenmäntel verdecken ihre blau-rot-gelbe Gala-Uniform, auf den Helmen fehlt die obligate Pfauenfeder – einmal nass, ist sie nicht mehr zu gebrauchen (70 Euro kostet das Stück!). 

Schweizergardisten

Der grosse Moment: Am 
6. Mai legen 
im Herzen 
des Vatikans 
23 Schweizergardisten 
ihren Eid ab.

Kurt Reichenbach

Gegenüber warten die Zuschauer: Bundesrat Ignazio Cassis, 58, Armeechef Philippe Rebord, 62, und Angehörige der Gardisten. Frauen schauen hilflos zu, wie 
der Regen in ihre Sandaletten klettert, Männer klopfen einander Tropfen von den Anzügen, und der Hintere schimpft mit dem Vorderen, weil man doch aufpassen müsse mit dem Schirm, Herrgott noch mal. 

Zuvorderst steht Ruth Metzler, 54, katholische alt Bundesrätin, als Einzige mit Regenhut. Als Präsidentin der Stiftung Schweizergarde, die die Gardisten vor allem finanziell unterstützt, ist sie nach Rom gereist, um an 
der jährlichen Vereidigung der neuen Rekruten teilzunehmen. «Ich bin begeistert von diesen aufgeweckten jungen Männern.» 

Schweizergardisten

Grosse Ehre: Bundes
rat Ignazio Cassis und seine Frau Paola 
gratulieren den frisch vereidigten Gardisten.

Kurt Reichenbach

Heute ist die Kranzniederlegung, sie findet jeweils am Vorabend der Vereidigung statt: eine Gedenkfeier für die 147 Gardisten, die im Jahr 1527 bei der Verteidigung des Papstes umgebracht wurden. Seit über 500 Jahren ist die Schweizergarde für die Sicherheit des Papstes zuständig.

Zurzeit sind 111 Männer im Dienst. 23 von ihnen werden in weniger als 24 Stunden schwören, dem Papst treu, redlich und ehrenhaft zu dienen – und im Notfall ihr Leben für ihn zu opfern. 

Tag der Vereidigung, Büro des Kommandanten im Gardequartier bei der Porta Sant’Anna. Christoph Graf, 58, wirkt erstaunlich entspannt für einen Hirten, dessen Schäfchen heute Abend ihren Eid ablegen. Vor 32 Jahren war er selbst dran – «ein sehr emotionaler Moment». «Gardist ist kein Job», sagt Graf, «das ist eine innere Überzeugung.» 

Christoph Graf

Chefbüro: 
Als Schweizergarde-Kommandant trägt Christoph Graf eine weisse Helmfeder – und kämpft 
um Nachwuchs.

Kurt Reichenbach

Doch dem Ruf des Heiligen Vaters folgen immer weniger junge Männer. Ihre selbstbestimmten Lebensentwürfe kollidieren mit den Werten, für die 
die Schweizergarde steht. «Sie müssen dienen können, die eigenen Bedürfnisse hintanstellen, diszipliniert und treu sein», erklärt Graf.

Hinzu komme die wirtschaftliche Lage der Schweiz: «Wenn es bei euch oben gut läuft, sind wir nicht mehr so attraktiv.» Weil der Dienst auf Zeit angelegt ist, müssen jedes Jahr 
30 neue Anwärter her. Darum besucht Graf jetzt Marketing-Workshops, erteilt Befehle für 
Videoclips und Facebook-Posts.

Eine Perspektive für die Familie

Ein Keller im Gardequartier, drei Stunden vor der Vereidigung. Die Gardisten bekommen stählerne Harnische angelegt. Ruth Metzler hilft dem Tessiner Nicola Crivelli beim Festzurren. «Für mich geht ein Bubentraum in Erfüllung», sagt der. Metzler lächelt. Letzten September hat sie die Gardisten persönlich kennengelernt. «Unsere Stiftung will ihnen und ihren Familien eine Perspektive bieten.»

Ruth Metzler

Schützenhilfe: Vor der Vereidigung hilft Ruth Metzler dem Gardisten Nicola Crivelli in seinen Harnisch – für den Tessiner geht ein Bubentraum in Erfüllung.

Kurt Reichenbach

2015 beschloss Papst Franziskus, dass Gardisten unabhängig von ihrem Grad nach fünf Dienstjahren heiraten und eine Familie gründen dürfen. Früher war das Offizieren, Wachtmeistern und Korporalen vorbehalten.

«Eine gute Entscheidung», sagt Metzler, «stellen Sie sich vor, Sie müssten zehn Jahre auf Ihre Braut warten – da würden Sie die Garde auch verlassen.» Ihre Stiftung unterstützt die Männer etwa 
mit Schulgeld für die Kinder an der Schweizer Schule in Rom und Familienzulagen. 

Ruth Metzler mit Stiftungsratskollege und Ex-
Mövenpick-Chef Guido Egli

In Begleitung: Ruth Metzler mit Stiftungsratskollege und Ex-
Mövenpick-Chef Guido Egli.

Kurt Reichenbach

Wo um Himmels willen lernt ein Gardist, der fast rund um die Uhr beschäftigt ist, eine Frau kennen? Hinter den Mauern des Vatikans munkelt man, so mancher sei seiner Braut beim Wachestehen begegnet. Telefonnummern austauschen geht auch im Stillen. 

17 Uhr, Damasushof des Apostolischen Palastes, Einmarsch der Gardisten. Bevor einer nach dem anderen seine rechte Hand zum Schwur hebt, richtet eine Reihe von Geistlichen das Wort an sie (der Papst ist in Bulgarien).

Je länger die Reden dauern, desto mehr Handygetippe in den Zuschauerrängen. Derweil stehen die Gardisten da wie Säulen, den Blick geradeaus gerichtet – so wie sie das mindestens die nächsten 
26 Monate tun werden. 

Abt Urban Federer

Geistliches Trio: Abt Urban Federer und die Bischöfe Markus Büchel («im Umstandsgewand») und Felix Gmür (v. l.) sind im Ehrenhof zu Spässen aufgelegt.

Kurt Reichenbach
Von Michelle Schwarzenbach am 11. Mai 2019 - 15:56 Uhr