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Bank geht auch anders

«Das ist unser Direktorenzimmer»

Ohne Etikette, ohne Anzug und Krawatte. Und das seit 25 Jahren. Marc Bürki und Paolo Buzzi sind die ungewöhnlichsten Bankchefs der Schweiz. Und ihre Swissquote spannt jetzt sogar mit der Postfinance zusammen.

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Marc Burki, Swissquote-CEO

Ein Direktorenzimmer im Groove einer Studentenbude. Marc Bürki (r.) und Paolo Buzzi wurden in Lausanne auf dem EPFL-Campus zu «Brüdern».

Kurt Reichenbach

Es ist eine Männerfreundschaft wie aus dem Bilderbuch. «Es begann auf dem Campus der EPFL in Lausanne», erzählt Marc Bürki, 59, während er im hauseigenen Pub seiner Bank Swissquote in Gland VD seinem gleichaltrigen Freund, Co-Bankgründer Paolo Buzzi, ein Bier zapft. «Ich hatte mit meiner damaligen Freundin abgemacht. Und da stand ein mir unbekannter Student, der heftig mit ihr am Flirten war.» Paolo Buzzi lacht. «Ja, ich erinnere mich gut. Sofort machte es zwischen uns Klick – also zwischen mir und Marc!» Buzzi studierte damals Mikrotechnik, Bürki Elektroingenieur. «Wir haben uns nie die Freundin geteilt, aber wir sind wie Brüder.»

Diese Fraternité ist auch heute noch – 25 Jahre nach der Gründung der Internetbank Swissquote – gelebter Alltag. Die beiden Freunde aus der Studentenzeit teilen weiter wie früher das Büro, sie gehen fast jeden Abend zusammen auf ein Bier und freuen sich auf die baldige Wiedereröffnung ihres Pubs. «Das ist für uns mehr als ein Gag», sagt Bürki. «Hier waren wir vor Corona praktisch jeden Tag. Hier reden wir mit unseren Mitarbeitern, und hier haben wir schon so manches Problem geregelt. Das erste Bier geht immer auf Rechnung des Hauses», sagt der Berner. «Aber wenn eine gute Idee lanciert wird, zahlen wir auch noch das zweite oder dritte.»

Marc Burki, Swissquote-CEO

Stets online. Marc Bürki checkt bei Paolo Buzzi kurz die Kurse und zapft im eigenen Pub ein Bier. «Am liebsten ein Guinness.»

Kurt Reichenbach
Marc Burki, Swissquote-CEO

Fast Food in der Kantine. Bankdirektor Marc Bürki wärmt für sich einen Teller Pasta in der Mikrowelle.

Kurt Reichenbach

Zur eigenen Bank kamen die beiden Freunde eigentlich «par accident», wie der Tessiner Buzzi erklärt. «Wir hatten Tools entwickelt, die das Geschehen an der Börse in Echtzeit abbilden.» Aber die Banken hatten an dieser Erfindung keine Freude. Marc Bürki erinnert sich: «Wir waren mal bei einer Genfer Privatbank und wollten ihnen eine Homepage von uns verkaufen. Doch die erklärten uns allen Ernstes, dass sie als Privatbank kein Internet brauchen.» Und die Idee, dass die Kunden gleichzeitig wie die Bankberater die Aktienkurse sehen können, gefiel den Banken noch viel weniger, sie fürchteten, damit den Informationsvorsprung auf die Kunden zu verlieren, die damals nur die Aktienkurse in der Zeitung lesen konnten. Buzzi nimmt einen kräftigen Schluck Bier und sagt: «So kamen wir auf die Idee, selber eine Bank zu gründen. Wir wollten alles allen transparent machen. Wir wollten das Bankgeschäft demokratisieren.» Damit auch Otto Normalbürger ohne Abhängigkeit vom Bankberater Aktien kaufen und verkaufen kann.

Mittlerweile ist die Bank von Buzzi und Bürki als erste und erfolgreichste Internetbank der Schweiz akzeptiert, und selbst Privatbanken suchen heute Rat bei ihnen. Der neueste Coup der beiden ist die Bank-App Yuh, die Swissquote mit Postfinance vor ein paar Tagen auf den Markt gebracht hat.

«Genfer Privatbankiers erklärten uns allen Ernstes, dass sie kein Internet brauchen»

Marc Bürki
Marc Burki, Swissquote-CEO

Das war mal eine Scheune! Marc Bürki und seine Partnerin Brigitta lernten sich einst auf dem Geburtstag ihrer Kinder kennen.

Kurt Reichenbach
Marc Burki, Swissquote-CEO

Der Brunnen stammt noch aus dem 19. Jahrhundert, als hier der Bauer wirtschaftete.

Kurt Reichenbach

Die erste gemeinsame Leidenschaft der beiden war aber weder Marcs Freundin noch das Bankgeschäft, sondern das Fliegen. «Ich war Assistent an der EPFL und Paolo im letzten Studienjahr. Er sagte mir, dass er in den Semesterferien in die USA nach St. Louis gehe. Dort könne man für 3000 Dollar in vier Wochen Pilot werden. Spontan sagte ich, dass ich auch mitkomme.» Heute haben die beiden Freunde selber einen Flieger. Der von Buzzi steht im Hangar des Flugplatzes von Lausanne-Blécherette. Der neue Flieger von Marc Bürki ist hingegen noch nicht da. Der PC-12 wird derzeit bei den Pilatuswerken in Stans NW parat gemacht und demnächst ausgeliefert. Trotzdem lässt es sich Bürki nicht nehmen, in einen PC-12 zu steigen und mit dem SI-Fotografen, der selber mal 33 Stunden Flugunterricht genommen hat, im Cockpit zu fachsimpeln.

Das Fliegen verbindet Swissquote-CEO Bürki nicht nur mit Buzzi, sondern auch mit seiner heutigen Partnerin Brigitta Cooper, 47. Die reiselustige Salzburgerin ist verantwortlich für das Swissquote-Magazin und wohnt mit Bürki in Rolle VD in einer umgebauten Scheune aus dem frühen 19. Jahrhundert. «Beruf und Privates habe ich nie trennen können», lacht Bürki.

Sein Einsatz daheim ist auch in der Küche voller Leidenschaft. «Marc hat so seine fünf Signature Dishes, die er perfekt beherrscht», attestiert ihm Brigitta. «Zum Beispiel seine Tajines, die marokkanischen Couscous-Eintöpfe, sind spitze.» Das hat seinen Grund. Bürkis Eltern lebten von 1957 bis 1971 in Tunesien, wo sein Vater nach der Unabhängigkeit des Landes für die neue Regierung die Agro-Industrie entwickelte. «Dann kehrten wir für drei Jahre nach Bern zurück. Aber in meiner Erinnerung waren es nicht besonders gute Jahre.» 1974 zog es seine Eltern erneut nach Nordafrika, diesmal nach Marokko, wo Marc in Casablanca die Matura machte. Nachher ging er an die EPFL studieren. «Kürzlich haben wir mit Marc als Piloten eine Reise rund um Afrika gemacht», erzählt seine Partnerin Brigitta. «Dabei haben wir sein altes Elternhaus in Marokko gesehen. Auch das in Tunesien existiert übrigens noch.»

Marc Burki, Swissquote-CEO

Lizenz zum Fliegen. Der eigene PC-12 wird noch in Stans NW fertig gestellt. Pilot wurde Bürki einst für 3000 Franken in den USA.

Kurt Reichenbach

Marc kann es sich heute noch vorstellen, wieder in Nordafrika zu wohnen. Aber im Moment lebt er Tag und Nacht für seine Bank. Er und Buzzi sind immer noch begeisterte Tüftler. «Wenn mitten in der Nacht ein technisches Problem anfällt, stehen die beiden auf der Matte», sagt ein Kadermann im Pub. Diese Leidenschaft für neue Technologien und für die Wissenschaft gibt Marc Bürki auch im ETH-Rat weiter, in den er vom Bundesrat als einziger Banker gewählt wurde. «Ansonsten bin ich nicht politisch aktiv, aber dieses Mandat ist politisch wichtig.»

Marc und sein Freund Paolo geniessen im Pub ihr Bier. «Ja, wir sind stolz auf das Erreichte.» Und Paolo erzählt schmunzelnd, dass ihnen bei den ersten Treffen der Bankiervereinigung gesagt wurde: «Ihr habt nicht die DNA von Bankern.» Das wurde ihnen auch physisch gezeigt. «Die Kantonalbanken sassen beim Nachtessen in einer Ecke, die Privatbanken in der anderen. Aber mit uns wussten sie vor 20 Jahren nicht wohin. So landeten wir ganz hinten allein an einem Tisch.»

Heute ist das anders. Aber noch haftet Swissquote der Ruf an, als Internetbank ein Casino zu betreiben. «Das ist falsch», so Bürki. «Ein Kunde hat mir mal gesagt, für ihn seien Familie, Gesundheit und Geld das Wichtigste. Und darum sei er froh, dass er sich jetzt selber um Letzteres kümmern könne und nicht mehr von Bankberatern abhängig sei.»

Von Werner De Schepper am 1. Juni 2021 - 12:37 Uhr