«Man kauft nur einmal im Leben eine Felco – das erste und das letzte Mal», scherzt Nabil Francis (55). Der CEO des Familienunternehmens im neuenburgischen Les Geneveys-sur-Coffrane spielt auf die Robustheit und Langlebigkeit der Gartenscheren an. «Sie sind unzerstörbar. Nur wenn man eine Schere verliert, braucht man eine neue», so Nabil Francis. «Wir geben eine Garantie auf Lebzeit. Auf den Gebrauch, nicht nur auf Materialfehler.»

Made in Switzerland: Vom Rohling bis zur fertigen Schere wird alles in Les Geneveys-sur-Coffrane produziert.
Kurt ReichenbachDie Produkte stammen aus recyceltem Alu und Stahl – alle Teile sind austausch- und reparierbar. Es gibt Modelle für Kinder, Frauen und Männer, für Links- und Rechtshänder – und solche mit patentierter goldener Klinge. Diese schützt noch besser vor Rost und Pflanzensäften. Wer sich auch nur ab und zu mit Gartenarbeiten beschäftigt, kennt die Scheren mit den roten Griffen. Für Fachleute der Rolls-Royce unter dem Gartenwerkzeug. Als Michelle Obama im Weissen Haus einen Gemüsegarten anlegte, hantierte sie mit einer Felco 2. «Unsere Ikone», weiss Christelle Francis-Flisch (42), VR-Präsidentin und Enkelin des Firmengründers. Allein von diesem Exemplar verkaufte das KMU 19 Millionen Stück weltweit. Total setzt Felco jährlich von allen Modellen gut eine Million ab.

Auch die ehemalige US-First-Lady Michelle Obama benützt beim Gärtnern eine Felco-Gartenschere (r.) mit rotem Griff.
Douliery OlivierMomentan macht dem Unternehmen der Zollhammer von Donald Trump zu schaffen. Die Firma exportiert 95 Prozent ihrer Produkte in 120 Länder. «Dabei machen die USA einen Viertel aus», so Nabil Francis. «Wir haben deshalb unsere Preise in den USA um 15 Prozent anpassen müssen.» Doch er verfolgt noch eine andere Idee: «Wir testen, ob wir einzelne Arbeiten in unserer Filiale in Deutschland ausführen können. Und unsere Produkte so zollamtlich eine europäische Herkunft mit einem Satz von 15 Prozent erhalten.» Nabil Francis lacht und wiederholt: «Wir testen das.»
Dann wird er ernst: «Das wirkliche Problem ist der starke Franken.» Seit Anfang Jahr habe er gegenüber dem US-Dollar um mehr als zwölf Prozent an Wert gewonnen. Konkret bedeutet das: Schweizer Produkte wie Felco werden in den USA teurer. «Das ist im internationalen Wettbewerb mit der starken Konkurrenz vor allem aus China und Japan eine riesen Herausforderung.»
Zurück zu den Wurzeln
Herausforderungen sind sich Nabil und Christelle gewohnt. Bevor er mit seiner Frau 2021 in das Familienunternehmen einstieg, war Nabil Francis fast ein Vierteljahrhundert als Bauingenieur für internationale börsenkotierte Konzerne im Zementgeschäft auf mehreren Kontinenten unterwegs.
«Wir lernten uns 2004 in Sri Lanka kennen.» Beide waren in Unternehmen tätig, die sich mit dem Wiederaufbau nach dem verheerenden Tsunami engagierten. «Ich wollte nach meinem Architekturstudium zuerst nach Bolivien», so Christelle, «doch dann entschied ich mich wegen der Katastrophe für Sri Lanka.»
Die gemeinsame Reise führte sie in über 20 Jahren über Bulgarien, Südindien, Ägypten, Marokko und die Philippinen nach Les-Geneveys-sur-Coffrane im Neuenburger Jura. «Google Map, wo ist das? – Das war für mich schon ein Schock», erinnert sich Nabil Francis. «Ich kannte verschiedene Kulturen und Religionen, aber die Schweiz tickt anders», ist der gebürtige Franco-Libanese überzeugt. Im Business wolle man alles perfekt machen. «Genau, zuverlässig, pünktlich – das sind die ganz grossen Stärken der Schweiz.» Aber man müsse aufpassen, nicht in den Perfektionismus zu verfallen. Aufgefallen ist ihm der Hang zu Kompromissen: «In der Politik ist das sicher gut, aber in der Wirtschaft führt das manchmal nicht zur besten Lösung.»

Das Klima ist familiär, die Besitzer sind immer in der Fabrik präsent. Trotz unterstützenden Technologien werden viele Arbeitsschritte manuell ausgeführt.
Kurt ReichenbachWerte aus den Bergen
Christelle Francis-Flisch mag sich noch gut an ihren Grossvater Félix Flisch erinnern, der 1945 Felco gegründet hatte. «Als Kind verbrachte ich oft meine Ferien bei ihm, wir wanderten jeden Tag. Er war ein begeisterter Alpinist.» Getreu seinen bündnerischen Walser-Wurzeln seien für ihn Werte wie Disziplin und Selbstständigkeit, Ausdauer und Respekt vor guter Arbeit zentral gewesen. Diese tief in der Bergkultur verwurzelten Eigenschaften hätten sie sehr geprägt. «Meine stärkste Erinnerung ist die Besteigung des Piz Tomül in Graubünden, auch bekannt als Wissensteinhorn.» Sie sei damals acht Jahre alt und trotz den fehlenden 55 Metern überzeugt gewesen, mit ihrem Grossvater ihren ersten 3000er bestiegen zu haben.
Sehr tragisch: An ihrem 17. Geburtstag verstarb er mit 86 Jahren. «In jenem Jahr habe ich einen Sommer lang in der Montage bei Felco gearbeitet.» Sie habe nie Druck verspürt, in die Firma einsteigen zu müssen. «Als mein Mann und ich nach all den Auslandsjahren erfuhren, dass meine Cousinen ein neues Kapitel in ihrem Leben beginnen wollten, konnten wir 2021 unsere Entscheidung frei treffen.» Sie hatten sich das Ziel gesetzt, die Mehrheit der Familiengruppe zu übernehmen, die gesamten Ersparnisse aus den Auslandsjahren in die Felco zu stecken und mit den drei Kindern in die Schweiz zu kommen. «Die Felco soll ein Familienunternehmen bleiben, das unermüdlich reinvestiert, um das wertvolle Know-how in der Schweiz zu bewahren.»
