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Marc Sway über abgebrochenes Reggae-Konzert

«Das grösste Gut der Musik ist, dass sie Menschen verbindet»

Dass einer Schweizer Band ein Konzerts in Bern aufgrund der Musikrichtung und entsprechender Frisur abbrechen musste, sorgt über die Landesgrenze hinaus für Schlagzeilen. Der Vorfall regt zum Nachdenken über Aneignung und Enteignung fremder Kulturgüter an — auch beim Schweizer Pop-Rock-Musiker Marc Sway.

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Dodo and Friends Switzerland, Bern - May 10, 2018. Dodo and Friends perform a live concert at Bierhübeli in Bern. Here singer Marc Sway seen live on stage. Bern Switzerland PUBLICATIONxNOTxINxDENxNOR Copyright: xGonzalesxPhoto/TilmanxJentzschx

Der Schweizer Pop-Rock-Musiker Marc Sway verfolgt die hitzige Debatte rund um die «kulturelle Aneignung» mit grossem Interesse. 

imago images/Gonzales Photo

«Hippie-Bus» oder «Zürimaa»: Die Mundartlieder des Schweizer Sängers Dodo sind eindeutig dem Reggae-Genre, das seinen Ursprung in Jamaika hat, zuzuordnen. Schweizer Künstlerinnen und Künstler wie Steff la Cheffe, Stress oder Bligg bedienen sich derweil mit ihren Rapsongs einer afroamerikanischen Kultur. Und auch die Musik des Aargauer Soul-Sängers Seven hat ihre Wurzeln in der afrikanischen US-Diaspora. Bislang alles so normal wie alltäglich.

Nun wurde aber einer bislang unbekannten Schweizer Reggae-Band namens Lauwarm während eines Konzertes in Bern der Stecker gezogen. Dies, weil die fünf weissen Bandmitglieder mit Dreadlocks auf der Bühne ebenfalls eine Musik performen, die Kulturgut einer einstig kolonialisierten Minderheit ist. 

Der Konzertabbruch in der Brasserie Lorraine löst heftige Reaktionen aus. Landauf, landab ist ein Diskurs über die sogenannte «Cultural Appropriation» —  über die kulturelle Aneignung — entfacht. So wird heftig darüber debattiert und gestritten, ob es denn überhaupt erlaubt ist, sich als weisse Person des Musikstils einer Minderheit zu bedienen. Darf man als weisse Person Musik machen, die ihren Ursprung in einer einst von Weissen unterdrückten Gemeinschaft hat? 

Kosmopolit Mark Sways Meinung ist zweigeteilt

Der Schweizer Pop-Rock-Musiker Marc Sway verfolgt diese hitzige Debatte mit grossem Interesse. Die Meinung des Schweizer Künstlers zum aktuellen Thema ist zweigeteilt: «Ich finde es zwar wichtig und richtig, dass man in der Schweiz die Themen der Kolonialisierung und der postkolonialen Verantwortung aufgreift.» Doch die Art und Weise — und vor allem auch auf welchen Schultern — diese ganze Diskussion nun geführt werde, sei problematisch. Die Band Lauwarm sei in dieser ganzen Sache schlicht ein Bauernopfer.

Als Schweizer mit angolanischen, brasilianischen und portugiesischen Wurzeln steht er in dieser Debatte irgendwie mittendrin — und gleichzeitig auch ausserhalb der Schusslinie. Und genau diese Sonderstellung stimmt den Sohn einer brasilianischen Perkussionistin und eines Schweizer Rocksängers nachdenklich: «Ist nur das Glück meiner vielfältigen Herkunft für mich heute die Legitimation, World-Music zu machen?» fragt er rhetorisch. 

Der Musik Sorge tragen

«Hobby-Kultur-Polizisten dürfen darüber entscheiden, welche Musik erlaubt ist, wann man sie mischen darf und wann nicht — das finde ich problematisch», sagt Sway. Dabei wirft der Zürcher einen Blick in die Vergangenheit: «Elvis hat auf schwarze Musik zurückgegriffen und diese gleichzeitig gross gemacht. Im Gegenzug hat Ray Charles Country-Musik in seinen Soul einfliessen lassen. Kann man nun urteilen, was hier richtig und falsch ist?»

In Marc Sways zweiter Heimat Brasilien habe der Mix verschiedener Stilrichtungen zudem für neue Verbindungen zwischen Menschen gesorgt. Für den 43-Jährigen, der sich selber als einen Kosmopoliten sieht, hat Musik also in erster Linie etwas Vereinendes: «Das grösste Gut der Musik ist, dass sie rund um den Globus Menschen verbindet.» Deshalb ist für den Schweizer Künstler klar: «Wenn man die Musik stoppt, dann schadet man der Kultur mehr, als man ihr nützt — auch wenn dies zu einem vermeintlich guten Zweck geschehen ist.»

Von Mira Weingartner am 28. Juli 2022 - 17:00 Uhr