Eine Auktion ist ein Konzert, ein beschwingtes Allegretto, und das muss, wie schon Mozarts Vater schrieb, «scherzhaft vorgetragen werden». Cyril Koller hat offensichtlich Sinn für Musik – und für Humor. Sein Singsang changiert zwischen Hochdeutsch («Tausendsiebenhundert, tausendsiebenhundert sind geboten»), Englisch («What a beautiful piece, Ladies and Gentlemen!») und Schweizerdeutsch («Wäge hundert Frankä sött me aso nöd ufhöre»). Eine Strophe nach der anderen trägt der Auktionator vor, bis sein Hammerschlag die Spannung im Raum endlich löst – aber erst nach einer letzten Pause: «Zum Ersten, zum Zweiten … niemand mehr? … zum Dritten … verkauft!»
Der fauchende Schädel
An einem Dienstagabend um 17 Uhr wird in Zürich ein Dinosaurierskelett versteigert. Allerdings erst am Ende, der Höhepunkt kommt zum Schluss. Trinity ist ein Tyrannosaurus-Rex-Skelett, zusammengesetzt aus den Knochen dreier Tiere, zur Vollständigkeit ergänzt mit 50 Prozent künstlichem Material. Der massive Schädel zur Linken von Cyril Kollers Bühne scheint in den Raum zu fauchen: «Wer wird mich heute kaufen?» Und warum wird kurz danach eine Frau im roten Kleid erleichtert einen Schluck Wasser trinken?
Zahn eines Urzeit-Hais und «Barbarella»
Von Anfang an: Die Auktion «Out of this World 2» des Auktionshauses Koller hat nicht nur Kaufinteressierte angezogen, sondern auch viele Schaulustige und um die 30 Medienleute. Cyril Koller könnte glücklicher nicht sein. «Das ist ein guter Auktionstag!», verkündet er, bevor er loslegt. Über seinen Tisch gehen: der Zahn eines Urzeit-Hais (Fr. 5000), ein Raumfahranzug (gebraucht, Fr. 73'500), das Ei eines Elefantenvogels (Fr. 18'571).
Aber auch ein Poster des Films «Barbarella» mit Jane Fonda (Fr. 1250), eine ausgestopfte Schneeeule (Fr. 5000) und ein von Radlegende Eddy Merckx gefahrenes Velo (Fr. 22'260). Unterschiedlicher könnten die Objekte kaum sein. Aber jedes von ihnen hat am Anfang eine Lot-Nummer und am Ende einen Verkaufspreis.
Entwickelt sich um ein Objekt vor lauter Begierde ein kleiner Bieterkrieg, kommt Cyril Koller richtig in Schwung: In 500-Franken-Schritten rattert er die Preisskala hoch, dreht den Kopf wie bei einem Pingpong-Match, ruft aus: «Ja! So muss das sein!» Und zählt im gleichen Atemzug noch weiter nach oben. «Ein bisschen kämpfen gehört dazu», findet er, und dann fällt wieder der Hammer. «Verkauft!»
Jetzt kommt «Lot 979»
Das Publikum in der oberen Etage des Auktionshauses Koller findet das sehr unterhaltsam, doch gleichzeitig wächst die Ungeduld: Wann kommt Trinity? Seit über einer Stunde stellen die Fotografen für sie ihre Objektive scharf, testen Radioleute leise ihre Mikrofone. Dann ist es endlich so weit. «Lot 979», das Dinosaurierskelett Trinity. Werden Hände im Saal hochgehen? Nein, aber die Expertinnen am Telefon wirken hoch konzentriert. Drei von ihnen haben zu Beginn den Hörer am Ohr. Der Preis steigt von den vorgegebenen 4,5 Millionen langsam immer höher. Der Saal wird so still, dass das Gemurmel an den Telefonen hörbar wird. Wer ist am anderen Ende dieser Leitungen?
Ein Hörer wird rasch wieder aufgelegt – Verhandlung erfolglos. Dann strahlt plötzlich die Frau im roten Kleid, Karoline Weser. «Yes, okay, thank you. Bye-bye», sagt sie und beendet so das Telefonat. Es erleichtert einen «kultivierten europäischen Sammler» um 5'548'300 Franken (inkl. Aufgeld) und bereichert ihn um ein elf Meter langes Dinosaurierskelett. Applaus im Raum – Trinity hat einen neuen Besitzer. Über den darf Karoline Weser natürlich nichts verraten. Darauf angesprochen, dass sie mit ihrem Anrufer englisch gesprochen hat, obwohl sie selber Deutsche ist, schmunzelt sie nur. Es bleibt ein gut gehütetes Geheimnis.
Offensichtlich ist aber ihre Erleichterung. Sie steht ihr ins Gesicht geschrieben. Nach einem grossen Schluck Wasser erzählt Weser, dass sie sich normalerweise mit den Gemälden alter Meister befasst. «Ein Dinosaurier war auch für mich etwas ganz Besonderes.»
Trinity, die alte Meisterin, hat alle anderen Objekte dieser Auktion in den Schatten gestellt. Bleibt zu hoffen, dass ihr neuer Besitzer sie nicht vor der Öffentlichkeit verbergen wird – und wir ihr nicht für immer «Bye-bye» sagen müssen, sondern lieber «See you soon!».