Mit Elan und vielen Informationen führt SRF-Moderator Urs Gredig, 50, durch die Gänge des Hotels Meierhof in Davos. Bis Mitte der 80er-Jahre gehörten die Räumlichkeiten aus dem 19. Jahrhundert seiner Familie mütterlicherseits – vier Generationen lang. «Nani Silvia hat es nach dem Tod meines Grossvaters selbstbewusst und autonom alleine geführt», sagt er. «Sie war eine tolle Frau, extrem emanzipiert. Meine Grossmutter war eine wahre Hotelière, damals in der Schweiz noch nicht alltäglich.» Seine Eltern leben noch heute in Davos, seine Mutter besitzt im Hotel Meierhof eine Wohnung für Bekannte und die Familie. Hier weilt der «Gredig direkt»- und «10 vor 10»-Moderator mit seiner Frau Marion und den beiden Kindern Lili, 13, und Charles, 11, regelmässig.
Urs Gredig, Ihre Eltern stammen beide aus Davoser Hotelier- familien. Wieso hat es Sie nicht in diese Branche verschlagen?
Dieser Beruf ist nicht passend für mich, es ist ein harter Job, man muss dafür geboren sein. Doch jetzt während der Corona-Zeit, durch all die Nöte der Hotellerie, merke ich schon, dass es meine Wurzeln sind.
In Ihrem Dialekt ist von Ihrer Bündner Herkunft wenig hörbar.
Meine Eltern liessen sich in den 70er-Jahren scheiden. Meine Mutter ging mit meinem Bruder und mir ins Unterland, da war ich etwa zwei. Der Dialekt hat sich so natürlich verloren. Aber ich bündnere mehr, wenn ich hier oben bin.
Gastgeber sind Sie mit «Gredig direkt» dennoch geworden. Haben Sie von einem eigenen Talk geträumt?
Ich fands immer sehr spannend, und ein halbstündiges Gespräch liegt mir, hat zeitlich einen guten Flow.
«Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich dafür rechtfertigen muss, dass ich ein ‹Netter› bin»
Der Weg zur eigenen Talkshow dauerte. Nach seinem Geschichts- und Journalismusstudium beginnt Urs Gredig 2003 beim Schweizer Radio und Fernsehen zu arbeiten – zuerst kurz in der Abteilung Unterhaltung, nach einem Jahr bereits für die «Tagesschau», deren Hauptausgabe er sechs Jahre moderiert. 2013 macht er einen Abstecher nach London und wird Grossbritannien-Korrespondent. 2017 verlässt er das SRF ganz und wird Chefredaktor von CNN Money Schweiz. «Das war spannend, ein super Learning, mal Chef und in der Privatwirtschaft zu sein.» Im Februar 2020 – kurz bevor der Privatsender eingeht – kehrt er zum SRF zurück. Hier verstärkt er das «10 vor 10»-Team und erhält seinen eigenen Talk.
«Gredig direkt» ist nun ein Jahr auf Sendung. Sie wurden öfters als zu brav kritisiert. Sind Sie ein Harmoniemensch?
Nicht unbedingt, aber ich habe es gerne gut, bin kein Streitmensch. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich dafür rechtfertigen muss, dass ich ein «Netter» bin. Man kann nett sein und dennoch journalistisch das Wichtige abholen. Ich bin eher aus der Ecke der angelsächsischen Tradition, Talks bei BBC oder CNN sind angenehme, aber angriffige Interviews. Ich will mit meinen Gästen ein Gespräch, das sich wie ein Kennenlernen in der Bar oder im Restaurant anhört.
Von Fifa-Chef Gianni Infantino über Nationalrätin und Unternehmerin Magdalena Martullo-Blocher bis hin zu Schlagersängerin Beatrice Egli hat Gredig schon viele Persönlichkeiten begrüsst. «Kritische Fragen, die auf dem Tisch liegen, muss man stellen», sagt Gredig. «Aber ich schiesse nicht gleich rein, sondern frage meist das, was sich mir als Erstes aufdrängen würde, wenn ich woanders auf die Person träfe.» Am World Economic Forum in Davos – seine Familie väterlicherseits beherbergt Gäste seit dessen Gründung – traf Urs Gredig letztes Jahr auch sehr kurz auf US-Präsident Donald Trump. Diesem Treffen hat Gredig seinen allerersten Post auf Instagram gewidmet. «Social Media gehört mittlerweile dazu, birgt aber auch Gefahren und Fallgruben. Ich will nicht auf berufsjugendlich machen.»
«Mit meinen Gästen will ich ein Gespräch, das wie ein Kennenlernen in der Bar ist»
Wissen Sie noch, welche Frage Sie Herrn Trump gestellt haben?
(Lacht.) Vermutlich habe ich nur gesagt: «Mister President, welcome to Switzerland.»
Sie fragten: «How was your trip?» Immerhin hat er Ihnen mit «Great» geantwortet.
(Lacht.) Ja, das war alles andere als eine Interview-Situation.
Mit welcher Frage rennt man bei Ihnen eine offene Tür ein?
Mit allem, was mir Spass macht, mich bei meinen Hobbys abholt. Fussball ist immer ein guter Anhaltspunkt.
Machen Sie häufig Sport?
Nicht viel. Seit 30 Jahren spiele ich mit einem guten Kollegen hobbymässig Tennis. Und ich schaue sehr viel Fussball mit meinem Sohn oder sehe zu, wenn er spielt. Früher schauten wir GC, seit meiner Zeit als England-Korrespondent sind wir englisch orientiert, weils einfach der bessere Fussball ist.
Fahren Sie Ski oder Snowboard?
Ski. Im Alter von 30 Jahren hatte ich das Gefühl, dass ich auch snowboarden sollte. Also brachte ich es mir bei. Doch weil ich immer hinfiel, wechselte ich wieder auf die Ski. Marion und ich sind die Skifahrer in der Familie, die Kinder die Snowboarder.
Von der Ferienwohnung aus ist der Blick frei auf das Jakobshorn. Dort ist er so gut wie nie auf der Piste anzutreffen. «In Davos gibts so etwas wie eine spielerische Konkurrenz zwischen Dorf und Platz. Wir sind Dorf und fahren somit auf Parsenn.» Die Bahnen hat sein Neni väterlicherseits damals mitgegründet und auch geholfen, das traditionelle Parlamentarier-Skirennen ins Leben zu rufen. Die Geschichte von Davos interessiert Gredig. Seinem Heimatort hat er seine Lizenziatsarbeit gewidmet. «Darauf hat mich Nani mit ihren Erzählungen gebracht. Davos war als Kur- und Fremdenort während des Zweiten Weltkriegs ein Brennpunkt. Deutsche, Alliierte, Nazi-Parteien waren hier, Nationalist Wilhelm Gustloff wurde 1936 hier erschossen. Und mein Nani war mittendrin.» Ihre Erzählungen haben Urs Gredig bei der Arbeit geholfen. «2004 starb Nani 96-jährig, aber sie war und bleibt mein erstes Vorbild.»