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Schweizer Filmproduzent und Oscarpreisträger

Arthur Cohn ist tot: Seine Träume leben weiter

Mit seinen Filmen hat er die Herzen berührt und den Verstand geschärft. Dafür hat Arthur Cohn sechs Oscars erhalten. Im Alter von 98 Jahren ist der Basler Filmproduzent in Jerusalem gestorben.

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<p>Eine Pinnwand voll Erinnerungen, Drehbücher in Arbeit und sechs Oscars – Arthur Cohn vor 25 Jahren in seinem kleinen Basler Büro.</p>

Eine Pinnwand voll Erinnerungen, Drehbücher in Arbeit und sechs Oscars – Arthur Cohn vor 25 Jahren in seinem kleinen Basler Büro.

Keystone

Es war um diese Zeit im Jahr, als es bei seinen Freunden an der Haustür klingelte: ein Kurier mit einem Päckli von Arthur Cohn. Egal, ob Hollywood-Stars, Sportler oder Journalisten: Seinen Lieben schenkte Cohn Zeit – in Form einer witzig-verspielten Gadget-Uhr oder eines von Kindern gestalteten edlen Kunstkalenders. Dazu eine persönliche Notiz, unterzeichnet mit einem schwungvollen «Arthur». Sogar der Portier des Beverly-Hills-Hotels in Los Angeles wurde damit bedacht. Denn dort hatte der Basler Filmproduzent seine eigene «Cabana» am Pool, und in der «Polo Lounge» war für ihn permanent ein Frühstückstisch reserviert.

Ständig war er unterwegs. Von der Schweiz nach Los Angeles und zurück. Zwölf Mal pro Jahr. Dennoch war er immer da. Nicht als der sechsfache Oscar-Preisträger, sondern als Mensch, als Freund. Er hatte einen siebten Sinn. Ging es einem schlecht oder feierte man ein Fest, so schickte er Blumen – oder Basler Läckerli. Suchte man Rat, liess er sein exzellentes Netzwerk spielen und sorgte still und leise für eine Lösung. Er liebte die Überraschung im Hintergrund mehr als das Scheinwerferlicht der grossen Bühne.

Liv Ullmann verwechselte ihn mit Kellner

Geboren wurde Arthur Cohn 1927 in eine jüdische Basler Familie. Sein Grossvater war Rabbiner, sein Vater Anwalt, seine Mutter schrieb Texte fürs Cabaret Cornichon. Schon als Kind interessierte ihn der Film. Fürs Basler Kino Küchlin schnitt er Filmkritiken aus und bekam dafür Freibillette. Als Jugendlicher schrieb er ein Drehbuch und schickte es nach Hollywood. Titel: «Am Leben vorbei». Die Antwort: «Am Film vorbei!» Da beschloss er, fortan als Produzent Drehbücher in Auftrag zu geben und sie minutiös auszuarbeiten.

Themen, die politisch, historisch oder menschlich herausfordern, faszinierten ihn. Filme wie «Black & White In Color» (1977), «Dangerous Moves» (1984), «Central Station» (1998), «One Day in September» (1990) oder «Die Kinder des Monsieur Mathieu» (2004) zeichnen sein Lebenswerk. Hollywood entdeckte die Tiefe seines Schaffens. Dem Glam der Filmmetropole hat er sich aber nie unterworfen. Beim Apéro zu seiner ersten Oscar-Nomination verwechselte ihn Liv Ullmann mit einem Kellner und bestellte einen Champagner. Er brachte ihn sofort. Als er später auf der Bühne für seinen Film «The Sky Above, the Mud Below» den Oscar erhielt, rief Ullmann: «My waiter wins an Oscar!» Seither verband sie herzliche Freundschaft.

Stars liebten Cohn wegen seiner Feinfühligkeit und Treue – und seiner Fähigkeit, einen moralischen Massstab zu setzen, ohne zu belehren. Steven Spielberg gestand ihm: «‹Schindler’s Liste› hätte ich nie gemacht, hätte mich dein Film ‹Der Garten der Finzi Contini› nicht so aufgewühlt.» 1992 erhielt Cohn als erster Nichtamerikaner einen Stern auf Hollywoods «Walk of Fame». Schauspiellegende Kirk Douglas nannte ihn in seiner Laudatio «einen der wenigen Menschen in Hollywood, der noch Seele hat». Bürgermeister Tom Bradley erklärte den 17. November in seiner Stadt zum «Arthur Cohn Day».

Cohn war auch fordernd – und manchmal eine Nervensäge. Mit seiner fanatischen Detailversessenheit trieb er Drehbuchautoren und Regisseure zur Verzweiflung. Sein Motto: «Ich höre nie auf, bis es perfekt ist.» Daneben war er grosszügig, liebenswert und anhänglich – teils bis zur Aufdringlichkeit. Beim Gruss umarmte er Frauen oft unbeholfen und drückte ihnen einen dicken Kuss auf die Wange. Eine Geste, durch die sich manche bedrängt fühlten. Arthur Cohn war eitel. Sein wehendes Haar liess er sich am Rodeo Drive von Star-Coiffeur Udo Walz tönen. Journalisten mahnte er, sein Alter ja nie zu erwähnen. Zeit war für ihn zum Schenken da, nicht zum Zählen.

Am Ende zählte für ihn die Familie

Zeitlos bleibt er in Erinnerung – als ein feiner Mensch mit grossen Träumen, als hochverehrter Filmemacher in Hollywood und als Basler mit Herz und Blut. «Für Arthur Cohn war ein Leben ohne Filme nicht möglich, genauso wenig wie ein Leben ohne Familie und Freunde. Beides hat er mit Leidenschaft verteidigt und gepflegt», sagt die deutsche Schauspielerin Iris Berben. «Ich durfte mich seine Freundin nennen, bin dankbar für die besonderen Shabbat-Dinner, für grossartige Filmpremieren, für unerwartete Basler Naschereien. Und das Kennenlernen seiner wunderbaren Familie.»

Diese rückte für Arthur Cohn am Ende seines langen Lebens ganz in den Fokus. In der Corona-Pandemie verliess er seine Wohnung in Basel, um nach Israel zurückzukehren, zu seiner Frau Naomi – Tochter von Israels Mitbegründer Chaim-Mosche Schapira –, zu seinen drei Kindern und seinen Enkeln. Den Abschied von dieser Welt hätte er wahrscheinlich am liebsten verschwiegen. Denn er scheute jedes Aufsehen um seine Person. «Nicht ich bin wichtig, sondern meine Arbeit», sagte er in seiner typischen Bescheidenheit. Am liebsten war ihm der Titel, den ihm einst Jane Fonda verlieh: «Ein Herz auf zwei Beinen»!

Von Zeno van Essel am 20. Dezember 2025 - 18:00 Uhr