Ein Gebäude in einem ruhigen Genfer Viertel. Unser Treffen ist für 15 Uhr angesetzt. Es ist fünf vor, wir klingeln. Ein Mann mit blauen Augen, Bart und Jeans öffnet die Tür. Das ist er, Michael Andersen, 30, der Ehemann von Céline Amaudruz, 42. Lächelnd erscheint die Vizepräsidentin der SVP Schweiz im Eingang, elegant in schwarzer Hose und Pullover. «Sie haben Glück, ich bin gerade aus Bern zurückgekommen», sagt die Nationalrätin.
Das Hochzeitsgeschenk
Wir setzen uns an den Wohnzimmertisch für eine Tasse Kaffee. Das Zimmer ist geräumig, die Möbel von Designern. Grau- und Blautöne schaffen eine beruhigende Atmosphäre. Auf dem Teppich steht eine riesige Glocke mit einem bestickten Lederriemen. «Ein Geschenk zu unserer Hochzeit», sagt die Genferin.
Ein Landei in Genf
Das frisch verheiratete Paar hat sich vorerst in der Fünfzimmerwohnung von Céline Amaudruz niedergelassen. Sie verbringen aber auch Zeit in Vandœuvres GE. Michael Andersen ist Mitglied des Gemeinderats und verpflichtet, dort zu wohnen. Der Steuerberater – er arbeitet für ein britisches multinationales Unternehmen – ist an beiden Orten sehr glücklich. Er sei ein «Landei», liebe die Natur und Tiere.
Céline Amaudruz und Michael Andersen haben sich 2009 kennengelernt. Mike, so nennt sie ihn, erinnert sich: «Ich war 18, gerade der SVP beigetreten, und es war mein erster Wahlkampf für den Grossen Rat. Céline, ein gemeinsamer Freund und ich fuhren in einem roten Jeep mit einer Schweizer Flagge durch den Kanton Genf. Céline und ich waren auf der gleichen Wellenlänge: Wir lachten gerne und amüsierten uns gut.» Amaudruz wurde in den Grossen Rat gewählt, und die Wege der beiden Genfer kreuzten sich weiterhin bei politischen Veranstaltungen.
Ich atme und lebe nur für ihn
Bei den Nationalratswahlen 2019 machen sie erneut zusammen Wahlkampf. Es ist Célines Schwester, die ihr bei einem Gourmetabend in der Genfer «Halle de Rive» die Augen öffnet. Sie sagt: «Céline, ich weiss nicht, worauf du wartest. Das ist der Mann deines Lebens.» Mike reagiert damals eher zögerlich: «Sie war die Vizepräsidentin der SVP. Ich war von ihr beeindruckt.» Die Politiker tauschen Nachrichten aus und schreiben sich schliesslich fast Tag und Nacht. Am 19. Dezember 2019 ist Céline Amaudruz an der Session des Parlaments in Bern. Mike kommt zum Abendessen ins berühmte «Entrecôte Fédérale». «Beim Aperitif war ich so nervös, dass ich ein Glas zerbrochen habe», lacht die Nationalrätin. Kurz vor Mitternacht küssen sie sich auf dem Bundesplatz zum ersten Mal. Von diesem Moment an spürt Céline Amaudruz, dass er «der Richtige» ist. «Wenn ich meinen Freunden sagte: ‹Ich atme und lebe nur für ihn›, sagten sie mir, ich solle mich beruhigen.»
Anfang 2020: Corona wirbelt die Welt des verliebten Paars durcheinander. Mike und Céline verbringen den Lockdown gemeinsam in Genf. «Covid hat die Dinge beschleunigt. Wir waren 24 Stunden am Tag zusammen, ein Tag war so viel wert wie zehn Tage», sagt sie. Am 11. April 2021 hält Michael Andersen bei Vater Amaudruz offiziell um Célines Hand an. «Ich wollte alles der Reihe nach machen. Erst die Trauung, dann eine Familie gründen.»
Viel Aufwand
Céline organisiert die Hochzeit, die im Rathaus von Vandœuvres und in einem Weinberg in der Gemeinde Chouilly stattfindet. Viel Aufwand. «Ich hatte es schwer, denn ich schlafe ohnehin sehr wenig und bin extrem akribisch.» Die Sorgfalt der Braut hat sich ausgezahlt: Die 210 Gäste, darunter Guy Parmelin und die Nationalräte Christian Lüscher und Hugues Hiltpold, waren begeistert. Das Covid-Zertifikat war obligatorisch.
Der Altersunterschied zwischen den beiden ist für sie kein Thema. Sie ist 42, er 30: «Für mich, die ich immer ältere Freunde hatte, ist das top», sagt Amaudruz. Aber die Ansicht der Gesellschaft sei nicht immer leicht zu akzeptieren. Die Genferin ist sportlich und vital. «Ich bin noch jung und möchte im- mer noch sein kleiner Panther sein», sagt sie. «Aber vielleicht sehe ich die Dinge in 20 Jahren anders.» Mike dagegen glaubt, der Altersunterschied verschwinde mit der Zeit. «Für die Leute sieht es normaler aus, wenn es andersherum ist. Aber Frauen leben länger als Männer. Meine Grossmütter sind seit über 15 Jahren verwitwet. Warum heiraten Frauen nicht jüngere Männer, damit man als Paar nach der Pensionierung noch mehr Jahre miteinander verbringen kann?»
Die Freundliche und der Loyale
Obwohl zwölf Jahre zwischen den Eheleuten liegen, haben sie viele Dinge gemeinsam, etwa die Politik oder den Sport. Sie wandern gerne und fahren beide Ski. Der Liebe wegen hat Céline sogar das Reiten, ihre Leidenschaft, aufgegeben, um Golf zu spielen – Mikes Lieblingssport. So können sie mehr Zeit miteinander verbringen. «Ausserdem sind wir beide harte Arbeiter und Frühaufsteher», sagt Mike. Und was mag er an seiner Frau? «Ihre Freundlichkeit und Fürsorge. Sie ist immer da, um mir zu helfen.» Bei diesen Worten kann man die Rührung in den Augen seiner Braut sehen. «Zum ersten Mal in meinem Liebesleben ist alles einfach und leicht», sagt Céline Amaudruz. «Mike ist meine Stütze, ein lustiger und romantischer Mann, der seiner Familie sehr nahesteht. Ausserdem ist er loyal und treu – auf jeden Fall tut er gut daran …», neckt sie ihn. Mike lacht laut auf und sagt: «Verstanden!»
Übersetzung: Lynn Scheurer