Liebe Delia Mayer, lieber Stefan Gubser,
Abschiede sind nichts Tolles. Kaum jemand sagt gern für immer «tschau». Aber für euch und uns TV-Zuschauer ist es nun an der Zeit. Am Sonntag ermittelt ihr zum allerletzten Mal als «Tatort»-Kommissare Liz Ritschard und Reto Flückiger.
Ich bin Fanin der ersten Stunde. Nicht unbedingt von Ritschard und Flückiger, aber vom «Tatort». Sonntag für Sonntag zockelt mein Liebster aus dem Wohnzimmer, während ich mich den Kriminalfällen am Bildschirm widme.
In den vergangenen sieben Jahren habt ihr 16 Fälle gelöst. Das ist eine stolze Zahl. Und es waren wirklich tolle Krimis dabei. Gleich der erste, «Skalpell», widmete sich einer ganz aussergewöhnlichen Thematik. Es ging um Zwitter und deren grausamem Start ins Leben, weil von Eltern und Ärzten über das Geschlecht entscheiden wird. Dieser Fall war klasse!
Auch «Freitod» war eine tolle Idee – und konnte so nur in der Schweiz spielen. Ging es doch um begleiteten Suizid.
Ganz gross war der gescholtene One-Take-«Tatort» «Die Musik stirbt zuletzt». Im Vorfeld wurde eurer Fall in der Luft zerrissen. Doch anschliessend mussten alle klein beigeben und gestehen: Das war grosses Krimi-Kino.
Aber, und es tut mir in der Seele weh, das zu schreiben: Von den sieben Jahren mit euch wird nicht viel bleiben. Herr Gubser, Sie haben mal gesagt, es habe den Figuren an Fleisch gefehlt. Zu viel habe sich auf Drehbuch und Fälle konzentriert. Wie recht Sie da haben!
Die Fälle waren fast ausnahmslos aufwändig, spannend, ja fast virtuos durchdacht. Aber Sie und Ihre Kollegin hat man komplett vernachlässigt.
Sie, Delia Mayer, besonders. Sie sind ohne Frage eine tolle Schauspielerin und Liz Ritschard hätte eine richtig spannende Kommissarin sein können. Immer wieder wurde suggeriert, dass sich Ritschard zu Frauen hingezogen fühlt, aber tiefer in diese Thematik wollte man nicht tauchen. Ein Seich, wie ich finde!
Wiedermal der typische Schweizer Kompromiss. Man will spannend sein, aber bitte nicht anecken. Eine lesbische Kommissarin? Ja, vielleicht. Vielleicht auch nicht.
Ganz zum Schluss, bei ihrem letzten Fall «Der Elefant im Raum», in der allerletzten Szene, spricht Liz Ritschard es endlich aus. Sie sagt zu Flückiger: «Schad bisch kei Frau!»
«Schad, hesch das nid früehner gseit», finde ich.
Und auch bei Reto Flückiger wäre es für die «Tatort»-Macher so einfach gewesen, einen spannenden, knorzigen, tiefgründigen Ermittler zu zeichnen. Wenn man ihm doch einfach eine Hintergrundgeschichte gegeben hätte.
Stefan Gubser, Sie stehen Ihrer Kollegin Mayer in Sachen Schauspielkunst in nichts nach – doch mit zusammengebundenen Schnürsenkeln läuft halt niemand einen Marathon. Immer, wenn der Ansatz einer Story neben dem Kriminalfall aufflammte, kippten die Drehbuchautoren souverän einen Eimer Wasser drüber.
Natürlich beschweren sich immer alle, die «Tatort»-Kommissare würden mit zu vielen privaten Problemen ausgestattet. Doch sind wir mal ehrlich: Die beliebtesten Ermittler sind die, mit eigenen Geschichten, Charakterzügen und Knorzen.
Zum Beispiel Dr. Karl Friedrich Börne aus Münster (gespielt von Jan Josef Liefers). Er ist ein zwanghafter Narzisst, der spezieller nicht sein könnte.
Bibi Fellner aus Wien (zauberhaft von Adele Neuhauser gespielt) ist liebenswürdig, chaotisch und eine trockene Alkoholikerin, die immer wieder mit ihrer Sucht kämpft.
Charlotte Lindholm auf Göttingen (Maria Furtwängler) zeigt wunderbar den Kampf einer weiblichen Kommissarin in einer Männerdomäne.
Seht ihr, es braucht nicht viel.
Hoffen wir, dass die Schweizer «Tatort»-Macher aus ihren Fehlern gelernt haben und unseren neuen Kommissarinnen Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) mehr Profil erlauben.
Und jetzt, zum Schluss, schütteln wir uns gut schweizerisch die Hand, machen die Faust im Sack und sagen: «Schön wars.»
Wars leider nicht, aber das war nicht eure Schuld, lieber Stefan Gubser und liebe Delia Mayer.
Danke dennoch,
eure Berit Gründlers