Noch eine letzte neapolitanische Pizza daheim! Pascal Grob steht auf der kleinen Terrasse seiner 2,5-Zimmer-Wohnung im hippen Zürich Wiedikon und überprüft die Temperatur des Pizzaofens: «450 Grad, perfekt!» Behutsam legt er den Teig über die Fingerknöchel, vergrössert ihn mit langsamen Drehbewegungen. «Geknetet habe ich ihn vor 72 Stunden.» Die San-Marzano-Pelati vom Comestibles-Laden, den luftigen Mozzarella vom Italiener, Parmesan und Basilikum stehen ebenfalls bereit. «Gute Zutaten, das richtige Handwerk und Herzblut – mehr brauchts nicht.»
Was für seine selbst gemachte Pizza Margherita gilt, macht für Pascal Grob auch das Erfolgsrezept eines guten Restaurants aus. Hinzu komme eine dicke Prise Authentizität. Oder wie er es formuliert: «Je realer, desto besser.» Echt erfolgreich ist der 32-Jährige mit seinem Blog «Züri isst» auf dem GaultMillau-Channel. Seit vier Jahren stellt Grob dort Szeneadressen, Pop-ups und Kochtalente vor. Er entdeckt, testet, fotografiert und schreibt. Im letzten Monat wurde «Züri isst» auf Instagram eine Million Mal aufgerufen, vor Corona waren die Zahlen noch höher. Die Terrassenöffnungen sind für ihn ein Lichtblick: «Ich hatte zwar mit Take-away und Lifecooking-Beiträgen genug zu tun. Aber die sozialen Kontakte und das Testen vor Ort fehlten mir.»
Obwohl Grob in Zürichs Foodszene inzwischen selber ein kleiner Star ist, hält er sich lieber im Hintergrund. «Es geht um die Gastronomen, nicht um mich.» Für seinen Blog wollte er zuerst nicht mit Bild und Namen hinstehen. Dennoch sei er heute froh, habe ihn GaultMillau-Chef Urs Heller davon überzeugt. «So bin ich glaubwürdiger.»
Den Respekt der Gastronomen vor Grobs Arbeit spürt jeder, der mit ihm unterwegs ist. Der Chef des Restaurants Gamper öffnet extra für den Foodblogger sein geschlossenes Lokal, um ihm ein Glas Naturwein – auf diesen schwört Grob – zu offerieren. Und beim In-Café ums Eck winkt ihm die Bedienung freudig zu. «Für uns war Pascal ein Glückstreffer», sagt Urs Heller. Er kenne sich nicht nur in der Zürcher Foodszene gut aus, sondern bewege sich mit sicherem Instinkt durch trendige Restaurants im Ausland.
Beeinflusst hat Grob vor allem die asiatische Küche: Seine Mutter, eine Dolmetscherin, stammt aus Thailand. «Bei den vielen Reisen dorthin habe ich nicht nur gelernt, alles zu probieren, sondern auch, dass man von einem Tier alles bis hin zum Gallensaft verwenden kann.» Die Kreativität der jungen Gastroszene entdeckte er nach dem Gymnasium in London, wo seine damalige Freundin studierte. «Dort brodelte es kulinarisch. Überall öffneten Pop-up-Restaurants, Street-Food-Festivals wurden gefeiert – in der Schweiz noch überhaupt kein Thema.»
Als Jahre später dann die ersten jungen Köche – viele verdienten zuvor ihre Sporen im Ausland ab – ihre Lokale in Zürich aufmachen, ist Grob zur Stelle. Geholfen haben ihm dabei die Erfahrungen in den sozialen Medien. Als Hobby betrieb er so erfolgreich einen Modeblog, dass er in der «Vogue» vorgestellt wurde und bei Aeschbacher in der Sendung landete. Und seine Ausbildung als Fotograf an der Zürcher Hochschule der Künste. «Danach wusste ich, wo mein Weg hinführt.»
Grob, der vor Corona pro Woche bis achtmal auswärts isst, hat eng mitbekommen, wie hart das letzte Jahr für Gastronomen war. «Viele liefen am Limit, aber ich kenne kaum ein Lokal, das schliessen musste.» Im November erkrankt er selbst an Corona – und verliert seinen Geschmackssinn! «Ich hatte aber Glück, nach etwa vier Wochen war dieser zurück.»
In Grobs Leben dreht sich alles um den kulinarischen Genuss. Das sieht man seiner Wohnung an. Kochbücher füllen die Regale («ich koche gerne nach Rezept, bis ich ein Gericht richtig spüre»), Weinflaschen stehen aufgereiht auf der Fensterbank («ich behalte Flaschen, die einen besonderen Moment in meinem Leben darstellen»). Seine Freunde hätten sich daran gewöhnt, dass er meist die Restaurantauswahl treffe. «Da kann es schon mal passieren, dass jemand mit mir in Süditalien eine Stunde im Lotterzug in ein kleines Dorf fahren muss, nur um dort eine Pizza zu probieren.»
Apropos: Wie erkennt man nun eine richtig gute neapolitanische Pizza? Grob nimmt sein Werk aus dem Ofen und zeigt auf die regelmässigen Bläschen am Rand. «Wie ein Leopardenmuster – perfekt!»