Da ist es wieder. Dieses spontane, laute Lachen, bei dem das Gegenüber nicht anders kann, als mitzulachen oder zumindest zu grinsen. Seit zwei Jahren kennen es die Schweizer Skifans, seit Corinne Suter an der Ski-WM in Åre überraschend zwei Medaillen gewonnen hat. Was zwei Jahre ausmachen können! Damals die von Tränen übermannte 24-Jährige, heute die souveräne, strahlende Abfahrts-Weltmeisterin.
Nun sitzt sie da in der Sonne von Cortina. Noch ein bisschen ungläubig, zu dieser Liste zu zählen, denn sie war noch nicht mal geboren, als Maria Walliser 1989 als letzte Schweizerin Abfahrts-Gold geholt hat. Doch in diesen zwei Jahren ist alles möglich geworden. Die Bescheidenheit ist noch da, auch steht Suter nach wie vor nicht so gern im Mittelpunkt. Und doch füllt die Schwyzerin diese Rolle als nächste Schweizer Skikönigin sympathisch und einnehmend aus.
«Ich rede mit Angelo, wenn ich mal zweifle. Dann ist der Zweifel schon wieder weg»
Corinne Suter
Als Suter in Åre damals ihre Medaillen mit ihrer Familie im House of Switzerland feierte, war auch Angelo Alessandri dabei. Die Liebe zwischen den beiden war noch ganz frisch, als Suter auf der Piste den Durchbruch schaffte. Sie zieht den Vergleich selbst. «Es ist lustig: Der Knopf ging bei mir in den letzten zwei Jahren auf – und so lange sind wir nun auch zusammen. Ich will nicht sagen, dass es wegen ihm ist, aber ich habe ihm sicher sehr, sehr viel zu verdanken», sagt die 26-Jährige über ihren sechs Jahre älteren Freund.
Sie hat gelernt, sich zu öffnen
Suter hat die vielen Puzzleteilchen für ihre Karriere in den letzten Jahren schön eingepasst. Von der lebensfrohen und emotionalen Physiotherapeutin bis zum Servicemann, den nichts aus der Ruhe bringt – bei ihnen fühlt sie sich optimal aufgehoben. Und Angelo kommt vor allem dann ins Spiel, wenns mal nicht so läuft. «Er ist vom Typ her ein lebensfreudiger Mensch. Ich glaube, bei ihm kann passieren, was will, er sieht immer etwas Positives. Wenn ich mal zweifle, rede ich mit ihm. Und dann gehts nicht lange, bis der Zweifel schon wieder weg ist. Das schätze ich enorm.»
Wenn die sportlichen Resultate früher einmal fehlten, zog sich Suter zurück. In den heftigsten Zeiten liess sie in diesen Momenten niemanden an sich heran, nicht mal ihre Familie drang zu ihr durch oder wusste, wie es ihr geht. Mittlerweile hat sie gelernt, sich zu öffnen. «Ich habe gemerkt, dass es mir besser geht, wenn ich mit jemandem rede und das so verarbeiten kann.»
Seit der WM in Åre stand sie im Weltcup 13-mal auf dem Podest. Ausgerechnet aber im Monat vor der WM lief es nicht perfekt, fuhr sie auf die Plätze 7 bis 14. «Wir haben viel, viel kommuniziert im Vorfeld», sagt Angelo, 33, der ein paar Corona-Tests auf sich genommen hat, um bei der WM-Abfahrt in Italien dabei zu sein. Am Morgen des Rennens zündet er für seine ebenfalls gläubige Freundin dann in einer Basilika noch eine Kerze an und betet für Corinnes Gesundheit. «Das ist das Wichtigste. Auch wenn man das immer einfach so sagt, es stimmt halt.» Angst hat der Versicherungsberater nicht, wenn Corinne fährt. Nicht mehr. Heute sei er einfach voller Adrenalin, wenn er ihr zuschaut. «Ich bin sehr stolz auf sie.»
Stolz ist auch Suter selbst nach ihren beiden Medaillen. Weil sie es eben geschafft hat, sich diesmal im Vorfeld trotz den Resultaten nicht verrückt machen zu lassen. Nicht «verkopfen», nicht über alles die Kontrolle haben wollen, nicht zu viel über Details nachdenken. Das sagt sich so leicht, dieses «einfach Ski fahren», dass man nichts anderes machen muss als im Training, auch wenns um WM-Gold geht. Nach dem Besten zu streben und dennoch nicht dem Perfektionismus zu verfallen: Das zu meistern, dauert Jahre. «Nun ist es mir sehr gut gelungen.»
«Es ist mir diesmal gut gelungen, nicht zu verkopfen»
Corinne Suter
Von wo genau sie den Ehrgeiz hat, ja diese Verbissenheit, weiss Suter auch nicht so recht. Von den Eltern eher nicht. Und auch in den Skiklub wollte sie zuerst nicht, weil sie aus blosser Freude fuhr. Doch da waren eben schon die Momente auf der Piste mit ihren drei Brüdern. Zwei sind älter, einer jünger als sie, und sie verbringen jede freie Minute im Skigebiet auf der Ibergeregg, fordern einander ständig heraus.
Corinne lernt zu beissen, zu kämpfen. Und was auch sonst schon so war – eine schlechte Note in der Schule ging gar nicht –, folgt dann sehr rasch auch im Ski: Sie will gut sein. Im Sportinternat in Engelberg etwa plagt sie das Heimweh. Doch Zweifel, ob sie mit dem Skisport auf die richtige Karte setzt, die hat sie nie.
Gegenseitige Wertschätzung mit Lara Gut-Behrami
Und nun ist sie Abfahrts-Weltmeisterin. Als sie nach der Goldmedaille nach Hause anruft, herrscht ein paar Minuten lang Schweigen, weil alle einfach weinen und nichts sagen können. «Da haben wir gesagt, dass wir es später nochmals versuchen», sagt Corinne lachend. Sie lacht auch, als sie hört, dass Lara Gut sie als «eine der nettesten Teamkolleginnen» bezeichnet, die sie je gehabt habe. Dann wird sie aber ernst: Lara habe zu ihr geschaut, als es bei ihr nicht so lief. Mit Hochs und Tiefs kennt sich diese schliesslich aus. «Das werde ich ihr nie mehr vergessen.» Umso schöner, sind momentan beide im Hoch.