Grandios, futuristisch, magisch. Kein anderer Pavillon stösst in Osaka auf so viel Begeisterung wie das Meisterwerk von Manuel Herz (56). «Von Heidi bis Hightech – Die Schweiz verzaubert» lautet das Motto für die Weltausstellung 2025. Bis zum 13. Oktober werden geschätzte 28 Millionen Besucherinnen und Besucher erwartet. Ein Gigaprojekt für ein Architekturbüro mit neun Mitarbeitern – sollte man meinen. Nicht so für den Basler, der Herausforderungen liebt und nachhaltig denkt: Nach der Expo ist eine Weiternutzung des Pavillons geplant.
Zauberhaft: Die ultraleichten interaktiven Seifenblasen bringen die Besuchenden an der Weltausstellung 2025 in Osaka zum Staunen. Motto des Schweizer Pavillons: «Von Heidi bis Hightech».
FDFA, Presence Switzerland/Iwan BaanWer ist der Mann, der sich in keine Schublade stecken lässt, durch Vielseitigkeit glänzt und quasi über Nacht in die internationale Liga der Stararchitekten aufgerückt ist? Herz bezeichnet sich als Kosmopolit. Er wuchs in Köln auf, studierte in England, lebt seit 18 Jahren in Basel, davor länger in Indien. Nebst dem Schweizer Pass besitzt er die israelische und die schwedische Staatsbürgerschaft, was er seinen Eltern verdankt. Das minimalistische Atelier in der Altstadt passt zu seinem zurückhaltenden Wesen. Der zweistöckige Bau wurde Ende der 80er-Jahre von Herzog & de Meuron errichtet. Mit den beiden Topshots ist er gut befreundet.
Modelle im Atelier zeigen die Vielseitigkeit: «Der Weg von der Idee bis zum fertigen Bau ist spannend, aber auch extrem aufreibend.»
Geri BornFeines Gespür für die Ästhetik
Während die Mitarbeiter am langen Tisch an Projekten feilen, sitzt der Chef dort, wo ein Platz frei ist. Manuel Herz entwirft Bauten, die einzigartig, eigenwillig und vor allem nachhaltig sind. Ob verrückte Privatvilla oder sozialer Wohnungsbau, Spital oder Flüchtlingscamp, Synagoge in der Stadt oder Gedenkstätte im Wald: Allen gemeinsam ist ein feines Gespür für Ästhetik und eine fast schon philosophische Sinnhaftigkeit. «Ich verdanke es meinem Bauchgefühl, dass ich Architekt geworden bin. Es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Architektur hat mit der Kreativität der Gedanken zu tun und bewegt sich doch nah am Leben. Wer Menschen und ihre Bedürfnisse nicht versteht, sollte die Finger von diesem Beruf lassen.»
Kühl: Das Krankenhaus Tambacounda versorgt eine Million Menschen. Es liegt in einem Hitzegebiet im Senegal und wird dank Ziegeln durchlüftet.
Iwan BaanHerz unterrichtet seit zehn Jahren an der Uni in Kyoto, trotzdem fühlt er sich im Land der aufgehenden Sonne ein wenig «fremd». «Es ist ein sehr raffiniertes, kultiviertes Land. Alle Gesten, ob beruflich oder privat, haben versteckte Codes, die wir Ausländer nur schwer entziffern können. Ich komme mir in Japan immer ein wenig vor wie ein Neandertaler.» Das ist natürlich übertrieben. Der Baumeister ist diszipliniert unterwegs. Und das trotz Jetlag: «Ich bin gestern von den Feierlichkeiten aus Japan zurückgekehrt.»
Pavillons für Weltausstellungen sind für Architekten eine Art Weltmeisterschaft. Zweieinhalb Jahre benötigten er und sein Team für den kühnen Wurf. Woher stammt eigentlich die Idee für den Schweizer Pavillon? «Er ist ein Revival. Denn 1970 gab es in Osaka schon einmal eine Weltausstellung mit verrückten, blasenförmigen Bauten. Das inspirierte mich. Daran wollte ich anknüpfen und den Impuls in die Neuzeit transportieren.»
Berühmt: Die Fassade des Wohnhauses «Ballet Méchanic» im Zürcher Seefeld wird mechanisch bewegt und steuert das Licht im Innern.
Yuri PalminDas Physische ist ihm wichtig
Gebäude sind weltweit für den Grossteil des CO2-Ausstosses verantwortlich, verbrauchen Unmengen an Ressourcen. «Die Herausforderung, die Umweltbelastung gering zu halten, fasziniert mich. Architektur ist eine der wichtigsten Disziplinen weltweit. Das raubt mir oft den Schlaf. Wir müssen uns hinterfragen, auf neue Materialien und Techniken zugreifen.» Gelungen ist ihm dies dank einer Membrantechnik, die aus vier miteinander verbundenen Kugeln besteht. «Die zweischichtige Kissenstruktur ist mit Luft gefüllt. Sie wiegt nur 400 Kilogramm – nicht mehr als ein Prozent herkömmlicher Gebäudehüllen. Alles kann mit drei Lastenfahrrädern transportiert werden.» Fast scheint es, als würden die Seifenblasen in die Zukunft schweben. Trotz aller Computertechnologie ist ihm das Physische wichtig, wie die vielen Modelle in einem Atelier beweisen: «Ein dreidimensionales Objekt in Händen zu halten, kann durch nichts ersetzt werden.»
Emotional: Herz schuf mit der Synagoge Babyn Yar bei Kiew eine Gedenkstätte, die an eines der schlimmsten Nazi-Massaker erinnert. Wolodimir Selenski gratulierte zur Eröffnung – kurz danach begann der Ukraine-Krieg.
PrivatEr zeigt die faltbare Synagoge Babyn Yar im Miniaturformat. 1941 erschossen die Nationalsozialisten westlich von Kiew in nur zwei Tagen 35'000 Juden. Es war eines der schlimmsten Massaker der Nazizeit. 2021 wurde die Gedenkstätte im Beisein von Präsident Wolodimir Selenski (47) eingeweiht. Manuel Herz: «Drei Monate später schlugen 100 Meter entfernt die ersten russischen Raketen ein. Fünf Menschen starben. Die Synagoge blieb wie durch ein Wunder unversehrt.» Mit ihrer wunderschönen kunstvollen Bemalung setzt sie am Ort des Grauens ein Zeichen der Hoffnung.
Mitten im Architekturbüro stehen Pflanzen in kleinen Kübeln. Die Natur spielt im Schaffen von Manuel Herz eine grosse Rolle. «Hier bauen wir Hanf an», sagt er lachend. «Nein, Quatsch, wir experimentieren für die Triennale in Mailand an einem lebendigen Terrarium.» Und für ein Hotel auf den Cayman Islands erschafft er auf 30'000 Quadratmetern einen Garten Eden, der die Bewohner selber versorgen wird.
Manuel Herz und seine Frau Xenia leben in Basel. Ihr Haus in der Altstadt stammt aus dem 15. Jahrhundert und wartet darauf, umgebaut zu werden.
Geri BornNur das eigene Herzensprojekt muss warten. Manuel Herz und seine Frau Xenia haben vor einem Jahr in Basel ein wunderschönes Altstadthaus erworben. Es stammt aus dem 15. Jahrhundert – und hat ebenfalls einen grossen Garten. Für den Umbau hat er bisher noch keine Zeit gefunden.