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SRK-Botschafterin Manuela Frey nach Guatemala-Reise

«Die Reise zeigt mir, wie privilegiert wir in der Schweiz leben»

Für eine bessere Zukunft in den USA riskierte Familienvater Carlos Ical Calel alles – und wurde abgeschoben. In seiner Heimat Guatemala trifft ihn Model Manuela Frey als SRK-Botschafterin und erlebt, wie er sein Leben neu aufbauen muss.

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Manuela Frey besucht in ­ Guatemala die Familie von Christin Marisol. Die Hühner, die diese vom Roten Kreuz erhielt, sichern ein kleines Einkommen.

Manuela Frey besucht in Guatemala die Familie von Christin Marisol. Die Hühner, die diese vom Roten Kreuz erhielt, sichern ein kleines Einkommen.

bernard van dierendonck

Die Hängematte hängt schief an einer Betonwand. Vorsichtig versucht sich Manuela Frey (29) hineinzulegen. Mit ihren 1,81 Metern passt das Model kaum hinein. Das Tuch schaukelt gefährlich, die langen Beine baumeln über den Rand. «Wow, so könnte ich niemals schlafen», sagt Manuela erstaunt. Neben ihr stehen drei Mädchen, die sie neugierig mustern: Mildred (12), Christin Marisol (9) und Sandy (5). Sie gehören zum indigenen Volk der Maya und sprechen Poqomchí – eine von rund 23 Maya-Sprachen. Doch die Szene ist so komisch, dass alle lachen – eine Sprache, die alle verstehen.

Der Vater der drei Mädchen, Carlos Bernardino Ical Calel (31), führt Manuela, die als Botschafterin des Schweizerischen Roten Kreuzes SRK hierhergereist ist, durch das halb fertige Haus der Familie. Es steht in der Siedlung Nuevo Quejá im guatemaltekischen Hochland. Vor zwei Monaten begann er, Backsteine zu kaufen – immer dann, wenn ein paar Quetzales übrig waren.

<p>Von links: Christin Marisol, Mildred, Carlos und Sandy sowie Everilda zeigen Manuela (2. v. l.) ihr Schlafzimmer.</p>

Von links: Christin Marisol, Mildred, Carlos und Sandy sowie Everilda zeigen Manuela (2. v. l.) ihr Schlafzimmer.

bernard van dierendonck

Bislang stehen im Haus ein Tisch, ein Schrank, ein Lavabo und zwei Betten, die er und seine hochschwangere Frau Everilda Cac Suc (31) vom Guatemaltekischen Roten Kreuz erhalten haben.

Früher wohnte die Familie auf der anderen Seite des Bergs. Dann riss ein Erdrutsch ihre Felder weg, die Ernte war zerstört. Ohne Einkommen und mit steigenden Schulden fasste Carlos einen verzweifelten Plan: Er wollte in die USA, um dort zu arbeiten und Geld heimzuschicken.

Abschiebung und Lösegeld

Doch der Traum wurde zum Albtraum. Auf dem Weg durch Mexiko wurde er entführt, 20 Tage lang festgehalten. Seine Familie musste ein Lösegeld von 125'000 mexikanischen Pesos aufbringen – rund 5500 Franken. Als er schliesslich freikam, schaffte er es bis an die US-Grenze – nur um von den Behörden verhaftet und in Handschellen ins Flugzeug zurück nach Guatemala gesetzt zu werden.

Statt seiner Familie Geld schicken zu können, brachte er neue Schulden mit. Glück und Verzweiflung lagen nah beieinander: Freude, dass er überlebt hatte – Trauer, weil die Hoffnung auf ein besseres Leben zerstört war.
 

<p>Don Carlos Bernardino Ical Calel mit seiner hochschwangeren Frau Everilda. «Ich will ihnen ein besseres Leben ermöglichen», so der Familienvater.</p>

Don Carlos Bernardino Ical Calel mit seiner hochschwangeren Frau Everilda. «Ich will ihnen ein besseres Leben ermöglichen», so der Familienvater.

bernard van dierendonck

Zahlreiche Rückkehrende

Die Geschichte ist kein Einzelfall. Monatlich werden zwischen 6000 und 8000 Personen aus Guatemala von den USA und Mexiko heimgeschickt. Sie müssen in ein Land zurück, das geprägt ist von Armut, Gewalt und Umweltkatastrophen. Hurrikane zerstören Felder, Klimawandel und Bodenerosion nehmen den Menschen ihre Lebensgrundlage. Dazu kommen Arbeitslosigkeit, grosse soziale Ungleichheiten und Perspektivlosigkeit.

Verschärft wird die Situation durch die politische Lage in den USA: Die Anzahl Abschiebungen bleibt hoch, humanitäre Programme wurden beschränkt. Für Menschen wie Carlos bedeutet das: Selbst wer die gefährliche Reise bis an die Grenze schafft, hat kaum Chancen, bleiben zu dürfen.

Hilfe, die weitergeht

Das Guatemaltekische Rote Kreuz, finanziell und technisch unterstützt vom SRK, begleitet Rückkehrende wie Carlos. Nicht selten gelten diese in ihren Dörfern als Gescheiterte. Der Familienvater jedoch spürt in Nuevo Quejá keine Diskriminierung. «Auch meine Familie liess mich ihre Enttäuschung nicht spüren – die trug nur ich in mir», sagt er leise.

<p>Backstein für Backstein baut Carlos das Haus für seine Familie. Das Schweizer Model packt mit an: «Ganz schön schwer – besonders bei diesen Temperaturen.»</p>

Backstein für Backstein baut Carlos das Haus für seine Familie. Das Schweizer Model packt mit an: «Ganz schön schwer – besonders bei diesen Temperaturen.»

bernard van dierendonck

Die Unterstützung des Roten Kreuzes geht weit über kurzfristige Hilfspakete hinaus: Gutscheine für Lebensmittel, Hühner, die Eier legen, die wiederum verkauft werden können, oder Beratung, wie kleine Einkünfte erwirtschaftet werden können, gehören dazu.

Keine Berührungsängste

Für Manuela Frey ist es bereits der dritte Einsatz als SRK-Botschafterin im Ausland nach zwei Reisen nach Afrika. «Jedes Mal merkt man sofort, wie privilegiert wir in der Schweiz leben», sagt sie. «Wir vergleichen uns oft und fragen uns, wer das grössere Auto oder die schönere Wohnung hat. Hier siehst du, wie Menschen mit fast nichts auskommen müssen.»

Berührungsängste hat die Aargauerin keine. Sie kitzelt die Kinder, versucht, sich mit Händen und Füssen zu verständigen. «Es berührt mich sehr zu sehen, mit welcher Würde sie leben – trotz Schulden, trotz fehlenden Chancen.»

<p>Für Manuela Frey wurde vor Ort eine traditionelle Zeremonie der Maya organisiert, durchgeführt von einem Maya-Priester.</p>

Für Manuela Frey wurde vor Ort eine traditionelle Zeremonie der Maya organisiert, durchgeführt von einem Maya-Priester.

bernard van dierendonck

Carlos’ grosser Traum? «Ich will meiner Frau und meinen Kindern ein besseres Leben ermöglichen.» Genau das hofft auch Manuela Frey: «Ich wünsche mir, dass Carlos bald sein Haus fertig bauen kann – und dass Everilda ihr viertes Kind gesund zur Welt bringt.»

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Diese Reportage entstand in Zusammenarbeit mit dem SRK.

ZVG
Von Vanessa Nyfeler vor 3 Stunden