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Politik im Blut

Die Kinder der Polit-Legenden erobern Bundesbern

Fünf Kinder von Politgrössen treten in Bundesbern das Erbe ihrer Eltern an: Sie sitzen neu im Nationalrat. Wie die Alten sungen, so zwitschern nun die Jungen. Oder doch nicht?

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Polit Erbern, Familie Baumann, Kilian Baumann, Stephanie Baumann

Zu Besuch Daheim: In Kilian Baumanns Stube auf dessen Biohof in Suberg BE. Vater Ruedi Baumann war von 1991 bis 2003 Nationalrat für die Grünen, Mutter Stephanie von 1994 bis 2003 für die SP. Kilian
ist für die Grünen im Nationalrat. Die Eltern leben in Frankreich.

Geri Born

Ruedi, 72, Stephanie, 68, und Kilian Baumann, 38
«Unsere Saat geht auf»

Der Ratschlag der Eltern:
Der Vater: Sei dich selber! 
Die Mutter: Networking. Ich fühlte mich verloren in den heiligen Hallen. Ich bin froh, nicht mehr dort zu sein.

Ihr prägendstes Erlebnis:
Der Vater: Schon im Wahlkampf bekamen wir Morddrohungen, die Fassade unseres Biobauernhofs in Suberg wurde immer wieder versprayt. Aber 1995 freuten wir Grünen uns, als das Stimmvolk alle drei bundesrätlichen Agrarvorlagen bachab schickte. Damit waren endlich die Weichen Richtung umweltbewusste Landwirtschaft gestellt.
Die Mutter: Wir waren das erste Ehepaar im Nationalrat.

Der Politstil der Familie:
Der Vater: Als Nationalrat hatte ich bei vielen den Ruf als aufmüpfig, arrogant und fräche Siech. Meine Frau Stephanie war umgänglich und lösungsorientierter. 
Der Sohn: Ich habe zum Glück von beiden was. Ich werde nun im Bundeshaus dafür kämpfen, dass die Umwelt auch in vier Jahren noch immer ein grosses Thema ist.

Das Erbe:
Die Mutter: Als Kilian 14 Jahre alt war, gründete er mit Schulkollegen die Umweltschutzgruppe Nature Peace. Sie putzten Bäche, verfassten in unserer Scheune eine Monatszeitschrift und verteilten sie dann mit dem Velo. 
Der Vater: Unsere Saat geht auf.

Polit Erben, Ulrich Giezendanner, Benjamin Giezendanner

Fuhrhalter der Nation: In der Oldtimer-LKW-Sammlung von Ulrich Giezendanner (l.) in Rothrist AG. «Giezi» war von 1991 bis 1. Dezember 2019 Nationalrat, zuerst für die Auto-Partei, dann für die SVP. Sohn Benjamin übernimmt Geschäft und Mandat.

Geri Born

Ulrich, 66, und Benjamin Giezendanner, 37
«Ich höre die Rippen noch heute knacken»

Der Ratschlag des Vaters:
Der ehemalige FDP-Politiker Hans Letsch gab mir Folgendes mit auf den Weg: Egal, in welcher Partei sie sind – alle wollen nur das Beste für ihr Land. Ich sage meinem Sohn: Akzeptiere das, und bleibe so, wie du bist! Und begegne auch dem politischen Gegner mit Respekt! Zuerst kommt der Mensch, dann die Politik. Viele haben meine Politik verflucht, aber es dürfte sich keiner finden, der etwas Schlechtes sagt über mich als Menschen. Selbst alt Bundesrat Moritz Leuenberger hat mich zu seinem Talk nach Zürich eingeladen.

Sein prägendstes Erlebnis: 
2006 brach Bea Heim von der SP in einer Nationalratsdebatte zusammen – Herzstillstand! Sofort kümmerten sich drei Ratskollegen um sie, jeder Arzt, jeder aus einer anderen Partei. Mit Herzmassage holten sie Bea ins Leben zurück, ich höre die Rippen noch heute knacken. So funktioniert unser Parlament!

Der Politstil des Sohnes: 
Wir politisieren mit gleichem Herzblut. Der Vater ein bitzeli lauter und poltriger im Ausdruck.

Das Erbe: 
Der Vater: Meine Zeit als Politiker ist abgelaufen, sie war schön und oft erfolgreich. An Benjamins Vereidigung war ich nicht, seine Frau und seine vierjährige Tochter Sophia waren dort.
Der Sohn: Vaters Fussstapfen sind gross, das motiviert mich. Ich werde in Uelis Sinn und Geist weitermachen. In meinen 18 Jahren als Aargauer SVP-Grossrat wurde ich ruhiger. Trotzdem macht es mich hässig, wenn ich höre, was die Grünen nun alles realisieren wollen! Es stehen harte Kämpfe an in Bern. Ich freue mich darauf.

Polit Erben, Lilian Studer, Heiner Studer,

Christliche Generalisten: Im Brocki-Shop des Blauen Kreuzes in Oberentfelden AG. Lilian Studer ist Geschäftsführerin. Vater Heiner war von 1999 bis 2007 EVP-Nationalrat. Die Aargauerin vertritt dieselbe Partei in der grossen Kammer.

Geri Born

Lilian, 41, und Heiner Studer, 70
«Wir sind beide keine Polteri»

Der Ratschlag des Vaters:
Respekt gegenüber den anderen im Parlament! Als Vertreter einer kleinen Partei ist überparteiliches Netzwerken das A und O. Das Zwischenmenschliche spielt im Bundeshaus eine grosse Rolle. Bis man den Betrieb kennt, dauerts ein paar Sessionen. Gäste lud ich immer ins nahe Restaurant Bärenhöfli ein: Dort gibt es die besten Öpfelchüechli weltweit.

Sein prägendstes Erlebnis: 
Die Annahme meiner Zivildienst-Motion. Sie verlangte die Abschaffung der Gewissensprüfung für die Zulassung zum Zivildienst. Zu den Erstunterzeichnern gehörte die damalige Nationalrätin Doris Leuthard. Worauf ich ebenfalls noch heute angesprochen werde: dass ich im Sommer immer mit kurzen Hosen kam – bis vors Bundeshaus.

Ihr Politstil:
Die Tochter: Da sind wir praktisch deckungsgleich. Während meiner 17 Jahre als Aargauer Grossrätin pflegte ich eine einfache, verständliche Sprache. Ich kann gut zuhören, wir sind beide keine Polteri. Auch ich verstehe mich als Brückenbauer. 
Der Vater: Ich war immer menschenorientiert. Die Argumente der Kommunisten hörte ich mir ebenso an wie die der Schweizer Demokraten.

Das Erbe: 
Die Tochter: Ich habe mit meinem Vater viel gemeinsam. Wir sind Generalisten mit Interesse an gesellschaftlichen Themen. Die Familie ist uns sehr wichtig. Meine Schwester Heidi verfolgte meine Vereidigung via Internet von Norwegen aus, sie lebt dort, im Heimatland meiner Mutter.

Polit Erben, Hansruedi Stadler, Simon Stadler

Urner Brückenbauer: Zu Besuch in der elterlichen Stube in Altdorf UR. Simon Stadler, neuer Urner CVP-Nationalrat, mit Vater Hansruedi (l.). Dieser vertrat den Bergkanton von 1999 bis 2010 als CVP-Ständerat.

Geri Born

Hansruedi, 66, und Simon Stadler, 31
«Nur Papa tanzte öffentlich»

Der Ratschlag des Vaters:
Bern ist ein Haifischbecken. Niemand wartet auf dich. Meine Devise war: Sei unbeschwert, direkt, authentisch! Sprich so, dass man dich versteht. Respekt verschaffst du dir durch gute Arbeit.

Sein prägendstes Erlebnis:
Ich präsidierte eine Kommission, welche die Rolle des Bundes beim Swissair-Debakel untersuchte.

Ihr Politstil:
Der Sohn: Ich machte eine Maurerlehre, dann die Berufsmatur, heute bin ich Primarlehrer. Auf dem Bau wird nicht geheuchelt, direkt und verständlich gesprochen – davon profitiere ich bis heute. Mein Vater hingegen ist Rechtsanwalt, ein Studierter.
Der Vater: Schon als Kantonsparlamentarier war Simon ein Brückenbauer. Leider bringen die Politiker ihren Gegnern nicht mehr die Wertschätzung entgegen wie früher.

Das Erbe:
Der Sohn: Als 18-Jähriger trat ich nach einer hitzigen Diskussion mit Kollegen morgens um vier Uhr der Jungen CVP bei. Seit 2012 bin ich im Urner Landrat. Das politische Heu haben mein Vater und ich meist auf der gleichen Bühne. Ich denke, dass ich wegen meiner Leistungen gewählt wurde, nicht weil ich der Sohn meines Vaters bin. Nur Papa tanzte einmal in der Öffentlichkeit. Das war 1994, als er nach dem Ja zur Alpen-Initiative als tanzender Urner Landammann landesweit bekannt geworden ist.
Der Vater: Noch heute werde ich darauf angesprochen. Das nenne ich echt nachhaltig.

Polit Erben, Marianne Binder Keller, Anton Keller

CVP-Kennedys aus Baden: Bei den Eltern in Untersiggenthal AG. Vater Anton war von 1979 bis 1995 CVP-Nationalrat – wie nun Tochter Marianne. Ihr Schwiegervater Jules Binder war CVP-National- und Ständerat. Sohn Simon ist bei der CVP Baden AG.

Geri Born

Marianne Binder, 61, und Anton Keller, 85
«Wir ticken anders»

Der Ratschlag des Vaters:
Durch ihre Arbeit als Kommunikations-Fachfrau kennt meine Tochter Bundesbern aus dem Effeff, sie ist dort bestens vernetzt. Als ich im Parlament war, hat sie mich oft besucht. Das Wichtigste ist die Kontaktpflege.

Sein prägendstes Erlebnis: 
Wichtig für mich waren die Jahre als Präsident der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats. Ebenso prägend war die Reise einer Parlamentsdelegation nach China. Wir reisten ab in der Hoffnung, dass sich das Land öffnet – umso schockierender war das darauffolgende Massaker am Pekinger Tiananmen-Platz 1989.

Ihr Politstil:
Der Vater: Ich war oft in der TV-Sendung «Café Fédéral» zu Gast. Wir hatten noch Zeit, einen Gedanken auszuführen. In den heutigen Politsendungen ist die Ungeduld des Moderators mit Händen zu spüren, Provokation ein Stilmittel.
Die Tochter: Anders als mein Vater fühle ich mich in aufgeheizten Debatten wohl, schon als Kind.

Das Erbe:
Die Tochter: Mein Vater weckte die Freude an einer Politik, die den Ausgleich sucht.
Der Vater: Marianne teilt meine Leidenschaft für eine gepflegte Sprache. Da verspüre ich Stolz.

Thomas Kutschera
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Von Thomas Kutschera am 8. Dezember 2019 - 07:00 Uhr