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FDP-Frau Christa Markwalder ordnet ein

«Donald Trump ist kein Vorbild für ein Kind»

Sie war jahrelang Präsidentin des parlamentarischen Vereins Schweiz-USA und führte Delegationen aus Washington durch Bern. Wie Christa Markwalder die Wahl von Trump erklärt und was sie von den populistischen Tönen ihres FDP-Präsidenten hält

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Christa Markwalder , in ihrer Wohnung in der Zürcher Altstadt

Christa Markwalder in ihrer Wohnung in der Zürcher Altstadt. Hier lebt sie unter der Woche mit Mann und Sohn, am Wochenende wohnt die Familie in Burgdorf BE. Die Juristin sass zwischen 2003 und 2023 für die FDP im Nationalrat. Heute leitet sie den Bereich Public Affairs bei der Zurich. 

Nik Hunger

Vor dem Sofa steht ein Laufgitter, im Gang ist ein Spielauto parkiert, und auf der Küchenablage stapeln sich «Quetschies» mit Frucht- und Gemüsepürees: Die Geburt von Sohn Michel im April 2022 hat das Leben von FDP-Politikerin Christa Markwalder (49) auf den Kopf gestellt. «Entschuldigen Sie das Durcheinander», sagt sie zur Begrüssung. Obwohl die Bernerin vor einem Jahr aus dem Nationalrat zurückgetreten ist, bleibt die USA-Kennerin politisch am Ball.

Christa Markwalder, Sie sind vor zweieinhalb Jahren Mutter geworden. Hat Ihr kleiner Sohn eigentlich etwas von den Wahlen in den USA mitbekommen?

Der konkrete Wahlausgang interessiert Michel noch nicht. Er fand es jedoch super, dass er letzte Woche mit ins Fernsehen kommen und im Regieraum zuschauen durfte, als ich auf «Tele Züri» die Wahl kommentierte. Donald Trump ist aber kein Vorbild für ein Kind.

Wie meinen Sie das?

Es ist ein Phänomen, dass jemand, der hundertfach der Lüge überführt wurde und vor Gericht steht, im wichtigsten demokratischen Land der Welt erneut zur mächtigsten Person aufsteigen konnte. Mit der zweiten Trump-Präsidentschaft werden sehr viele Unwägbarkeiten auf uns zukommen. Für die Schweiz, deren Wohlstand massgeblich auf Globalisierung und Einhaltung von multilateralen Regeln beruht, ist die Wahl des erklärten Protektionisten Trump alles andere als erfreulich. In Europa haben wir einen anderen Blick, wir können dieses Wahlresultat schwerlich verstehen.

Es muss eine Erklärung geben. Gerade Sie als USA-Kennerin müssen doch eine Idee haben, weshalb die Amerikaner Trump erneut das Vertrauen ausgesprochen haben.

Viele Menschen haben mit Blick auf ihr Portemonnaie gewählt. Sie haben erlebt, wie die Lebenshaltungskosten massiv gestiegen sind unter Präsident Biden. Und sie hoffen nun, dass es unter Trump besser wird.

Sie sind kein Trump-Fan. Können Sie seiner Wahl trotzdem Positives abgewinnen?

Vor acht Jahren hat Trump einen tollen Botschafter in die Schweiz geschickt. Edward McMullen hat sich enorm für die bilateralen Beziehungen und für ein Freihandelsabkommen eingesetzt. Ihm ist zu verdanken, dass Trump zweimal ans WEF kam. Wenn Trump auch diesmal wieder einen Schweiz-Versteher nach Bern schickt oder Ed gar zurückkäme, wäre das ein starker Pluspunkt.

Christa Markwalder , in ihrer Wohnung in der Zürcher Altstadt

«Wir können nicht dieselben Antworten haben wie die SVP»: Christa Markwalder übt Kritik an FDP- Präsident Thierry Burkart.

Nik Hunger

Trump will sein Land abschotten und wieder Zölle einführen. Sie sind Kaderfrau eines grossen Schweizer Unternehmens, der Zurich …

… und Amerika ist mit Abstand unser wichtigster Markt.

Was bedeutet Trumps Wahl für die Schweizer Wirtschaft?

Die Aussicht auf hohe Importzölle ist eine Hiobsbotschaft für unsere Exportwirtschaft. Zölle wären aber auch für die USA schlecht. Wenn Güter teurer werden, wird das auf die Konsumentinnen und Konsumenten abgewälzt, was wiederum inflationstreibend ist. Trump droht auch damit, dass sich die USA aus der Nato zurückziehen.

Bedeutet seine Wahl das Ende des transatlantischen Militärbündnisses?

Ich hoffe nicht, denn die Nato ist für Europa sehr wichtig. Es ist aber so, dass die USA – nicht erst seit Trump – ihre geopolitischen Interessen Richtung Asien verschoben haben. Europa kann sich nicht mehr auf die USA als Garant für seine Sicherheit verlassen.

Und das gerade jetzt, wo mitten in Europa ein Angriffskrieg tobt.

Das Risiko einer Abkehr der USA von der Ukraine macht mir grosse Sorgen. Denn die Amerikaner haben bis jetzt massgeblich dazu beigetragen, dass die Ukraine sich gegen Putins Angriffskrieg verteidigen konnte. Sollten nun unter Präsident Trump die Waffenlieferungen reduziert oder gar eingestellt werden, ist die Gefahr gross, dass sich die Ukraine nicht wird halten können. Das wäre fatal! Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber was wir bis jetzt von ihm gehört haben, lässt nichts Gutes erahnen.

Was haben Sie eigentlich gedacht, als Bundesrat Albert Rösti eine Woche vor der US-Wahl sagte, er tendiere zu Trump?

Ich fand es süss, dass ihm ein Schüler diese Aussage entlockt hat und nicht eine Medienschaffende. Erstaunt hat es mich nicht– ich wäre eher überrascht gewesen, wenn er sich für Kamala Harris ausgesprochen hätte. Es gibt in der SVP eine Tendenz, Trumps «America first»-Politik zu bewundern.

«Switzerland first» ist tatsächlich auch bei uns hoch im Kurs. Als Verfechterin einer stärkeren internationalen Anbindung muss Sie das schmerzen. Sind Sie eigentlich immer noch für den EU-Beitritt?

Ja. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Schweiz als gleichberechtigtes und mitgestaltendes Land mehr für ein prosperierendes Europa bewirken könnte als als Aussenseiterin. Aktuell ist das aber kein Thema. Derzeit geht es darum, die Bilateralen III unter Dach und Fach zu bringen.

Vor kurzem hat der Bundesrat über den Stand der Verhandlungen informiert. Allerdings ohne vor die Medien zu treten. Ist das eine kluge Strategie?

Nein. Der Bundesrat muss schon lauter und überzeugender werden, wenn er diese Abstimmung gewinnen will. Man kann nicht einfach zuwarten und schauen, wie das Verhandlungsresultat in dieser komplexen Materie aussieht. Denn die Gegner sind sehr gut organisiert und sind laufend daran, neues Terrain zu besetzen. Wer Ihnen zuhört, merkt: Sie sind noch mitten in allen Dossiers.

Bereuen Sie den Rücktritt aus der Politik eigentlich nicht?

Ich bin nicht zurückgetreten, sondern 2023 nicht mehr zu den Wahlen angetreten. Das ist eine Nuance. Ich hatte das grosse Privileg, 20 Jahre lang im Nationalrat zu wirken und mich in meinen Lieblingskommissionen zu engagieren. Nein, ich bereue diesen Schritt nicht.

Sie haben die Abkehr von der Politik mit der Geburt Ihres Sohnes begründet. Kann man das tun als emanzipierte Frau?

Das wurde von den Medien stark verkürzt wiedergegeben. Ich engagiere mich doch nicht die ganze Zeit für die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik, nur um dann zu verkünden, es gehe nicht mehr, sobald ich selbst Mutter werde! Alles, was ich damals gesagt habe, war, dass mir unser Baby geholfen hat, nach 25 Jahren Politik ohne Wehmut einen Schlussstrich zu ziehen.

Familie Markwalder, Christa und Peter 2022

Christa Markwalder ist mit Peter Grünenfelder (57) dem Präsidenten von Auto Schweiz, verheiratet. Hier zusammen 2022.

Thomas Buchwalder

Und, wie lebt es sich ohne Politik?

Sehr gut. Ein ganz neues Leben ist es ja nicht. Ich bleibe weiterhin in verschiedenen Gremien, bin nach wie vor bei den FDP-Frauen aktiv und engagiere mich für die Individualbesteuerung. Aber klar, das Leben ist stetiger geworden. Ich bin nicht mehr jeden Abend und jedes Wochenende unterwegs. Die positiven Emotionen, die ich tagtäglich als Mutter beim Heranwachsen unseres Sohnes erlebe, schätze ich enorm.

Sie sind eine leidenschaftliche Cellospielerin. Kommen Sie als Mutter noch dazu?

Nicht mehr so häufig wie früher, aber ich spiele nach wie vor. Ich bin auch weiterhin Mitglied der Polit-Band Fraktionszwang. Mein Sohn Michel liebt es, wenn ich Cello spiele. Er setzt sich ab und zu auf meinen Schoss und versucht mitzuspielen.

Apropos Musik: Was sagen Sie eigentlich zu den neuen Tönen in Ihrer Partei?

Welche neuen Töne?

FDP-Präsident Thierry Burkart wettert auf der Plattform X gegen die angebliche Willkommenskultur und schreibt, die Schweiz locke mit Lamas – es war das Bild eines Beschäftigungsprogramms – illegale Migranten an.

Ich glaube nicht, dass unser Wählerpotenzial bei denjenigen liegt, die auf Populismus ansprechen. Gleichzeitig habe ich aber auch das Gefühl, dass wir nicht immer nur brav, angepasst und staatstragend sein dürfen.

Also war Thierry Burkarts Tweet ein geschickter Schachzug?

Migration ist ein Thema, das die Leute bewegt. Da braucht jede Partei Antworten. Aber wir können nicht dieselben haben wie die SVP. Aus liberaler Sicht ist zum Beispiel die Personenfreizügigkeit eminent wichtig. Man kann sich streiten, ob Burkarts Tweet populistisch war. Sagen wir es so: Es gibt Aussagen, die ich «like» und teile. Und es gibt solche, die ich unkommentiert stehen lasse.

Sie haben Burkarts Tweet nicht geteilt?

Nein.

In einem Jahr werden Sie 50. Was wünschen Sie sich und der Welt?

Puh, dieser 50. Geburtstag ist noch weit weg. Ihre Frage bringt mich auf die Idee, wieder einmal ein Fest zu organisieren. Im Ernst: Ich hoffe, dass wir einen kleinen Teil der Probleme, die sich heute in der Welt und der Schweiz stellen, gelöst haben. Ich wünsche mir sehr, dass unser Sohn ein mindestens gleich gutes Leben haben kann wie ich.

Text: Andrea Kučera am 18. November 2024 - 06:00 Uhr