«Der Lockdown hat mir die Existenzgrundlage genommen. Seit zehn Jahren betreibe ich erfolgreich einen Catering-Service. Meine Spezialität: alles ausser Sushi. Und als Störköchin bereite ich zusätzlich Speisen in den Küchen meiner Kunden zu. Das alles geht zu Corona-Zeiten nicht mehr. Bis Juni ist alles annulliert. Ich verstehe die Lage zwar, aber ich lebe immerhin vom Catering.
Vor über einem Monat beantragte ich bei der Ausgleichskasse Ausfallzahlungen. Als ich länger nichts hörte, hakte ich nach. Sie antworteten, ich solle mich gedulden. Doch wie soll ich meine Miete zahlen? Ich habe zwar Erspartes für ein paar Monate. Aber die Gastronomie wird ja bekanntlich zuallerletzt geöffnet. Und in meinem Fall ist es noch ungewisser, wann es wieder richtig losgeht. Wann sich die Leute beispielsweise wieder getrauen, eine fremde Person bei sich zu Hause kochen zu lassen.
Ich wollte mich nützlich machen während dieser auftragslosen Zeit. Da habe ich realisiert, dass es direkt vor meiner Haustür beziehungsweise vor meinem Fenster Kundschaft gibt. Für die Nachbarn koche ich nun jeden Werktag ein Mittagsmenü: Suppe, Hauptgang mit Vegi-Option und Dessert. Ausgabe ist an meinem Küchenfenster. Das Menü des Folgetags klebe ich jeweils an die Scheibe. Kinder fotografieren das Menü mit ihren Handys und zeigen es den Eltern. Eine Nachbarin spähte sogar mit dem Feldstecher zu mir rüber. Ich mache nicht das grosse Geld, es reicht gerade, um über die Runden zu kommen. Zu meinem Mittags-Take-away kommt noch ein Herzensprojekt dazu. Ich schreibe an meinem zweiten Kochbuch.»