Vor dem Herrenacker in Schaffhausen ist es mittags noch still, graue Wolken hängen tief. Nur vereinzelt fallen Regentropfen ins sogenannte Front of House – denTechnikbereich vor der Bühne, wo Roger Staub (51) konzentriert auf seine Monitore blickt. Um ihn herum herrscht reges Treiben: Die Crewmitglieder justieren Scheinwerfer, schleppen Kabel, checken Screens. Ein Techniker ruft Staub zu: «Und, fühlst du dich zu Hause?» – «Ja, Heimspiel!»
Aufgewachsen in Thayngen SH, lebt Roger Staub seit fünf Jahren in Zürich. Zuvor verbrachte er zehn Jahre in Los Angeles, wo er für Superstars wie Beyoncé, Eminem oder Green Day das Bühnenbild mitgestaltete. Und doch bedeutet ihm ein Heimfestival wie das Stars in Town besonders viel – vor allem, wenn er mit einer Band wie Hecht arbeiten darf: «Sie lieben grosse Shows, investieren entsprechend und haben den Anspruch, wirklich etwas Spektakuläres zu gestalten.» Staub ist keiner, der Scheinwerferlicht sucht – er ist derjenige, der es platziert. Als Lichtdesigner, Bühnenbildner und Creative Director entwickelt er Showkonzepte, die Musik in visuelle Erlebnisse übersetzen.
Er beobachtet dabei eine klare Entwicklung: «Branding und Bühneninszenierung werden für Künstlerinnen und Künstler immer wichtiger. Das Publikum erwartet heute ein ganzheitliches Erlebnis, nicht nur Musik.»
Private Jam: Zu Hause greift Roger Staub gern zur Gitarre. Früher spielte er in Bands, aber auf die Bühne zieht es ihn nicht.
Geri BornKreatives Pingpong
Drei Stunden vor Konzertbeginn trifft sich Roger Staub backstage zur letzten Besprechung mit der Band. Hecht-Frontmann Stefan Buck hat spontan eine Idee für einen Moment im Refrain. Staub hört zu, nickt, überlegt kurz. Am Ende landen sie meistens beim selben Fazit: «Mir möched eifach mal.» Genau das schätzt Staub an Hecht: «Die Band will einfach jedes Konzert auf das nächste Level bringen. Das ist sehr inspirierend für mich als Showdesigner.»
Kurz vor dem Auftritt: Roger Staub (l.) stimmt sich mit der Band Hecht und dem Team hinter der Bühne ab.
Geri BornSchon früh zog es Roger Staub hinter die Kulissen: Ein Lehrer, der Freilichtproduktionen inszeniert, fragt ihn, ob er nicht mal mitspielen wolle. «Ich fands zwar spannend auf der Bühne, aber das, was hinter den Kulissen passierte, hat mich deutlich mehr interessiert.»
Vom Schüler zum Lichtpoeten
Staub macht eine Ausbildung als Typograf, bringt sich nebenbei das Handwerk rund um Licht und Bühnenshows selbst bei. «Meine Faszination ist so riesig, ich war bereit, alles zu lernen.» 2006 zog es ihn nach Los Angeles. Er begann mit einem Praktikum bei einer US-Agentur, organisierte sich das Visum selbst und blieb. Bald wurde er für Produktionen engagiert, die heute als legendär gelten. «Für Beyoncé haben wir mal innert einer Woche in Las Vegas eine komplette Show aufgestellt. Ich habe das Hotel nach einer Woche das erste Mal verlassen.»
Auch bei den Grammy-Auftritten von Kendrick Lamar und dem gigantischen Hip-Hop-Doppelkonzert von Jay-Z und Eminem im Yankee Stadium 2010 ist er dabei. «60 000 Leute, unsere Visuals auf der riesen Leinwand. Das war schon ein tolles Gefühl.» Ganz nah kommt man den Stars allerdings selten. «Bei Künstlerinnen wie Beyoncé läuft alles über ihr Team. Mit ihr persönlich hatte ich nichts zu tun.» Anders bei Green Day: «Die waren total unkompliziert. Da kam der Sänger vorbei, hat kurz was zur Idee gesagt – und zack, gings los.»
Zurück in der Schweiz
2018 kehrt er zurück in die Schweiz. Gemeinsam mit Christoph Eschmann gründet er die Branding-Agentur LoF*. Der Name? Steht für «Leap of Faith» – den Sprung ins Ungewisse. «Jede gute Idee beginnt mit einer Intuition. Wir wollen mit Kunden gemeinsam diesen Sprung wagen.»
Visuelle Liebeserklärung: Roger Staubs Lichtkunst lässt die Show von Hecht am Stars in Town erstrahlen.
Geri BornDer Mann im Schatten der Stars
LoF* arbeitet für Musikerinnen wie Joya Marleen, Städte wie Schaffhausen oder eben Bands wie Hecht. Auch Nemos Auftritte nach dem ESC-Triumph 2024 etwa tragen die Handschrift von Roger Staub. Der Lichtdesigner gestaltete das visuelle Konzept für die anschliessende Tour.
Der Schaffhauser Creative Director checkt, ob alles stimmt. Mittlerweile ist er nicht mehr bei jedem Konzert persönlich vor Ort.
Geri BornObwohl er so viel zur Magie eines Konzertabends beiträgt, bleibt Roger Staub meist im Hintergrund. Stört ihn das? «Überhaupt nicht. Ich bewundere, was Leute wie Stefan Buck auf der Bühne leisten. Zwei Stunden Vollgas, jede Geste, jeder Einsatz sitzt. Ich will gar nicht unbedingt dort vorne stehen.»
Immer wieder neu lässt Roger Staub sich auf die Musik ein, entwickelt Ideen und feilt an der Umsetzung. «Ich liebe den Moment vor Konzertbeginn, wenn alles dunkel wird und jeder weiss: Jetzt beginnt die Magie.»